Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen

Portrait Wibke Brems 5-23

A         Problem

Die Landesregierung hat zuletzt mit der überarbeiteten Energieversorgungsstrategie angeho­bene Ziele zum Ausbau der Windenergie in NRW formuliert. Gleichzeitig behindern pauschale Mindestabstände von 1.000 Metern zur Wohnbebauung die Erreichung dieser Ausbauziele, da die notwendigen Windenergieprojekte nicht realisiert werden können. Der russische An­griffskrieg in der Ukraine zeigt auf dramatische Weise, dass ein schnellstmöglicher Verzicht auf den Import von fossilen Energieträgern nicht nur klimapolitisch, sondern auch aus Gründen der geopolitischen Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit dringend geboten ist. Die Lan­desregierung steht also in der Pflicht, kurzfristig wirksame Maßnahmen umzusetzen, die den Ausbau der Windenergie in NRW wirksam erleichtern und so die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren. Aus Stellungnahmen von Verbänden wird deutlich, dass die bisher unveröffentlichte Potenzialstudie des LANUV zu dem Ergebnis kommt, dass ein Verzicht auf die pauschalen Mindestabstände das Flächenpotenzial für die Windenergie in NRW um 52 Prozent erhöhen würde. Gleichzeitig gibt es bis heute keinen wissenschaftlichen Beleg für die vorgebrachte Behauptung, dass pauschale Mindestabstände die Akzeptanz der Bevölkerung für neue Windenergieanlagen erhöhen würden.

B         Lösung

Eine vollständige Streichung der § 2 und 3 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbu­ches in Nordrhein-Westfalen führt zu einem Wegfall der in NRW bislang geltenden pauschalen 1.000 Meter Mindestabstände zwischen neuen Windenergieanlagen und Wohnbebauung. Da­mit werden relevante Flächenpotenziale für die Windenergie freigegeben. Diese ermöglichen den schnelleren Ausbau der Windenergie, wie er auch von der Landesregierung als Ziel aus­gegeben ist. Da die Anwohnerinnen und Anwohner auch bei einer Rücknahme der pauschalen Mindestabstände über das Bundesimmissionsschutzgesetz wirksam geschützt sind, überwie­gen die Vorteile einer Streichung.

C         Alternativen
Keine.

D         Kosten

Keine.

E          Zuständigkeit

Zuständig ist das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen. Beteiligt sind alle übrigen Ressorts der Landesregierung.

F          Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände

Für die Gemeinden führt das Gesetz grundsätzlich zu größeren Potenzialen für den Ausbau der Windenergie auf ihrem Gemeindegebiet. Insbesondere diejenigen Gemeinden, die einen Ausbau der Windenergie unterstützen möchten und eine Abweichung von dem pauschalen 1.000-Meter-Mindestabstand ermöglichen möchten, sind nun nicht mehr dazu gezwungen da­für aufwendig die bauleitplanerischen Grundlagen zu schaffen. Dadurch ergeben sich poten­ziell erhebliche positive Auswirkungen auf die Finanzlage der Kommunen in NRW.

G         Finanzielle Auswirkungen auf die Unternehmen und die privaten Haushalte Keine.

H         Geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Auswirkungen des Gesetzes

Das Gesetz hat keine Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Wir­kungen treten unabhängig vom Geschlecht der Betroffenen ein. Auswirkungen auf die unter­schiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern sind nicht zu erwarten.

I           Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung

Der Gesetzentwurf ermöglicht einen stärkeren Ausbau der Windenergie in NRW. Dieser leistet einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele der Landes- und der Bun­desregierung und damit zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung.

J          Auswirkungen auf die Menschen mit Behinderungen

Das Gesetz hat keine Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen. Die Wirkungen treten unabhängig von dem Vorliegen einer Behinderung ein. Auswirkungen auf die unterschiedli­chen Lebenssituationen von Menschen mit und ohne Behinderung sind nicht zu erwarten.

K         Befristung
Keine

 

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auszug aus den geltenden Gesetzesbestimmungen

 

Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbu ches in Nordrhein-Westfalen (BauGB-AG NRW)
Artikel 1

Das Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 2015 (GV. NRW. S. 211), das zuletzt durch Gesetz vom 8. Juli 2021 (GV. NRW. S. 891) geändert worden ist, wird wie folgt geändert

1. § 2 und § 3 werden ersatzlos aufgehoben

§ 2

Mindestabstand für privilegierte Windenergieanlagen

(1) § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB findet auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwick­lung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand von 1 000 Metern zu Wohn­gebäuden

1.                                                                                                      in Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB) und innerhalb der im Zusammen­hang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB), so­fern dort Wohngebäude nicht nur ausnahms­weise zulässig sind, oder

2.                                                                                                      im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Absatz 6 BauGB

einhalten. Der Abstand bemisst sich von der Mitte des Mastfußes bis zum nächstgelege­nen Wohngebäude im Sinne des Satzes 1, das zulässigerweise errichtet wurde oder er­richtet werden kann.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn in einem Flächennutzungsplan für Vorhaben der in Absatz 1 beschriebenen Art vor dem 15. Juli 2021 eine Darstellung für Zwecke des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB erfolgt ist.

(3) Soweit vor Ablauf des 23. Dezember 2020 bei der zuständigen Behörde ein voll­ständiger Antrag auf Genehmigung von Anlagen zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB eingegangen ist, findet Absatz 1 keine Anwendung. Gleiches gilt, soweit vor Ablauf des 15. Juli 2021 die An­lage zwar noch nicht errichtet, aber entweder bereits genehmigt war oder nach Satz 1 ein vollständiger Antrag für die Anlage vorlag und statt ihrer eine Anlage am selben Stand­ort mit gleicher, geringfügig höherer oder niedrigerer Höhe errichtet werden soll.

 

2. Der bisherige § 4 wird § 2.

 

§ 3

Berichtspflicht

Die Landesregierung berichtet dem Landtag nach Ablauf von fünf Jahren über die Auswir­kungen dieses Gesetzes.

 

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Ver­kündung in Kraft.

 

 

Begründung

Der beschleunigte Ausbau der Windenergie ist nicht nur notwendig, um die Klimaziele der Landes- und Bundesregierung erreichen zu können. Der kriegerische Überfall der russischen Armee auf das Nachbarland Ukraine hat deutlich gemacht, dass ein schnellstmöglicher Ver­zicht auf fossile Energieträger auch aus Gründen der Importabhängigkeit und Versorgungssi­cherheit dringend geboten ist. Die Landesregierung muss daher alle Hemmnisse, die den Aus­bau der Windenergie auf Landesebene behindern, beseitigen.

Ein wesentliches Hindernis beim Ausbau der Windenergie in NRW sind § 2 und § 3 des Ge­setzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen (BauGB- AG NRW), in welchem ein Mindestabstand von 1.000 Metern zur Wohnbebauung – sogar im Außenbereich im Geltungsbereich von Außenbereichssatzungen – festgelegt wurde.

Schon die ersten Erfahrungen zeigen, dass dieses Gesetz den Ausbau der Windenergie er­schwert und auch viele Repowering-Vorhaben blockiert.

Die Begründung dieser Regelung trägt nicht. Die als Begründung angeführte Belästigung durch nächtliches Blinken ist inzwischen technisch gelöst und wird schon in Bestandsanlagen eingebaut. Das Argument, eine Abstandsregelung könne der Akzeptanzerhöhung dienen, hat das OVG NRW (Urteil vom 20.1.20 – 2 D 100/17.NE, juris, Rn 204 = ZNER 2020, 142 ff) bereits anlässlich der Empfehlung eines Mindestabstandes im Landesentwicklungsplan NRW zurück­gewiesen und ausgeführt, dass der Aspekt der Sicherung einer „Akzeptanz in der Bevölke­rung“ schon wegen seiner Unschärfe und fehlenden Greifbarkeit weder ein raumordnerischer (vgl. § 2 ROG) noch ein bauleitplanerisch tauglicher oder handhabbarer Belang (vgl. § 1 Abs. 6 BauGB) sei, zumal sich den Unterlagen nicht entnehmen lasse, warum diese „Akzeptanz“ gerade einen bestimmten Abstand erfordern sollte – eine etwa empirisch fundierte Herleitung oder eine sonstige Begründung fehle.

Die Lösung besteht daher darin, § 2 und § 3 des BauGB-AG NRW ersatzlos aufzuheben. . Aus Stellungnahmen von Verbänden wird deutlich, dass die bisher unveröffentlichte Potenzi­alstudie des LANUV zu dem Ergebnis kommt, dass ein Verzicht auf die pauschalen Mindest­abstände das Flächenpotenzial für die Windenergie in NRW um 52 Prozent erhöhen würde.

Die Bedürfnisse und Belange der Anwohner werden umfassend durch die unveränderte Gel­tung der TA Lärm und der Rechtsprechung u.a. zu Abständen und Schattenwurf gewahrt.