Wibke Brems: „Der Ausbau erneuerbarer Energien und der Industriestrompreis bringen genau diese Planungssicherheit“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag auf eine Aktuelle Stunde zum Industriestrompreis

Portrait Wibke Brems 5-23

Der Antrag auf einer Aktuelle Stunde „Absage von Bundeskanzler Scholz an die Einführung eines Industriestrompreises gefährdet den Industriestandort Nordrhein-Westfalen“

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ohne Industrie? Industrie ohne NRW? Beides ist doch einfach unvorstellbar, schließlich ist NRW die Herzkammer der deutschen Industrie, und die Industrie ist die Lebensader unserer Wirtschaft. Die Industrie in NRW ist quasi der Ursprung des deutschen Wirtschaftswunders und damit die Grundlage unseres Wohlstands. Geht es der deutschen Industrie schlecht, hat dies auch unmittelbar Auswirkung auf kleine und mittlere Unternehmen.

Damit unsere Industrie und damit auch die gesamte Wirtschaft Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wohlstand garantieren können, brauchen sie Planungssicherheit. Das machen wir in NRW zum Beispiel mit dem kraftvollen Ausbau erneuerbarer Energien, mit Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungen, die gerade in Arbeit sind, mit Investitionen in die Transformation von klein bis ganz groß und mit dem auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg. Wir – diese Landesregierung – schaffen die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige und klimaneutrale Industrie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Auch bei der Wirtschaftspolitik gilt aber: NRW ist keine Insel. Wir sind abhängig davon, welche Möglichkeiten uns die EU gibt und welche Rahmenbedingungen der Bund setzt. Europäische Wettbewerbsregeln, Immissionsvorgaben, die Zusammensetzung der Strompreise, Erleichterungen für die energieintensive Industrie – all das muss von dort kommen und wird von dort geregelt. Der wichtigste Punkt für die Unternehmen in der aktuellen Lage ist die Klarheit über die Strompreise. Deswegen brauchen wir einen Industriestrompreis.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dieser Industriestrompreis muss sich aus zwei Komponenten zusammensetzen. Die eine ist der mittelfristige Brückenstrompreis, die andere der langfristige Transformationsstrompreis. Warum brauchen wir diese beiden Teile? Die erneuerbaren Energien sind die Energieträger der Zukunft. Ihr beschleunigter Ausbau sorgt für kostengünstigen Strom. Mit den richtigen Instrumenten können Industrieunternehmen dann in einigen Jahren ganz direkt profitieren. Leider sind wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien noch nicht so weit, wie wir sein könnten. Daher brauchen wir im Übergang den Brückenstrompreis, bis sich der jetzt anlaufende Ausbau wirklich niederschlägt.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Dr. Christian Blex [fraktionslos])

Die Unterstützung für den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Habeck ist ja enorm. Die Gewerkschaften sind dafür, in Teilen auch die SPD-Landtagsfraktion des größten Bundeslandes, die SPD-Bundestagsfraktion, der bayerische Ministerpräsident, die Industrie. Breiter könnte es kaum sein. Man möchte meinen, wenn aus so vielen unterschiedlichen Richtungen positive Rückmeldungen kommen, dann würde der Bundeskanzler vielleicht doch mal kurz ins Nachdenken kommen. Aber stattdessen stellte er sich in der vergangenen Woche hier in Düsseldorf vor Hunderte Unternehmerinnen und Unternehmer und lehnte rundweg den Industriestrompreis ab.

Wobei … Moment, wir gucken uns noch einmal ganz kurz die Fakten und das an, was Kanzler Scholz sagte. Er sagte: „Eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben.“

Stimmt. Der Brückenstrompreis ist keine Dauersubvention. Er wäre auf drei bis fünf Jahre befristet. Es wären auch ganz gezielt ausschließlich energieintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb, die sich zudem verpflichten, bis 2045 klimaneutral zu werden. Also nix mit Gießkanne!

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Haben wir vielleicht den Bundeskanzler die ganze Zeit falsch verstanden und eigentlich ist er doch für den Vorschlag seines Vizekanzlers,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Bestimmt!)

oder hat er das Memo nicht ganz gelesen und vielleicht den Vorschlag auch gar nicht richtig verstanden?

(Sarah Philipp [SPD]: Ja, ja, das wird es sein!)

– Okay. Das ist ja eine Möglichkeit. Man muss sich alles überlegen, wenn es so ist.

(Zurufe von der SPD)

Aber gut. Die Lage ist ernst. Der Kanzler lehnt im engen Schulterschluss mit seinem Finanzminister lapidar einen Vorschlag ab, der unserer Industrie eine bessere Perspektive für Investitionen ermöglichen würde. Ihm ist anscheinend nicht bewusst, dass deutsche Unternehmen nicht mehr überlegen, wo sie zusätzlich zu deutschen Standorten investieren, sondern wo sie stattdessen investieren. Diese Ablehnung des Industriestrompreises, diese lapidare Ignoranz ist einfach nur gefährlich für die Zukunft unserer Industrie, den Wirtschaftsstandort und damit für unseren Wohlstand.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vom Bundesfinanzminister und dem Parteivorsitzenden einer selbsternannten Wirtschaftspartei hätte ich eigentlich auch mehr Einsatz für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie erwartet.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Ich finde das einfach alles nur noch bitter und ein echtes Armutszeugnis.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich kann es Ihnen jetzt nicht ersparen. Ich muss darauf zu sprechen kommen, warum der Vorschlag eines Industriestrompreises überhaupt notwendig ist. Das ist leider die verfehlte Wirtschafts- und Energiepolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Billiges Erdgas war das oberste Gebot. Schon deutlich vor dem Einmarsch Russlands auf die Krim war klar, dass Putin eben kein lupenreiner Demokrat ist. Aber selbst bei diesem Einmarsch auf die Krim 2014 wurden keine Konsequenzen gezogen. Es wurde einfach weitergemacht wie bisher. Die Abhängigkeit von Russland wurde entgegen vieler Warnungen billigend in Kauf genommen.

Weiteres Versäumnis: Alle sprechen seit Jahren vom Klimaschutz. Aber gehandelt wurde viel zu spät und viel zu zaghaft. Wären Klimaschutz und Transformationsanreize für die Wirtschaft früher umgesetzt worden, hätten wir heute mehr Zeit, und die Industrie hätte schon an einem anderen Punkt und viel besser aufgestellt sein können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wären den erneuerbaren Energien nicht einfach ein Stein nach dem anderen in den Weg gelegt worden, dann könnten schon heute von besseren und günstigeren Strompreisen profitieren. Stattdessen hat man eben keine Warnungen ernst genommen und alle Forderungen abgetan. Jetzt muss endlich aus diesen Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit gelernt werden.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Heute sollte ein starkes Signal aus NRW nach Berlin an den Bundeskanzler gehen, und zwar ohne Wenn und Aber, liebe SPD.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

NRW braucht die Industrie. Die Industrie braucht Planungssicherheit. Der Ausbau erneuerbarer Energien und der Industriestrompreis bringen genau diese Planungssicherheit. Deswegen: NRW braucht den Industriestrompreis.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)