Verena Schäffer: „Wir stehen an der Seite derjenigen, die von den Rechtsextremen nicht erwünscht sind“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN im Landtag zu den Demonstration für Demokratie

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Der Antrag 

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Von Köln bis Kleve, von Aachen bis Paderborn, von Münster bis Dortmund – ich könnte und müsste noch so viele Städte aufzählen –, es ist einfach großartig, wie viele Menschen, wie Tausende, Zehntausende gerade auf die Straße gehen, für unsere Demokratie demonstrieren, und zwar parteiübergreifend. Sie stellen gerade nicht die parteipolitische Profilierung nach vorn, sondern gehen gemeinsam auf die Straße. Ich finde das großartig.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Denn wir alle machen uns gerade Sorgen um unsere Demokratie. Menschen haben Angst vor den rassistischen Deportationsplänen, die ihre Freundinnen, ihre Familienmitglieder treffen würden. Sie machen sich Gedanken, ob sie aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religionszugehörigkeit das Land lieber verlassen sollten, bevor es zu spät ist. Sie haben Angst davor, irgendwann in einigen Jahren in einer Diktatur aufzuwachen.

Allen, die Angst und Sorgen haben, sage ich: Ihr seid nicht allein. Wir stehen zusammen. Wir stehen an der Seite derjenigen, die von den Rechtsextremen nicht erwünscht sind. Ich sage ganz klar: Ihr gehört hierhin. Ihr seid Teil dieser Gesellschaft. Gemeinsam kämpfen wir Seite an Seite für unsere Demokratie, für Vielfalt, für Menschenrechte.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Die Demonstrationen machen mir Mut, aber ich mache mir auch Sorgen. Zu viel ist schon passiert in diesem Land: rechtsterroristische Anschläge, eine unentdeckte Mordserie, Umsturzpläne von militanten Verschwörungstheoretikern. Die rechtsextreme Gefahr ist hoch, und sie steigt mit jedem Hasskommentar im Netz, mit jedem weiteren Prozentpunkt für die AfD. Denn Stimmungen in der Gesellschaft dienten schon immer als Legitimation für rechtsextreme Gewalttaten.

Dass eine rechtsextreme Partei in der Herzkammer der Demokratie sitzt, ist unerträglich, eine Partei, die mit der militanten rechtsextremen Szene eng vernetzt ist, die immer aggressiver – wir erleben das in jeder Plenardebatte – gegen Minderheiten hetzt und die die Deportation von Menschen mit Migrationsgeschichte zum Ziel hat.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Dass die AfD-Landtagsfraktion an einem Sachverständigen festhält, der an dem Geheimtreffen teilgenommen hat, wundert eigentlich schon nicht mehr. Nichts anderes haben wir erwartet. Aber es muss uns empören und darf uns nicht gleichgültig sein, dass hier eine Partei sitzt, die offen rechtsextreme Positionen bezieht. Niemals darf Rassismus Normalität werden. Immer braucht es den Widerspruch von Demokratinnen und Demokraten.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die AfD ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Aber unsere Demokratie ist stark. Sie ist wehrhaft. In diesem Jahr wird das Grundgesetz 75 Jahre alt, aber es ist nicht in die Jahre gekommen. Es sieht Instrumente vor, um gegen die Feinde der Demokratie vorzugehen. Ich finde, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Instrumente unserer wehrhaften Demokratie vorliegen, ja, dann sollten wir sie auch anwenden.

Aber – es gibt auch ein Aber – wir dürfen uns weder auf den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten noch auf den großartigen Demos, ausruhen. Denn 8 % der Bevölkerung haben ein rechtsextremes Weltbild, und 20 % sind offen dafür, die rechtsextreme AfD zu wählen. Deshalb wird uns die Auseinandersetzung mit der rechtsextremen, völkischen, nationalchauvinistischen Ideologie noch Jahre und Jahrzehnte beschäftigen. Wir dürfen dabei nicht nachlassen. Die aktuelle Demokratiebewegung ist Auftrag an uns demokratische Politikerinnen und Politiker, noch entschiedener gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus vorzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Gerade jetzt müssen wir Solidarität mit denjenigen zeigen, die vom rechtsextremen Menschenhass ganz konkret betroffen sind. Antidiskriminierungsarbeit ist ein Auftrag aus dem Grundgesetz. Wir werden sie in Nordrhein-Westfalen weiter stärken. Wir als Politikerinnen und Politiker tragen Verantwortung dafür, wie wir über Herausforderungen sprechen und wie wir ihnen begegnen.

Die Aufnahme von Geflüchteten ist so eine Herausforderung – eine Herausforderung für unsere Kommunen. Aber Menschen, die vor Krieg, vor Gewalt fliehen müssen, sind nicht die Ursache für das Erstarken einer rechtsextremen Partei. Wir wollen und wir werden unsere Humanität nicht aufgeben.

(Beifall von den GRÜNEN, Marc Blondin [CDU] und Thorsten Schick [CDU])

Wir müssen die vielfältigen Maßnahmen des Landes gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus weiter stärken und verstetigen.

Wir müssen auch über neue Wege nachdenken. Der Hass im Netz ist ungebremst. Seien wir ehrlich: Wir alle sehen nur die Spitze des Eisberges. Die Mobilisierung über Telegram seit den Coronaprotesten, die Hassvideos auf TikTok, die enthemmten Debatten in Onlineforen – wir müssen uns der digitalen Welt widmen, um Opfer in der analogen Welt zu schützen. Das ist ebenso eine Aufgabe der politischen Bildung und der Medienkompetenz wie eine der Sicherheitsbehörden. Wir müssen auch die Digitalunternehmen in die Pflicht nehmen, ihren Beitrag zu einer friedlichen und freiheitlichen Gesellschaft zu leisten. Wir dürfen das Internet nicht den Rechtsextremen überlassen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Unsere Sicherheitsbehörden sind gefragt, denn die größte Gefahr für unsere Demokratie kommt von rechts. Ich vertraue darauf, dass Polizei und Verfassungsschutz militante Rechtsextreme, radikale Geldgeber sowie brandgefährliche Verschwörungstheoretiker und Holocaustleugnerinnen genau im Blick haben. Wir setzen auf Auseinandersetzung und Prävention.

Wir gehen aber auch mit der vollen Härte des Rechtsstaates gegen rechtsextreme Umtriebe vor. Die Verteidigung unserer Demokratie – um nichts weniger geht es gerade – ist unser aller Pflicht.

Das Aufstehen der bisher vielleicht schweigenden Mitte macht Mut. Dass so viele Menschen jetzt auf Demos gehen, die vielleicht vorher noch nie auf einer Demo waren, macht richtig viel Mut. Wir setzen gemeinsam mit vielen Bündnissen und Initiativen, mit Gewerkschaften und Unternehmen, mit Religionsgemeinschaften und Jugendverbänden ein Zeichen für eine starke Demokratie. Gemeinsam werden wir diese Demokratie verteidigen. Wir werden dieses Land nicht den Verfassungsfeinden überlassen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)