Wibke Brems: „Wir haben hier einen breiten Konsens zum Ende der Atomenergie“

Eilantrag von CDU, FDP und GRÜNEN zum AKW Tihange

Portrait Wibke Brems 5-23

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Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, meine Stimme hält bei diesem wichtigen Thema noch bis zum Ende der Debatte durch.
Ja, bislang gelang es, das klare Signal aus diesem Landtag zu senden: Tihange muss abgeschaltet werden, und zwar sofort.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])
Es gibt mehr als genug Gründe, um sich Sorgen zu machen. Meine Vorredner sind darauf schon eingegangen. Und diese Besorgnis drückt sich im gemeinsamen Antrag aus, den wir nun behandeln.
Im Dezember letzten Jahres haben wir hier im Plenum den Schulterschluss in einem von allen Fraktionen gemeinsam getragenen Antrag sehr gut hinbekommen. Im Juli dieses Jahres hat die Regierungskoalition im mehrheitlich abgestimmten Entschließungsantrag wesentliche Aspekte unseres damaligen grünen Antrags aufgegriffen.
Die „Aachener Zeitung“ schrieb vor drei Tagen, in Belgien gebe es eine Zeitrechnung vor und eine nach der Menschenkette gegen Tihange. Es wäre gut, wenn es so wäre. Gerne möchte ich glauben, dass die Proteste im Juni bei der Betreibergesellschaft Engie Electrabel einen Denkprozess angestoßen haben. Doch, ehrlich gesagt, unsere Skepsis bleibt groß.
Ja, es ist eine positive Entwicklung, dass es nun Gespräche zwischen dem Aktionsbündnis und der Betreibergesellschaft gegeben hat, dass Electrabel in einen wenn auch nur sehr verhaltenen Dialogprozess eingestiegen ist und Einsicht in seine Betriebsunterlagen in Aussicht gestellt hat. Echte Transparenz sehen wir Grüne darin jedoch noch nicht. Aufrichtige Transparenz vonseiten der Betreibergesellschaft würde uns nach dem, wie wir es bislang erlebt haben, mehr als verwundern.
Was wir von Engie Electrabel bislang kennen, ist eine gänzlich andere Vorgehensweise. Schon in der Bauphase traten Risse in den Reaktordruckbehältern von Tihange 2 und Doel 3 auf. Das wurde mehr als 40 Jahre lang verschwiegen. Probleme und Pannen werden vertuscht. Einblick in Betriebsunterlagen ist nicht möglich. Vertrauen schafft man so nun wirklich nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Werner Pfeil [FDP])
Der gemeinsame Antrag von CDU, FDP und uns Grünen geht daher in die richtige Richtung. Electrabel stellt Dialogbereitschaft in Aussicht. Das ist gut. Doch der Druck auf die Betreibergesellschaft und den belgischen Staat und damit die belgische Atomaufsicht muss weitergehen. Und das ist der richtige Weg: Dialog auf Augenhöhe, aber mit Nachdruck, beharrlich den Staat Belgien und die Betreibergesellschaft in die Verantwortung nehmen.
Von der Landesregierung erwarte ich, dass sie uns erklärt, wie sie die Arbeit der rot-grünen Vorgängerregierung fortsetzt, welche Gespräche sie bereits geführt hat und welche Schritte sie noch plant.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schade ist allerdings, dass die SPD – ehrlich gesagt, ganz eitel – dem gemeinsamen Antrag mit einem eigenen Entschließungsantrag begegnet. Das sind meiner Meinung nach unnötige Spielchen, mit denen Sie wer weiß was und wem etwas beweisen wollen. Wir machen bei diesen Spielen insofern nicht mit, als dass wir uns lieber inhaltlich mit Ihrem Antrag auseinandersetzen. Und wir werden Ihrem Antrag gleich zustimmen, weil auch einige richtige Aspekte darin enthalten sind.
Belgien plant bis 2025 den Atomausstieg und hat leider selbst noch nicht genügend Maßnahmen ergriffen, beispielsweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Daher sind hinsichtlich der Versorgungssicherheit Belgiens und der grenzüberschreitenden energiewirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland noch Fragen offen.
Ich möchte daran erinnern, dass wir uns bereits in der vergangenen Legislatur mit diesen Fragen hier beschäftigt haben. Der damalige Umweltminister Johannes Remmel hat dem Landtag im Januar dieses Jahres ein Gutachten zugeleitet, das sich genau damit auseinandersetzt. Das besagt kurz: Wenn Belgien seine Schrottreaktoren in Tihange und Doel bis 2025 komplett abschaltet und gleichzeitig die Stromleitungen zwischen Deutschland und Belgien ertüchtigt werden, kann die Versorgungssicherheit in Belgien und in Deutschland gewährleistet bleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren, von der Atomenergie gehen große Gefahren aus. Bei Tinhange und Doel sind sie besonders groß. Bei einem Unfall der uralten, pannenreichen Meiler wären Millionen von Menschen in einem dicht besiedelten Teil Europas betroffen. Und dann haben wir über die Bedrohung durch terroristische Angriffe noch nicht gesprochen. Die wurden erst gestern in einer Greenpeace-Studie besonders für die französischen AKWs Fessenheim und Cattenom sowie die belgischen AKWs Tihange und Doel als dramatisch dargestellt. Denn gerade hier sind die Abklingbecken im Gegensatz zu den Reaktoren nicht mit einem verstärkten Sicherheitsbehälter vorgesehen. Und das ist eine große Gefahr für uns alle.
Die Nutzung der Atomenergie ist höchstgefährlich. Das haben Unfälle der letzten Jahrzehnte und Jahre klar gezeigt. Daher ist es nur konsequent, dass Deutschland den Atomausstieg beschlossen hat und auch Belgien diesen Weg gehen will. Und das ist ja zum Glück auch der politische und gesellschaftliche Konsens in unserem Land, an dem niemand, der verantwortungsbewusst und energiepolitisch bei Sinnen ist, mehr ernsthaft rüttelt.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Wir haben hier einen breiten Konsens zum Ende der Atomenergie. Darüber freue ich mich. Ich würde mir aber wünschen, werte Kollegen von CDU und FDP, dass wir diesen Konsens auch beim tatsächlichen Ausbau der erneuerbaren Energien hätten und Ihr Sinneswandel in diesem Bereich nicht so lange braucht wie bei der Atomenergie. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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