Die Instandsetzung der Autobahnbrücken fokussieren – Leistungsstörungen auf Seiten des Bundes müssen kurzfristig berichtigt werden

Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zum Brückenmanagement

Portrait Martin Metz

zu dem Antrag „Weitere Brückendesaster verhindern – Wir brauchen ein vorausschauendes Brückenmanagement für NRW!“

Antrag der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7709

I. Ausgangslage

Eine Vielzahl der Straßenbrücken in der Bundesrepublik Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Sie sind zu einem erheblichen Anteil in den 1960-er bis 1980-er Jahren gebaut wor­den. Im vergangenen Jahr 2023 waren allein in Nordrhein-Westfalen 873 Autobahnbrücken als „besonders sanierungsbedürftig“ eingestuft.

In der Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen wurden akut 205 Brücken als erneue­rungsbedürftig identifiziert, 22 Brücken die zu verstärken sind und 69 Brücken, die instand gesetzt werden müssen. Die (anteilig) aufzuwendenden Mittel des Landes für die Instandset­zung, die Ertüchtigung und den Ersatz von Brückenbauwerken an Landesstraßen sind im Lan­deshaushalt eingeplant in dem Titel 777 11 des Kapitels 10/150 (vgl. Vorlage 18/860).

Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt das Aufholen des Sanierungsstaus in der Verkehrsinfrastruktur Nordrhein-Westfalens fort. Dafür hat der Landesgesetzgeber mit der Verabschiedung des Landeshaushalts 2024 die finanziellen Voraussetzungen geschaffen. Mit einer Ausstattung von 220 Millionen Euro ist der auf die Erhaltung und Sanierung der Landes­straßen bezogene Titel 777 11 in Kapitel 10/150 erneut auf ein Rekordniveau entwickelt wor­den.

Die im November 2023 vorgestellte „Modernisierungsoffensive Straßeninfrastruktur NRW“ plant in den kommenden zehn Jahren die Erneuerung und Modernisierung von knapp 400 Brücken in Zuständigkeit des Landes.

Zum 1. Januar 2021 ist die Zuständigkeit für die Autobahnen auf die Autobahngesellschaft des Bundes übergegangen, zu der viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Straßen.NRW wechselten. In den vergangenen Jahren wurden 211 zusätzliche Stellen für Planerinnen und Planer bei dem bis dahin zuständigen Landesbetrieb Straßenbau NRW geschaffen, um Pla­nung zu beschleunigen. Die Mittel für externe Planerinnen und Planer wurden erhöht.

Mit dem Infrastrukturpaket I aus dem Jahr 2018 (mit dem Acht-Punkte-Programm zur Be­schleunigung von Baustellen), dem Infrastrukturpaket II aus dem Jahr 2021 und dem 10-Punkte-Plan aus dem Jahr 2022 wurden Maßnahmen mit dem Ziel beschlossen, den Ersatz­neubau von Brücken zu beschleunigen. Mit Nachdruck hat sich die Landesregierung für einen Beschleunigungspakt von Bund und Ländern eingesetzt. Bundestag und Bundesrat haben im Oktober bzw. November 2023 ein Gesetz verabschiedet, das den Ersatzneubau von Brücken noch einmal vereinfacht.

Jedoch gibt es beim Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMDV) keine Klarheit, wie die Problematik der maroden Autobahnbrücken in den Griff zu bekommen ist. Rund drei Jahre nach dem Zuständigkeitswechsel, mit Zuschrift vom 9. Januar 2024, informiert der Bundes­rechnungshof den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags über die Ergebnisse sei­ner Prüfung des Standes der Umsetzung des Brückenmodernisierungsprogramms des Bun­des. Der Bundesrechnungshof ist zu der Überzeugung gelangt, dass das BMDV den Moder­nisierungsbedarf unterschätzt und den vollständigen Umfang der zu modernisierenden Bau­werke nicht im Blick hat, obwohl die prekäre Lage der Brückensanierung bekannt ist. Zudem problematisiert der Bundesrechnungshof in seiner Zuschrift die fehlende zeitliche Abstimmung in der Bearbeitung von BMDV einerseits und der Autobahn GmbH andererseits.

In den Jahren 2021 und 2022 hat die Autobahn GmbH weitestgehend Planungen der Länder umgesetzt mit der Konsequenz, dass mehr als 40 Prozent der Realisierungen des Brücken­modernisierungsprogramms des Bundes verfehlt wurden. Gleichzeitig wurde von einem grö­ßer werdenden Defizit gewarnt.

In Nordrhein-Westfalen erfolgen 60 Prozent der Jahresfahrleistung von Kraftfahrzeugen im überörtlichen Straßennetz auf Autobahnen. Ihre Funktionalität ist ein wichtiger Beitrag für menschliche Teilhabe, wirtschaftliches Wohlergehen, Ressourcenschonung sowie die gute Anbindung ländlicher Räume. Deshalb hat die Instandsetzung des Autobahnnetzes eine Prio­rität über gesellschaftliche Gruppen und Generationen hinweg. Sie ist planmäßig und konse­quent zu leisten. Fachkräfte sind auf die Sanierung und auf die Erhaltung zu konzentrieren. Die Chancen des modernen Baustellenmanagements und des seriellen Brückenbaus sind zu nutzen. Die für die Aufgaben der Erneuerung gebrauchten Personalkörper müssen dynamisch entwickelt werden.

Aus der Mangelhaftigkeit in der Planung und Umsetzung von Brückensanierungen und Brü­ckenneubauten in einerseits der Zuständigkeit des BMDV und andererseits in unmittelbarer Verantwortung der Autobahn GmbH resultieren offenkundig (auch) gehäuft kurzfristige Ver­kehrseinschränkungen. Autobahnbrücken werden aufgrund von Überprüfungen gesperrt. Vor allem die zeitlich knapp veranlassten Autobahn-Sperrungen oder Ablastungen bedingen re­gelmäßig erhebliche Beeinträchtigungen: namentlich durch Ausweichverkehre in untergeord­nete Straßennetze, durch eine eingeschränkte Erreichbarkeit von öffentlichen Einrichtungen und lokalen Unternehmen. Verwaltungen stehen unvermittelt vor der Aufgabe, Umleitungen zu organisieren und Verkehre verantwortlich zu lenken. „Domino-Effekte“ drohen. Hinzutre­tend erschweren rigide Vorgaben des Straßenverkehrsrechts des Bundes nicht nur im Einzel­fall eine proaktive und kluge Verkehrslenkung.

Das Land Nordrhein-Westfalen – die Lebensqualität und die Mobilität der hier lebenden Men­schen – ist darauf angewiesen, dass der Bund die maroden Autobahn-Brücken in seiner Zu­ständigkeit vorausschauend und konsequent saniert beziehungsweise erneuert. Die Indifferenzen, die der Bundesrechnungshof in dem vorstehend gekennzeichneten Bericht auf­deckt, sind im bestätigten Fall unverzüglich wettzumachen. Zeitlicher Verlust ist aufzuholen.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Durch jahrzehntelangen Verschleiß und aufgrund gestiegener Verkehrslast sind viele Straßenbrücken in der Verantwortung unterschiedlicher Baulastträger in Nordrhein-Westfalen sanierungsbedürftig, zu verstärken oder instand zu setzen.
  • Die Zukunftskoalition von CDU und Grünen stellt sich ihrer Verantwortung für die Brü­cken an Bundes- und Landesstraßen in ihrer Zuständigkeit. Der jeweilige Zustand der Brücken wird transparent dargelegt sowie Sanierungs- und Ersatzneubauten verlässlich priorisiert und projektiert.
  • Es ist notwendig, auch in Zeiten angespannter Haushalte verlässlich für den nachhalti­gen Umbau zu handeln. Die Sanierung der Verkehrswege, die Offensiven für den ÖPNV, die Erschließungen im Strukturwandel, das Deutschlandticket und neue Anreize, kom­fortabel umsteigen zu können, sind mit jeweils sachgemäßer Priorität zu verfolgen.
  • Wegen ihrer Verkehrsbedeutung haben vor allem Sperrungen oder Ablastungen der in der Zuständigkeit des Bundes liegenden Autobahnbrücken gravierende negative Kon­sequenzen für die Menschen, für Unternehmen, für Kommunen und für das Land. Ge­rade kurzfristige Sperrungen führen zu erheblichen Problemen.
  • Das Land und die Kommunen arbeiten mit daran, bei Autobahn-Sperrungen und Ablas-tungen die negativen Auswirkungen aufzufangen. Erste Zuständigkeiten für Umleitungen und für diesbezügliches Management liegen jedoch eindeutig beim Bund respektive bei der Autobahn GmbH des Bundes.
  • Weder verfügt der Bund über ein konsistentes Sanierungsprogramm für Autobahn-Brü­cken, noch hat er bei der Lkw-Maut oder im Straßenverkehrsrecht Grundlagen geschaf­fen, um auf Brückensperrungen angemessen reagieren zu können.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  1. beim Bund mit Nachdruck darauf zu drängen, dass dieser nach dem Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ die ihm überantworteten Aufgaben, Bundesautobahnen instand zu halten beziehungsweise instand zu setzen, planmäßig erfüllt, dass er personelle Kapazitäten darauf konzentriert und die erforderlichen Finanzmittel bereitstellt;
  2. den Bund in Kenntnis der zeitlichen, planerischen und sachlichen Inkongruenzen, die der Bundesrechnungshof in dem vorstehend bezeichneten Gutachten mitteilt, um zeit­nahe Stellungnahme zu bitten, welche Konsequenzen (im Falle der Bestätigung) hin­sichtlich der Modernisierungsmaßnahmen des Bundes konkret in Nordrhein-Westfalen abschätzbar sind;
  3. sich beim Bund dafür einzusetzen, dass auseinandergehenden Planungen und Reali­sierungen einerseits seitens des BMDV und anderseits seitens der Autobahn GmbH zu­sammengeführt, Synergien genutzt und die Pfade jeweiliger Sanierung vereindeutigt werden;
  4. sich mit dem Bund darauf zu verständigen, dass eine engmaschige Kontrolle der Auto­bahn-Brücken in Verantwortung des Bundes mit dem Land Nordrhein-Westfalen und mit den jeweils betroffenen Kommunen regelmäßig und (maßnahmenbezogen) frühzeitig abgestimmt wird;
  5. sich im Kollegium der Landes-Verkehrsministerinnen und -Verkehrsministern und ge­genüber dem Bund dafür einzusetzen, das Straßenverkehrsrecht so anzupassen, dass eine erforderliche Sperrung potenziell konfliktreicher Ausweichstrecken für den Durch­gangsverkehr – insbesondere von Lkw – im akut begründeten Fall deutlich vereinfacht wird, um die Verkehrsbelastung auf Umleitungsstrecken zu reduzieren und Leistungs­störungen im nachgeordneten Straßennetz zu vermeiden. Insbesondere soll stattdessen eine verbindliche Lenkung von Durchfahrtsverkehren bereits auf der Autobahn erfolgen;
  6. sich in diesem Kontext gleichfalls dafür einzusetzen, dass die Anwendbarkeit des Ver­kehrsrechtes dahingehend flexibilisiert wird, dass im Fall von kurzfristigen erheblichen Mehrbelastungen (im Zuge von Umleitungs-/Ausweichverkehren) Anordnungen leichter getroffen werden können, um verhältnismäßig zu reagieren, insbesondere mit Ge­schwindigkeitsbegrenzungen oder kurzfristig erforderlichem Durchfahrverbot;
  7. sich gegenüber dem Bund für eine Prüfung einzusetzen, ob durch höhere Mautentgelte für Durchgangsverkehre die Belastung durch Lkw-Fahrten gesteuert werden kann, wenn Autobahnabschnitte gesperrt werden müssen. Über technische Einzelheiten der Erhe­bung oder Rückerstattungsmöglichkeiten muss eine Benachteiligung der lokalen Unter­nehmen etc. für Ziel-Quell-Verkehre vermieden werden.
  8. sich beim Bund dafür einzusetzen, dass dieser für Autobahnbrücken mit schlechten Zu­standsnoten oder schlechtem Traglastindex (IV und V) proaktiv Notfallpläne für das Sze­nario einer Sperrung bzw. Ablastung erarbeitet und stetig aktualisiert, die mit den Bau­lastträgern des nachgeordneten Netzes und mit den Straßenverkehrsbehörden abge­stimmt werden.