Wibke Brems: „Echte Unabhängigkeit von Kohle, Öl und Diktatoren bekommen wir nur, wenn wir endlich mehr und schneller auf erneuerbare Energien setzen“

Zum Entwurf der GRÜNEN im Landtag zur Änderung des Baugesetzbuches - zweite Lesung

Portrait Wibke Brems 5-23

Der Gesetzentwurf

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ministerpräsident Wüst sprach am 24. Februar, dem Tag des Angriffs auf die Ukraine, von einem tiefen historischen Einschnitt. Einschnitte sollten wir zum Anlass nehmen, um einmal innezuhalten und uns zu fragen: Was hat sich geändert, was wird sich ändern, und was müssen wir selbst verändern?

Die Frage der Unabhängigkeit von Kohle, Öl und Gas aus Russland ist dabei genau eine der Fragen, bei der wir über Veränderungen reden müssen. Echte Unabhängigkeit von Kohle, Öl und Diktatoren bekommen wir nur, wenn wir endlich mehr und schneller auf erneuerbare Energien setzen. Und die Windenergie ist dabei eine wichtige Säule.

Jetzt wäre es an dieser Stelle so wichtig, wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, einmal innehalten. Überlegen Sie einmal ernsthaft, ob Ihr krampfhaftes Festhalten an unsinnigen Regelungen wie pauschalen Mindestabständen vereinbar ist mit der Verantwortung, die Sie für dieses Land immer noch tragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es wäre Zeit, Verantwortung hier in diesem Bundesland zu übernehmen, in dem Sie nun mal aktuell noch die Regierung stellen. Es wäre Zeit, zu überprüfen, ob Ihre Ankündigungen mit Ihren Gesetzen überhaupt in Einklang zu bringen sind.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Frau Kollegin Brems, dass ich Sie jetzt unterbreche. Herr Dr. Untrieser würde auch Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Wibke Brems (GRÜNE): Ja, das können wir gerne tun.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Bitte schön.

Dr. Christian Untrieser (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Brems, sehr freundlich, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie können das erahnen, ich möchte auch Sie fragen: Wie stehen Sie zu dem Zitat von Robert Habeck: „Mit 1.000 m zu geschlossenen Ortschaften wird man arbeiten können.“? Ich zitiere noch einmal weiter die Welt am Sonntag:

(Frank Sundermann [SPD]: Mehr habt ihr nicht?)

Mit diesen Worten kommentierte der grüne Minister und Vizekanzler die in NRW geltende Vorgabe, dass Windräder mindestens 1.000 m Abstand zu Wohngebäuden halten müssen.

– Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Rainer Deppe [CDU]: Wie halten Sie es mit Herrn Habeck?)

Wibke Brems (GRÜNE): Es ist schon kurios, dass Ihnen anscheinend eine Antwort nicht ausreichend ist. Aber ich ergänze das natürlich gerne.

(Henning Höne [FDP]: Sie war ja nicht gut!)

– Wollen Sie es jetzt hören oder nicht?

(André Stinka [SPD]: Sie erklären das dann!)

– Es scheint Sie ja schon das Ausholen aufzuregen. Das ist schon kurios.

(Sven Wolf [SPD]: Sie wiederholen die Frage immer, weil Sie es nicht verstanden haben! – Weitere Zurufe von der SPD)

Zum einen möchte ich darauf hinweisen, was Kollege Stinka eben schon gesagt hat: Es geht einmal um die Frage: 1.000 m zu was? Und es ging an der Stelle auch um geschlossene Ortschaften. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass Herr Habeck, wenn man sich den Gesamtkontext angeguckt hat, klar gesagt hat, dass er sich in der Tiefe in Nordrhein-Westfalen nicht auskenne und sich das vorstellen könne,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

wenn man …

(Anhaltende Zurufe)

– Ich finde es jetzt wirklich …

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Eine Frage stellen, dann keine Antwort haben wollen! – Weitere Zurufe)

– Nein, der Fragesteller hört nicht zu.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Brems versucht, auf eine Zwischenfrage zu antworten. Wenn hier keine Ruhe einkehrt, hat Frau Kollegin Brems so viel Zeit, wie sie sich nehmen möchte.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wibke Brems (GRÜNE): Der zweite Teil seiner Aussage war nämlich: wenn denn dann wirklich auch in einem Land wie Nordrhein-Westfalen 2 % Landesfläche für Windenergie zur Verfügung steht. Unter dieser Voraussetzung! Diese Voraussetzung ist eben in Nordrhein-Westfalen nicht gegeben.

Das ist ja gerade der Punkt. Minister Pinkwart – jetzt ist er gerade nicht da – hat ja selber, kurz bevor die eigene Studie des Landesumweltamtes vorgestellt werden sollte, die Studie wieder zurückgezogen. Es ist doch überhaupt gar kein Wunder, warum er das getan hat. Wir haben auf diese Ergebnisse lange gewartet. Aber jetzt zeigt ja das Ergebnis, dass 52 % mehr Flächen auf einen Schlag in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehen würden, wenn diese pauschalen Mindestabstände abgeschafft werden. 52 %, wenn Sie heute hier unserem Antrag zustimmen!

Diese Studie zeigt: Sie erreichen Ihre eigenen Ziele nicht mit dem, was Sie hier an Abstandsvorgaben auf Forstflächen haben. Das reicht vorne und hinten nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Deswegen passt es auch nicht, dass Sie uns hier mit der Aussage von Herrn Habeck konfrontieren wollen.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass Sie ja in Anhörungen, Pressemitteilungen und unterschiedlichen Verlautbarungen von unterschiedlichsten Seiten immer wieder aufgefordert werden, die pauschalen Abstände wieder aufzuheben. Der Verband kommunaler Unternehmen, der BDEW, der Landesverband Erneuerbare Energien, der BUND sagen Ihnen alle: Weg mit dieser Regelung! Denn sie schafft keine Akzeptanz, sie verhindert Akzeptanz, und sie verhindert den dringend nötigen Ausbau.

Die Studie Ihres eigenen Landesamtes, die ich gerade erwähnt habe, hat ganz klar gezeigt, dass 93 % der Standorte außerhalb der jetzigen Windkraftkonzentrationszonen lägen. Das heißt, 93 % der Flächen, die Sie eigentlich bräuchten, wären überhaupt nicht kurzfristig für Windenergie zu nutzen. Das ist das Problem, dass Sie hier künstlich alles einschränken und damit den Ausbau der Windenergie, den Sie ja angeblich wollen, nicht ermöglichen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das, was sich bei den Anhörungen gezeigt hat, zeigen Sie leider heute auch mit Ihrem Entschließungsantrag. Die Fraktionen von CDU und FDP haben die Tragweite der Krisen, in denen sich unser Land befindet, nicht im Ansatz verstanden, weder die Dramatik der Klimakrise noch die Krise bei der Versorgungssicherheit infolge des Ukraine-Krieges. Für beides ist eine schnellstmögliche Energiewende die Antwort,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

und die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf heute wäre dafür ein erster Schritt.

(Ralf Witzel [FDP]: Nur Sie haben das erkannt!)

Ich möchte Ihnen sagen: Innehalten, Innehalten bei einem solchen historischen Einschnitt. Das wäre das, was hier nötig wäre.

Rhetorisch hat Minister Pinkwart schon mal vorgelegt, zum Beispiel bei seinem Westpol-Eins-zu-eins-Interview am 3. März. Da hat er gesagt, dass aktuell alles auf den Tisch müsse, auch pauschale Mindestabstände übrigens; das hat er selber gesagt.

Aber das, was er dann einschränkend gesagt hat, dass das ja nur für den ganzen Bund gilt, ist einfach totaler Quatsch. Darauf muss man nicht warten. Sie müssen nicht darauf warten, bis auch der Letzte in Bayern verstanden hat,

(Daniel Sieveke [CDU]: Wir sind aber nicht Bayern!)

dass Mindestabstände nichts ermöglichen, sondern nur verhindern.

Lassen Sie Ihren Ankündigungen endlich Taten folgen!

(Beifall von den GRÜNEN und André Stinka [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – ich spreche Sie ganz bewusst noch mal ganz direkt an –, Sie können sich hier und heute einen Ruck geben. Sie können hier und heute Ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie können unserem Gesetzentwurf zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)