Lena Zingsheim-Zobel: „Demokratisches Verhalten muss gelernt und geübt werden“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zur Vermittlung demokratischer Werte

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Der Antrag „Vermittlung demokratischer Werte und Strukturen zukunftsfest stärken“

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Ich bin 1993 geboren. Ich habe weder den Mauerfall erlebt, noch habe ich bewusste Erinnerungen daran, was die Wiedervereinigung an Arbeit, Gesprächen und Auswirkungen bedeutete. Allerdings habe ich ein Bild im Kopf – da war ich ziemlich klein – von einer Demonstration auf den Schultern meines Papas und um mich herum Hunderte von Menschen. Das muss eine 1.-Mai-Kundgebung gewesen sein.

Ich bin in dieser Demokratie wie selbstverständlich aufgewachsen; dabei wird das Grundgesetz dieses Jahr erst 75 Jahre alt, jünger als meine Oma. Dass Menschen aus meiner Generation, die hier aufgewachsen sind, sonntags mit den Eltern zur Wahlurne spazieren und keine Angst vor Krieg haben müssen, ist erstens wahnsinnig harte Arbeit der Nachkriegsgeneration gewesen und zweitens ein wahnsinnig großes Privileg.

Menschen damals und heute fliehen vor Autokratien und/oder zu uns, weil sie politisch verfolgt werden, weil das, was ich lange für selbstverständlich gehalten habe, global bei Weitem nicht die Regel ist. Daraus wächst eine Verantwortung, diese Verantwortung, die AfD auch als das zu benennen, was sie ist: als verfassungsfeindliche und menschenverachtende Partei. Die Aufgabe aller Demokratinnen ist es, sich dieser Gefahr entgegenzustellen, denn nie wieder ist jetzt.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Demokratisches Verhalten muss gelernt und geübt werden,

(Dr. Christian Blex [AfD]: Dafür sind Sie das beste Beispiel!)

denn die Generation Z wird einen Umgang mit den Megatrends finden müssen: Klimakrise, Globalisierung, demografischer Wandel. Demokratie ist in diesem Wandel kein Selbstläufer, wenn Verunsicherungen, Angst und Skepsis die demokratische Grundordnung ins Wanken bringen oder offen angehen.

In unserer Einwanderungsgesellschaft geht es aber eben nicht nur darum, historisch zu schauen, warum etwas passierte; ich denke dabei auch an die Menschen in der Ukraine, an die Frauen in Afghanistan, die von den Taliban unterdrückt werden, an den brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel und die vielen weiteren Konflikte in dieser Welt.

Ich habe so weit ausgeholt, weil jetzt doch klar ist, welche Bedeutung Schule zukommt und welche Verantwortung Lehrkräfte gerade tragen. Schulen sind die Lebensräume junger Menschen. Hier werden Meinungen gebildet und verhandelt. Demokratische Bildung ist politische Bildung und niemals neutral; das darf sie gar nicht sein.

Schulen sind Orte, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Das Engagement von Lehrkräften, die auf die Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt hinweisen, die ihre Schüler*innen ermutigen, für Menschenrechte und Gleichheit einzustehen, gilt es zu stärken und ihnen dafür zu danken.

Die politische Teilhabe von Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen ist im Vergleich zu anderen Ländern gering. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir unsere Bemühungen verstärken, um unsere Demokratie zu verteidigen. Die Zukunft unserer Gesellschaft, so wie wir sie kennen, hängt auch davon ab, wie wir unsere Kinder und Jugendlichen auf ein Leben in Freiheit und Verantwortung in unserer Demokratie vorbereiten.

Der 16. Kinder‑ und Jugendbericht des Bundes zur Förderung demokratischer Bildung im Kindes‑ und Jugendalter macht deutlich: Demokratische Prinzipien müssen in der Schule verankert und dort gelebt werden. Ein Bildungssystem, das die Demokratie fördert, ermöglicht es den Schüler*innen, eigenverantwortliche Mitglieder unserer Gesellschaft zu werden.

Es ermutigt sie darin, sich kritisch mit politischen Themen auseinanderzusetzen und nachhaltig politisch aktiv zu werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Stärkung unserer Demokratie. Nur wenn wir demokratische Strukturen fest in unserer Gesellschaft verankern, können wir ihre Stabilität gewährleisten.

Daher sollten wir uns darauf konzentrieren, dass Schüler*innen aktiv in realdemokratische Prozesse einbezogen werden, sei es durch praktische Lernformate, Besuche in Parlamenten oder den Kontakt zu demokratischen Vertreter*innen. Dies ist ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes von BNE, um den komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen oder – und ohne der Aktuellen Stunde morgen etwas vorwegzunehmen –: Zu dieser Forderung sind Schüler*innenproteste wie vergangene Woche wichtig und richtig.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass Demokratiebildung in Nordrhein-Westfalen gestärkt wird. Unsere Schulen sollten junge Menschen nicht nur auf das Leben nach der Schule vorbereiten, sondern auch befähigen, ihre Rolle als aktive Bürger*innen in einer freien und demokratischen Gesellschaft jetzt zu nutzen. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Debatte im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)