Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir merken es in diesen Tagen wieder ganz deutlich: Unsere wehrhafte Demokratie ist eine Errungenschaft, und sie ist ein Privileg. Damit das auch so bleibt, braucht es Menschen, die dieses abstrakte Konzept „Demokratie“ mit Leben füllen. Dabei denke ich heute natürlich an die vielen Hunderttausenden Menschen im ganzen Land, die derzeit auf die Straßen gehen, um für unsere Demokratie und gegen Hass, Hetze, Rechtsextremismus und vor allem gegen die menschenfeindlichen Pläne einer AfD zu demonstrieren, die nichts anderes will, als diese Demokratie und ihre Werte von Freiheit und Pluralität abzuwickeln.
Ich denke auch an die rund 20.000 Menschen, die in den Gemeinde- und Stadträten oder Kreistagen in unserem Land tagen, die in einem kommunalpolitischen Ehrenamt Verantwortung übernehmen. Die Kommunalpolitik und die Menschen, die sich für sie engagieren, sind eine tragende Säule dieser Demokratie.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Wir reden von Menschen – und die haben tatsächlich diesen Applaus verdient –, die neben ihrer Familie und ihrem Beruf abends unter der Woche noch eine Vielzahl von Gremiensitzungen wahrnehmen, um dort die Interessen der Bürger*innen zu artikulieren. Wir reden von Menschen, die sich am Wochenende durch Akten und Papierberge wühlen, um die Entscheidungen in ihrer Kommune zu verstehen, zu überprüfen und sie am Ende besser zu machen. Für dieses sehr zeitaufwendige und nicht selten auch nervenaufreibende Ehrenamt gebührt ihnen unser Dank.
Als Koalition wollen wir deshalb mit diesem Antrag an verschiedenen Stellschrauben drehen, um das kommunale Ehrenamt noch attraktiver zu gestalten, damit nicht nur die heute schon Aktiven weiterhin gerne Politik machen, sondern auch mehr Menschen überhaupt erst in die Lage versetzt werden, sich in die Kommunalpolitik einzubringen. Es gibt nämlich viele gesellschaftliche Gruppen, die derzeit in unseren Räten und Kreistagen unterrepräsentiert sind.
Mit diesem Antrag legen wir einen klaren Fokus auf die Verbesserung der Bedingungen, zum Beispiel für junge Menschen, zum Beispiel für junge Eltern und dabei insbesondere für Frauen, die heute immer noch deutlich häufiger mit den Herausforderungen von Care-Arbeit zu tun haben als Männer und damit auch mit der Vereinbarung mit dem Ehrenamt. Ein ganz zentrales Anliegen unsererseits ist deshalb, dass der Anspruch darauf gesetzlich geregelt wird, dass Betreuungskosten für Kinder und pflegebedürftige Angehörige mindestens in Höhe des Mindestlohns erstattet werden müssen.
Darüber hinaus prüfen wir die Möglichkeit zur Einführung einer Mandatsauszeit in Fällen wie Eltern- und Pflegezeit oder längerer Krankheit. Bisher verzichten nämlich noch viel zu viele Menschen, die beispielsweise eine Familiengründung planen, zu häufig darauf, sich überhaupt um ein kommunales Mandat zu bewerben, weil es eben keine Möglichkeit gibt, für einen begrenzten Zeitraum zurückzutreten. Sich der Einführung einer solchen Mandatspause anzunehmen – wie man sie nennen könnte und wie sie zum Beispiel schon in den Niederlanden Realität ist –, lohnt sich daher. Das ist nicht ohne Grund von der Enquetekommission zur Demokratie der letzten Wahlperiode angeregt worden. Diese Anregung greifen wir gerne auf.
Neben der Familienfreundlichkeit stellt auch die Vereinbarkeit mit dem Beruf oft eine wesentliche Hürde zum Einstieg in kommunale Ehrenämter dar, denn wer Vollzeitjob und Mandat unter einen Hut bekommen muss, wünscht sich oft, dass der Tag mehr als 24 Stunden hätte. Deshalb muss es einfach und vor allem unbürokratisch möglich sein, dass berufstätige Menschen für ein kommunales Ehrenamt von der Arbeit freigestellt werden und ihr Verdienstausfall ersetzt wird, und zwar nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch für Selbstständige und für Angestellte bei privaten Arbeitgebern.
Ein weiterer Schwerpunkt in unserem Antrag liegt auf der Teilhabe junger Menschen, denn gerade sie sind heute in der Kommunalpolitik nicht entsprechend ihres Bevölkerungsanteils vertreten. Deshalb sagen wir mit diesem Antrag ganz klar, dass wir Jugendlichen ab dem 16. Lebensjahr, die ja heute schon bei Kommunalwahlen wahlberechtigt sind, zukünftig auch die Möglichkeit geben wollen, sich als sachkundige Bürger*innen und Einwohner*innen aktiv in die Kommunalpolitik einzubringen.
Zuletzt will ich die Aufmerksamkeit noch auf zwei weitere Anliegen unseres Antrags lenken. Vor Kurzem hat die Landesregierung die Entschädigungsverordnung umfassend novelliert und dabei eine kluge Regelung für einen kontinuierlichen Inflationsausgleich der Aufwandsentschädigung gefunden. Wir beantragen heute, die Erhöhung der Aufwandsentschädigungen für die letzten drei Jahre ab 2021 nach diesen neuen Spielregeln nachzuholen. Das ist fair und gerecht, weil es seit 2021 bei zugleich hoher Inflation – das wissen Sie – keine Erhöhung gab.
Außerdem werden wir die Doppelspitze, die bei uns Grünen und zunehmend auch bei anderen Parteien in der Führung von Fraktionen längst gelebte Praxis ist, gesetzlich hinterlegen und damit für die vielen Fraktionen, die heute schon mit einer Doppelspitze arbeiten, eine verlässliche Rechtsgrundlage schaffen.
Ich denke, man kann sagen, dass wir Ihnen hiermit heute eine ganze Reihe von praktischen Verbesserungsvorschlägen für die Lebensrealität und den politischen Alltag unserer Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vorlegen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und würde mich über eine sehr breite Zustimmung im Landtag zu diesen Anliegen freuen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)