Martin Metz: „Wir müssen ganz klar sagen: Erhalt geht vor Neubau beim Straßenbau“

Zum Antrag der FDP-Fraktion auf ein Brückenmanagament

Portrait Martin Metz

Der Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag Die Instandsetzung der Autobahnbrücken fokussieren – Leistungsstörungen auf Seiten des Bundes müssen kurzfristig berichtigt werden

Martin Metz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es begann 2012 in Leverkusen mit der A-1-Brücke. Es ging weiter mit der A-40-Brücke Neuenkamp, der Rahmedetalbrücke, der Haarbachtalbrücke in Aachen und zuletzt der A-42-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal in Bottrop und Essen.

Das muss man der Ehrlichkeit halber sagen – die Kollegen haben es schon angedeutet –: Das werden nicht die letzten Brücken gewesen sein.

Insgesamt sind 873 Teilbauwerke an Autobahnen marode und müssen in den nächsten Jahren saniert werden. Die Gründe sind bekannt: Brücken wurden vor allem in den 1960er- bis 1980er-Jahren gebaut. Sie wurden nicht für die heutigen Verkehrslasten ausgelegt, vor allen Dingen für den hohen Lkw-Verkehr, und sie wurden über Jahrzehnte nicht ausreichend unterhalten.

Wenn so eine Autobahnbrücke ausfällt und gesperrt werden muss, dann sind die Auswirkungen vor Ort wirklich gravierend, wie wir es in Lüdenscheid beispielsweise gesehen haben oder wie wir es jetzt in Bottrop und Essen sehen.

Das sind bei der Brücke über den Rhein-Herne-Kanal 72.000 Kraftfahrzeuge bzw. 10.000 Lkw die im Schnitt täglich darüberfahren. Wenn diese sich Ausweichwege suchen – am besten natürlich über die benachbarten Autobahnen, die dann aber auch voll sind, oder, besonders problematisch, durch Wohngebiete –, dann ist das nicht nur für die Lkw-Fahrerinnen und -fahrer sowie für die Pendlerinnen und Pendler eine erhebliche Einschränkung, sondern insbesondere auch für die Anwohnerinnen und Anwohner, die mit Blechlawinen, mit Lärm und Abgasen zu tun haben. Unternehmen haben das Problem, dass sie nicht mehr richtig erreichbar sind, und Land und Kommunen haben das Problem, dass deren Straßen auf den Ausweich- und Umleitungsstrecken kaputt gefahren werden.

Das ist die schwierige Lage. Die Menschen dort, die Pendlerinnen und Pendler, die Unternehmen, die Anwohnerinnen und Anwohner, die Kommunen, wollen keine politische Schaumschlägerei oder Verantwortungs-Pingpong, sondern sie wollen, dass die Probleme gelöst werden.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Gordan Dudas [SPD] – Gordan Dudas [SPD]: Genau! So ist das!)

Wenn man Probleme lösen will, dann muss man das machen, was die jeweilige Aufgabe ist.

Die fordert SPD nun einen Brückenmanager beim Land. Ein Manager – ich habe das heute Morgen extra noch einmal nachgeguckt – gestaltet laut Gabler Wirtschaftslexikon „durch Budgethoheit und Weisungsbefugnis die Entwicklung des gesamten Unternehmens“ usw.

Wenn das Land einen Brückenmanager für Autobahnbrücken des Bundes einführen würde, ohne irgendeine Form von Entscheidungskompetenz, dann kann ich Ihnen sagen, dass Sie genau das, was Sie beklagen – Chaos, Verantwortungslosigkeit – dadurch befeuern würden. Wenn nämlich die einen, die gar nicht zuständig sind, es für die anderen regeln sollen, kann das nicht funktionieren. Jeder soll das machen, was er kann und wofür er zuständig ist.

(Jochen Ott [SPD]: Das wäre ja schön!)

Nur dann werden wir wirklich mit der Situation vernünftig umgehen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Herr Kollege, es liegt eine Zwischenfrage von Herrn Dudas vor. Möchten Sie die gestatten?

Martin Metz (GRÜNE): Aber gerne.

Gordan Dudas (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zugelassen haben. Ich weiß nicht, zum wievielten Male ich Ihnen das gesagt habe, aber sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es nicht darum geht, einen Brückenmanager oder eine Brückenmanagerin für eine bzw. für alle Autobahnbrücken einzurichten?

Wir möchten einen Brückenmanager für die Gesamtkomplexität der Sanierung der Brücken in NRW einrichten – sowohl Landes- als auch Autobahnbrücken. Es geht nämlich darum, zu koordinieren und zu kommunizieren, wie die Maßnahmen durchgeführt werden, damit die Menschen vor Ort Planungssicherheit haben.

Sind Sie bereit, das endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen, oder ignorieren Sie das weiter und behaupten weiter diese Dinge, die Sie gerade hier behauptet haben?

Martin Metz (GRÜNE): Ja, ich nehme das zur Kenntnis,

(Gordan Dudas [SPD]: Das ist gut!)

aber ich finde es trotzdem weiterhin Quatsch.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich habe es auch vorher zur Kenntnis genommen, aber ich habe es schon mehrfach von diesem Pult aus erklärt: Ein Großteil der Verkehrsbelastung findet auf den Autobahnen statt. Wenn man sich die Zahlen zum Verkehr anschaut, dann wird man feststellen, dass die Bundesautobahnbrücken der ganz entscheidende Knackpunkt in Bezug auf die Auswirkungen bei Brückensperrungen sind. Das ist nicht wie bei einer kleinen Landesstraßenbrücke irgendwo in diesem Land, wenn so eine große Autobahnbrücke ausfällt.

Wenn man nicht für Hunderte oder Tausende Brückenbauwerke eine Person haben will, dann muss man sich fokussieren, und zwar auf die Autobahnbrücken. Aber dann muss auch die Stelle, die für die Bundesautobahnen zuständig ist, nämlich die Autobahn GmbH des Bundes, dafür die Verantwortung übernehmen.

(Zuruf von Gordan Dudas [SPD])

Wenn die Probleme gelöst werden sollen, müssen drei Dinge passieren. Erstens: Wir müssen die Situation in den Griff kriegen. Zweitens: Wir müssen vor die Lage kommen. Drittens: Wir müssen das Problem an der Wurzel packen.

Was heißt es, die Situation in den Griff zu bekommen? Das Straßenverkehrsrecht stammt aus der Kaiserzeit – das haben wir das letzte Mal schon diskutiert –, und der Kaiser kannte – wer geschichtlich bewandert ist, wird das nachvollziehen können – keine Autobahnsperrung.

Es kann doch nicht sein, dass jedes Mal, wenn eine Brücke gesperrt wird, gutachterliche oder verwaltungstechnische Klimmzüge gemacht werden müssen, wenn man die Verkehrsmassen, die sich von der Autobahn in die Wohngebiete ergießen, vernünftig lenken will.

Wenn man ein Durchfahrtsverbot für Lkw-Durchgangsverkehre oder Tempo 30 möchte, dann muss das einfacher möglich sein. Das Straßenverkehrsrecht ist nun einmal eine Bundesangelegenheit und gibt dies heute einfach nicht her. Der Bund muss endlich belastbare Lösungen aufzeigen, und es wäre gut, wenn wir dafür alle an einem Strang ziehen würden.

Der Bund muss auch dafür sorgen – Herr Dudas sagt das auch immer, auch in dem Antrag –, dass die Lkws möglichst schon auf der Autobahn gelenkt werden. Auch dort ist das Fernstraßenbundesamt bzw. die Autobahn GmbH die Stelle, die verbindliche Fahrverbote, Durchfahrtsverbote, Lenkungswirkung auf der Autobahn anordnen kann.

(Gordan Dudas [SPD]: § 46 Straßenverkehrsordnung!)

– Darüber können wir uns noch unterhalten, Herr Dudas. Das ist nicht so einfach, wie Sie das auch im Verkehrsausschuss dargestellt haben. Ich kann Ihnen aber sagen: Für die Autobahn ist klar, dass straßenverkehrsrechtliche Anordnungen durch die Autobahn GmbH selber erlassen werden.

Ich bitte in das Protokoll aufzunehmen, dass Herr Dudas den Kopf schüttelt. – Aber ich sage Ihnen: Es ist so! Wir können das nachher fachlich im Verkehrsausschuss klären, und Sie werden merken, dass ich recht habe.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zweitens: Wir müssen vor die Lage kommen. Wenn der Bund weiß – da sind wir ja einer Meinung –, dass zig Brücken in diesem Lande marode sind, dann muss man mit dem Problem endlich einmal umgehen. Es muss transparent kommuniziert werden, wenn irgendwo eine Brücke saniert wird, dass das passiert und dass es in der Folge zu Erkenntnissen kommen kann, die eine Sperrung bedeuten.

Für die Brücken, von denen bekannt ist, dass sie marode sind, müssen sukzessive Notfallpläne erarbeitet werden, damit nicht jedes Mal, wenn so etwas passiert, Holland in Not ist und alle gucken müssen, wo sie die Verkehre hinpacken. Auch da gilt, dass sich der Bund zu seiner Verantwortung bekennen sollte.

Drittens: das Problem an der Wurzel packen. – Die bröselnden Brücken sind das Resultat falscher Prioritäten in der bundesweiten Straßenpolitik der letzten Jahrzehnte. Ein politisches Blame Game – es waren diese oder jene – hilft uns doch nicht weiter. Das wird auch der Situation nicht gerecht.

Wir müssen nur endlich aus diesen strukturellen Fehlern, die große Teile der Politik in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, lernen. Wir müssen ganz klar sagen: Erhalt geht vor Neubau beim Straßenbau.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir stehen vor einer Generationenaufgabe, die Straßeninfrastruktur wieder flott zu machen.

Wir haben begrenzte Finanz- und Personalmittel. Wir müssen diese erst einmal in das bestehende Netz stecken, um es verkehrstüchtig zu machen. Das Land macht das im Bereich seiner Verantwortung. Das hat Herr Kollege Voussem vollkommen richtig ausgeführt: Wir haben die Mittel erhöht. 2004 – das passt gut, weil es genau 20 Jahre her ist – lagen die Mittel für den Erhalt der Landesstraßen bei 50 Millionen Euro. Sie liegen jetzt mit dem neuen Schwarz-Grün beschlossenen Haushalt bei 220 Millionen Euro, also auf einem Rekordniveau.

Wir haben im Koalitionsvertrag für die Landesstraßen klar vereinbart: Erhalt geht vor Neubau. Unser Verkehrsminister Oliver Krischer hat über den Brückenzustand an Bundes- und Landesstraßen transparent berichtet und Listen vorgelegt, wann welche Brücke gemacht werden sollte. So geht man das Thema an, und daran sollten sich Herr Wissing und der Bund ein Beispiel nehmen.

Der Bund hat keinen ernst zu nehmenden Plan, wann welche Brücken erneuert werden sollen. Ich kenne keinen. Sie haben ein Vorrangnetz und ein Hauptnetz. Und wann dann welche Brücke, das ist dann auch … Der Bundesrechnungshof sagt auch noch: Das funktioniert doch gar nicht, was ihr euch da vorgenommen habt.

Da muss der Bund erstens endlich das Thema in den Griff bekommen, zweitens vor die Lage kommen und drittens das Problem an der Wurzel packen.

Unser Verkehrsminister Oliver Krischer ist der Anwalt der nordrhein-westfälischen Verkehrsinfrastruktur,

(Lachen von der SPD – Gordan Dudas [SPD]: Winkeladvokat!)

setzt sich dafür ein und hat diese Forderungen nach Berlin getragen, was der Bund in seiner Zuständigkeit machen soll, und hat dort vorgestellt, was Nordrhein-Westfalen in dem Punkt richtig macht.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

So macht man vernünftige Straßenbaupolitik, und das bringt die Lösung, die die Menschen vor Ort erwarten, und nicht diese straßenverkehrspolitischen Nebelkerzen. Wir stimmen der Überweisung der Anträge in den Ausschuss zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Martin Metz (GRÜNE): Danke, Herr Präsident. Zwei Dinge. Das Erste ist das Thema „Lkw-Maut“. Ich finde es wirklich frappierend. Wenn wir hier eine Debatte führen, dann sollte man auch zuhören. Ich glaube, wenn so häufig, wie gerufen wurde: „Nein, es geht nicht um eine neue Maut“, das dann dennoch behauptet wird, tut das der Debattenkultur in diesem Parlament wirklich nicht gut.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lachen von der SPD – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Eigene Nase und so! )

Es geht um die einfache Situation, die wir zum Beispiel bei der A 45 haben, dass Spediteure sagen, sie führen lieber durch die Wohngebiete bzw. die Stadt, weil das von den Mautsätzen her günstiger sei. Ansonsten müssten sie großräumige Umleitungen fahren, wo sie dann entsprechend mehr Maut zahlen würden, weil diese nach Kilometern abgerechnet werde, sodass es sich wirtschaftlich lohne, eher die kleinräumige Umleitung zu fahren. Man kann natürlich über Anreize nachdenken, um die Durchgangsverkehre, die also von A nach B wollen, über einen differenzierten Mautsatz zu steuern, ohne die Spediteure vor Ort zu belasten. Das ist eine Debatte, die sehr, sehr wertvoll ist.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Präsident André Kuper: Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus den Reihen der SPD.

Martin Metz (GRÜNE): Erneut gern.

Präsident André Kuper: Der Kollege Dudas hat das Wort. – Herr Dudas.

Gordan Dudas (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege. Ich weiß nicht, wie sehr Sie sich mit der Maut und den Mautsätzen auseinandergesetzt haben. Ein Über-18-Tonner mit Euro-4-Norm bezahlt zum Beispiel 8,8 Cent pro Kilometer an Maut. Wenn wir das jetzt auf eine Umleitungsstrecke von etwa 100 km hochrechnen – was ja gar keine Umleitungsstrecke ist; die meisten sind ja viel kürzer –, würde er im Endeffekt 34 Euro Maut sparen.

Hinzu käme natürlich der Sprit, den er mehr verfährt. Das lohnt sich für niemanden. Ich verstehe Ihren Ansatz nicht. Wie sollte das ein Anreiz sein bzw. sich lohnen, dass er bei 100 km, auf denen er 34 Euro Maut sparen würde – Sie sagen, wir müssen ihn entlasten –, dann tatsächlich diese Umleitung fährt? Auch über diese 100 km verfährt er Sprit und hat zusätzliche Kosten. Außerdem lohnt es sich nicht, weil er einen Zeitverlust hat. Deswegen wird er weiterhin die kürzere Strecke über die kommunalen Straßen fahren.

Ich kann Ihren Ansatz überhaupt nicht nachvollziehen, inwiefern Sie meinen, dass das ein Anreiz für die Spediteure wäre. Sie haben sich offenbar nicht mit den momentan existierenden Mautsätzen auseinandergesetzt.

(Dr. Robin Korte [GRÜNE]: Frage?)

Martin Metz (GRÜNE): Zunächst einmal danke sehr, Herr Kollege Dudas, für diese Frage. Ich finde es bemerkenswert und werde gerne auf diese Stelle im Protokoll verweisen, wenn wir noch einmal bei den Speditionsverbänden sind, dass Sie sagen, 35 Euro auf 100 km seien gar nichts. Ich bin sehr gespannt darauf, wie das dort wahrgenommen wird.

Für alle Spediteure sind die entsprechenden Fahrtkosten eine Mischkalkulation, die ihnen durch die Maut, durch die Treibstoffkosten, durch die Personalkosten und den dahinterstehenden wesentlichen Zeitaufwand entstehen. Das ist eine Mischkalkulation.

Natürlich ist die Lkw-Maut ein Steuerungsinstrument. Sie würde gerade nicht so heftig im Speditionsgewerbe diskutiert, wenn sie keine Lenkungswirkung hätte. Sie hat auch eine Lenkungswirkung, wenn es um die Frage geht: Fahre ich die großräumige Umleitung mit einem höheren Mautsatz, oder stelle ich mich doch in dem kleinen Ort in den Stau? Es gibt Spediteure, die selbst sagen, es lohne sich betriebswirtschaftlich für sie nicht, die großräumige Umleitung zu fahren. Dafür wollen wir Anreize setzen, und das ist eine sinnvolle Maßnahme.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Danke für diese Fragestellung. Diese Gedanken um eine neue Maut usw. entsprechen alle nicht den Fakten.

Ein letzter Punkt. Ich habe einen Verkehrsminister – natürlich spricht er in eigener Sache – und eine Koalition erlebt, die ganz klar sagen: Diese Probleme, die wir vor Ort haben, sind gravierend, und wir wollen sie lösen. Wir tun das, was wir tun können. Uns geht es nicht darum, daraus politisches Kapital zu schlagen oder Verantwortungspingpong zu spielen, wie es hier geschieht. Ich würde mir wünschen, dass alle Beteiligten und auch die SPD- und die FDP-Fraktion endlich Politik im Sinne der Menschen machten und nicht immer nur so, wie sie es gerade politisch opportun finden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Dietmar Brockes [FDP]: Das kommt von den Richtigen!)

Mehr zum Thema

Verkehr