Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens und des Staatsgesetzes betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag

Portrait Benjamin Rauer

A Problem

Die Regelungen über die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften – hier: der Evan­gelischen Landeskirchen und der Katholischen Diözesen in Nordrhein-Westfalen einschließ­lich der ihnen jeweils zugeordneten Rechtsträger – sind ihrem Wesen nach kirchliches – nicht staatliches – Recht. Vor dem Hintergrund der prinzipiellen Trennung von Staat und Kirche unterfallen sie dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und 3 Satz 1 WRV). Die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gehören auch dann nicht zur staatlichen Sphäre, wenn sie in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts am Rechtsverkehr teilnehmen.

Vor diesem Hintergrund widerspricht es der grundgesetzlichen Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche, wenn die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften ganz oder teil­weise zumindest scheinbar durch staatliches Recht geregelt ist.

Die im Staatsgesetz betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924 (PrGS. S. 221), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. S. 313), enthaltenen staatlichen Aufsichtsbefugnisse und Genehmigungsvorbehalte sind, wie das von der Landesregierung in Abstimmung mit den Landtagsfraktionen in Auftrag gegebene Gutachten des Staatsrechtslehrers Professor Dr. Markus Ogorek (Universität zu Köln) ergeben hat, weitestgehend als verfassungswidrig und nichtig anzusehen. Auch das für die Katholi­schen (Erz-)Diözesen in Nordrhein-Westfalen bislang maßgebliche Gesetz über die Verwal­tung des katholischen Kirchenvermögens (PrKVVG) vom 24. Juli 1924 (PrGS. S. 585), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. S. 313), ist ausweislich des vorerwähn­ten Gutachtens als staatliches Gesetz, das ungerechtfertigt in das kirchliche Selbstbestim­mungsrecht eingreift, verfassungswidrig und nichtig.

In Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts haben die Evangelischen Landeskir­chen in Nordrhein-Westfalen bereits vor geraumer Zeit kircheneigene Regelungen über die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften erlassen. Die kircheneigenen Kirchenver-mögensverwaltungsgesetze der Katholischen (Erz-)Diözesen in Nordrhein-Westfalen sollen am 1. Juli 2024 in Kraft treten. Die als Landesrecht formal fortgeltenden preußischen Gesetze von 1924 werden damit endgültig obsolet.

B Lösung

Der Gesetzentwurf sieht die Aufhebung des Staatsgesetzes betreffend die Kirchenverfassun­gen der evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924 (PrGS. S. 221), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. S. 313), und des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 (PrGS. S. 585), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. S. 313) vor.

Hiermit soll der unbedingten Verfassungspflicht nachgekommen werden, die verfassungswid­rigen und damit nichtigen Gesetze deklaratorisch aufzuheben und den von ihnen ausgehen­den Rechtsschein zu beseitigen.

C Alternativen
Keine.

D Kosten

Durch den Gesetzentwurf werden keine zusätzlichen Kosten verursacht.

E Zuständigkeit

Zuständig ist die Staatskanzlei. Beteiligt sind das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klima­schutz und Energie und das Ministerium der Justiz.

F Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände

Keine.

G    Finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen und private Haushalte Keine.

H     Geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Auswirkungen des Gesetzes

Das Gesetz entfaltet keine Auswirkungen, die eine geschlechterdifferenzierte Betrachtung er­forderlich machen würden.

I      Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung (im Sinne der Nachhaltigkeitsstra-tegie NRW)

Keine.

J     Befristung

Da es sich der Sache nach um einen Akt der Rechtsbereinigung handelt, ist eine Befristung – die dem Zweck der Gesetzgebung zuwiderlaufen würde – nicht angezeigt.


Gesetz zur Aufhebung des Staatsgesetzes betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen und des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens

Artikel 1

Aufhebung des Staatsgesetzes betreffend die Kirchenverfassungen der

evangelischen Landeskirchen

Das Staatsgesetz betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924 (PrGS. S. 221), das zuletzt durch Gesetz vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. S. 313) geändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 2

Aufhebung des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens

Das Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 (PrGS. S. 585), das zuletzt durch Gesetz vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. S. 313) geändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 2024 in Kraft.

 

Begründung

A Allgemeines

Die Regelungen über die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften – hier: der Evan­gelischen Landeskirchen und der Katholischen Diözesen in Nordrhein-Westfalen einschließ­lich der ihnen jeweils zugeordneten Rechtsträger – sind ihrem Wesen nach kirchliches – nicht staatliches – Recht. Vor dem Hintergrund der prinzipiellen Trennung von Staat und Kirche unterfallen sie dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und 3 Satz 1 WRV). Die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ge­hören auch dann nicht zur staatlichen Sphäre, wenn sie in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts am Rechtsverkehr teilnehmen.

Vor diesem Hintergrund widerspricht es der grundgesetzlichen Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche, wenn die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften ganz oder teil­weise zumindest scheinbar durch staatliches Recht geregelt ist.

Die Evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen haben schon vor geraumer Zeit ei­gene Regelungen über die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften getroffen. Die im preußischen Staatsgesetz betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskir­chen vom 8. April 1924 enthaltenen staatlichen Aufsichtsbefugnisse und Genehmigungsvor­behalte sind, wie das als Anlage beigefügte, von der Landesregierung in Abstimmung mit den Landtagsfraktionen in Auftrag gegebene Gutachten des Staatsrechtslehrers Professor Dr. Markus Ogorek (Universität zu Köln) ergeben hat, weitestgehend als verfassungswidrig und nichtig anzusehen.

Auch das für die Katholischen Diözesen in Nordrhein-Westfalen bislang maßgebliche preußi­sche Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens (PrKVVG) vom 24. Juli 1924 ist ausweislich des vorerwähnten Gutachtens von Professor Ogorek als staatliches Ge­setz, das ungerechtfertigt in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eingreift, verfassungswid­rig und nichtig. Das PrKVVG ist indes staatliches und kirchliches Gesetz zugleich, da es auf­grund der langjährigen Praxis den Status einer vom kirchlichen Recht übernommenen Bestim­mung des staatlichen Rechts gewonnen hat (sog. lex canonizata, vgl. can. 22 CIC/1983). Bei genauer Betrachtung ist daher gegenwärtig das PrKVVG in seiner Eigenschaft als kirchliches Gesetz Rechtsgrundlage für die Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen Nord­rhein-Westfalens sowie deren Untergliederungen.

Die katholischen Diözesanbischöfe als zuständige kirchliche Gesetzgeber können diese kirch­lichen Normen ändern, ohne dass es hierzu der Mitwirkung des staatlichen Gesetzgebers be­dürfte. An staatliches Recht – das in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in Bezug genommene „all­gemeine Gesetz“ – sind sie hierbei nur insoweit gebunden, als die kirchlichen Vorschriften eine ordnungsgemäße Vertretung kirchlicher Körperschaften gewährleisten müssen. Bestimmun­gen des kirchlichen Rechts, wonach ein Beschluss, ein Rechtsgeschäft oder ein Rechtsakt erst durch die Genehmigung des jeweiligen (Erz-)Bischöflichen Generalvikariats im staatlichen Rechtskreis Wirksamkeit entfalten soll, bedürfen der Veröffentlichung in einem staatlichen Publikationsorgan.

Vor diesem Hintergrund sind in den (Erz-)Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster und Pader­born Entwürfe neuer kirchlicher Vermögensverwaltungsgesetze erarbeitet worden, die in den jeweiligen kirchlichen Amtsblättern veröffentlicht werden und am 1. Juli 2024 in Kraft treten sollen. Sie folgen damit dem Beispiel der übrigen Diözesen aus dem ehemaligen preußischen Rechtskreis, in denen teilweise schon vor geraumer Zeit die Vorschriften des PrKVVG durch diözesanes Eigenrecht ersetzt worden sind: Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Fulda, Görlitz, Hamburg, Hildesheim, Limburg, Magdeburg, Mainz, Münster (niedersächsischer Anteil), Osn­abrück, Paderborn (niedersächsischer Anteil), Speyer und Trier.

Die – im Wesentlichen wortidentischen – neuen Kirchenvermögensverwaltungsgesetze der nordrhein-westfälischen (Erz-)Diözesen haben in ihrer finalen Entwurfsfassung der Staats­kanzlei zur Prüfung vorgelegen. Diese hat ergeben, dass eine geordnete Vertretung der Kör­perschaften gewährleistet ist und in den Vertretungsorganen der Kirchengemeinden in über­wiegender Zahl Mitglieder mitwirken, die periodisch durch unmittelbare und geheime Wahl der Kirchenmitglieder berufen werden, oder die Vertretungsorgane aus Gremien herausgebildet werden, deren Mitglieder in überwiegender Zahl auf die beschriebene Weise berufen wurden. Im Falle der (Kirchen-)Gemeindeverbände besteht das Vertretungsorgan in überwiegender Zahl aus Mitgliedern, die von den Vertretungsorganen der beteiligten Kirchengemeinden aus ihren Reihen gewählt werden. Des Weiteren werden sich das Land und die Katholischen (Erz-)Diözesen im Wege einer Fortschreibung der bisherigen Vereinbarung über die staatliche Mit­wirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden vom 8. Oktober 1960 (GV. NW. S. 426) darauf verständigen, auch zukünftig Vorschriften über die gesetzliche Vertretung der Kirchengemeinden und (Kirchen-)Gemeindeverbände vor ihrem Erlass der zu­ständigen obersten Landesbehörde – nach dem gegenwärtigen Organisationserlass ist dies die Staatskanzlei – zur Prüfung vorzulegen.

Für die Evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen ergeben sich die Verpflichtung zur Vorlage von Bestimmungen über die vermögensrechtliche Vertretung kirchlicher Körper­schaften sowie das staatliche Prüf- und Einspruchsrecht aus Art. 2 des Vertrags der Evange­lischen Landeskirchen mit dem Freistaat Preußen vom 11. Mai 1931 (PrGS. S. 107) sowie aus Art. 2 des Vertrags des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche vom 6. März 1958 (GV. NW. S. 205).

B Einzelbegründung des Gesetzentwurfs
Artikel 1

Artikel 1 regelt die Aufhebung des Staatsgesetzes betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924. Den Gesetzgeber, der sich der Verfassungs­widrigkeit formal noch in Geltung befindlichen vorkonstitutionellen Rechts bewusst ist, trifft auf­grund des in Grundgesetz und Landesverfassung verankerten Rechtsstaatsprinzips die unbe­dingte Verfassungspflicht, dieses deklaratorisch aufzuheben und den von ihm ausgehenden Rechtsschein zu beseitigen.

Artikel 2

Artikel 2 regelt die Aufhebung des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchen­vermögens vom 24. Juli 1924. Den Gesetzgeber, der sich der Verfassungswidrigkeit formal noch in Geltung befindlichen vorkonstitutionellen Rechts bewusst ist, trifft aufgrund des in Grundgesetz und Landesverfassung verankerten Rechtsstaatsprinzips die unbedingte Verfas­sungspflicht, dieses deklaratorisch aufzuheben und den von ihm ausgehenden Rechtsschein zu beseitigen.

Der Gesetzentwurf und das zugrundeliegende Rechtsgutachten zum Herunterladen