Wibke Brems: „Wohnen ist ein Menschenrecht“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zum Wohnungsbaupolitik

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Herausforderungen im Wohnungsbau sind seit Langem klar: Immer mehr Sozialwohnungen fallen aus der Preisbindung. Gleichzeitig wird nicht ausreichend neuer Wohnraum geschaffen. Daher besteht gerade im Bereich des preisgebundenen Wohnraums eine Lücke zwischen Bedarf und Bestand. Hohe Zinsen und gestiegene Baukosten bringen geplante Neubauvorhaben ins Stocken. Die Mieten steigen.

Ich könnte diese Aufzählung noch fortsetzen. Damit ist aber schon klar: Die SPD adressiert mit ihrer Aktuellen Stunde natürlich ein wichtiges Thema. Denn Wohnen ist ein Menschenrecht. Alle Menschen sollten einen bedarfsgerechten Wohnraum ihr Zuhause nennen können.

Aber die heutige Problembeschreibung der SPD erinnert mich irgendwie ein bisschen an meine Schulzeit. Wir kennen ihn doch alle, diesen Schüler, der da so hängt und sagt: Hier, Herr Lehrer, ich bin jetzt dran!

(Zuruf von Fabian Schrumpf [CDU])

Dann wird er drangenommen, und dann kommt nur: Genau das wollte ich auch sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU

Ich finde, viel Getöse, wenig Neues.

(Sven Wolf [SPD]: Das war jetzt preiswert; „billig“ sagt man ja nicht!)

Ja, in der Schule kam man damit vielleicht noch durch, aber bei der zukunftsfesten Umsetzung des Menschenrechts auf Wohnen reicht das eben nicht.

Die Herausforderungen sind komplex.

(Sarah Philipp [SPD]: Sag das mal den Kollegen in Niedersachsen!)

Umberto Eco schrieb schon in seinem Roman „Das Foucaultsche Pendel“:

„Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist falsch.“

Die Aufgaben, vor denen wir stehen, sind deshalb so komplex und drängend, weil Maßnahmen auch an dieser Stelle jahrelang, sogar jahrzehntelang versäumt wurden. Seit Jahren ist klar, dass und wann die Bindungen im sozialen Wohnungsbau auslaufen. Seit Jahren ist klar, dass die Wohnungsmärkte in Ballungsgebieten immer stärker unter Druck geraten, während in den ländlichen Regionen der Leerstand wächst. Seit Jahren kann man beobachten, dass immer mehr alte Menschen auf derselben Wohnfläche wohnen, auf der sie früher mit ihrer ganzen Familie gewohnt haben.

Alle diese Entwicklungen sind seit Jahren klar. Sie werden seit Jahren von allen beklagt. Dann ist die vermeintlich einfache Lösung: bauen, bauen, bauen! Aber so einfach ist es eben nicht. Sonst hätte ja vielleicht Bundesbauministerin Geywitz bereits etwas gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Immer mehr, immer größer – unsere Art, zu wirtschaften, zu leben und auch für Wohnraum zu sorgen, ist von diesem Mantra geprägt. Mittlerweile ist klar, es geht nicht mehr so weiter wie bisher. Um unseren Kindern und weiteren zukünftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen, müssen wir unsere Art, zu leben, uns fortzubewegen, zu wirtschaften und zu bauen, ändern. Um zu bewahren, braucht es Veränderung.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir müssen beispielsweise mehr nachverdichten und gleichzeitig genügend Frischluftschneisen ermöglichen, um dem fortschreitenden Klimawandel zu begegnen. Kommunen erhalten die Möglichkeit, Mietpreisbindungen und Belegungsrechte an bestehenden Wohnungen zu erwerben. So kann kurzfristig bezahlbarer Wohnraum gesichert werden.

Natürlich brauchen wir eine novellierte Mieterschutzordnung, um den Mieterschutz in mehr Gebieten weiter zu stärken.

Wir brauchen aber auch grundsätzliche Veränderungen. Wohnungen und Häuser müssen an die sich verändernden Anforderungen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner anpassbarer sein. Denn wenn man sich das ganz nüchtern ansieht, stellt man fest, dass bei einem typischen Familienverlauf vielleicht für 20 oder 25 Jahre Wohnraum für Eltern und alle Kinder benötigt wird. Die Zeit vor der Familiengründung und nach dem Auszug der Kinder ist aber viel länger als die Zeit mit Kindern. Gebaut wird aber bei Einfamilienhäusern gerade für diese im Verhältnis kürzere Zeit. Bei familiären Veränderungen, die natürlich passieren, bleibt das Haus immer gleich.

Das bedeutet doch, wir alle müssen Barrieren im Kopf und alte Denkmuster überwinden. Das heißt auch, Wohnen als Gerechtigkeitsfrage zu betrachten. Wir haben nämlich noch Wohnraum, er ist nur nicht gerecht verteilt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Lassen Sie uns also gemeinsam gerechte Lösungen für Menschen finden, damit aus Wohnraum ihr Zuhause wird. Lassen Sie uns mit Kommunen Wege gehen, die möglichst viele Spielräume zum Nachverdichten nutzen, damit wir die Dinge, die über Jahrzehnte liegengeblieben sind, endlich in jedem Sinne nachhaltig anpacken, in Bund, Land und Kommunen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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