Wibke Brems: „Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, bei der nicht Wachstum über allem steht, sondern Menschen und Umwelt“

Antrag der FPD zum Wirtschaftsstandort NRW

Portrait Wibke Brems 5-23

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Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Der Hinweis von der FDP auf das Nullwachstum der NRW-Wirtschaft ist, ehrlich gesagt, längst nicht mehr aktuell.
(Christof Rasche [FDP]: In der Industrieproduktion ist das immer noch so!)
In der Rede haben Sie es deswegen auch gar nicht mehr angebracht, sondern Sie sind nur auf einzelne Aspekte eingegangen.
Wenn wir uns das einmal genau anschauen, stellen wir fest: Im ersten Halbjahr 2016 betrug das BIP in Nordrhein-Westfalen 2,1 % und lag damit annähernd auf Bundesniveau. Ein Fünftel des gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukts wird in Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet. Ich könnte noch weitere Aspekte bringen.
Es geht darum, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen jetzt mit 9,7 Millionen Erwerbstätigen so viele Menschen in Arbeit haben wie nie zuvor. Wir sind spitze, was das Thema „gewerbliche Existenzgründungen“ angeht.
(Beifall von den GRÜNEN und des Abgeordneten Hübner [SPD])
Das heißt nicht, dass es nicht noch besser ginge. Diese Zahlen zeigen jedoch ganz klar: Es gab hier in Nordrhein-Westfalen in den letzten sieben Jahren rot-grüner Regierung keine ideologische Blockadepolitik.
Sie sprechen die Infrastruktur an. Bei der Straßeninfrastruktur haben wir die Planungskapazitäten und auch die Mittel des Landesbetriebs Straßen.NRW für externe Ingenieurleistungen massiv erhöht. Der eingeschlagene Weg, Straßenerhalt vor Straßenneubau zu stellen, muss weiter konsequent beschritten werden; das ist eine ganz klare Linie.
Zur Infrastruktur gehören aber nicht nur Steine und Beton, sondern dazu gehört auch die digitale Infrastruktur. Wir investieren bis 2018 bis zu 500 Millionen € in den Breitbandausbau, damit wir auch weiterhin die Nummer eins unter den bundesdeutschen Flächenländern bleiben.
(Beifall von den GRÜNEN und des Abgeordneten Hübner [SPD])
Ich hätte erwartet, dass Sie auf solche Punkte eingehen, wenn Sie einen Antrag mit einer solchen Überschrift einbringen. Sie aber haben in dem Antrag zum einen nur Halbwahrheiten aus einer einseitigen Sichtweise verbreitet und machen zum anderen – auch im Antrag kommt das immer wieder vor und ist entlarvend – die Lage der Wirtschaft von einem fehlgeplanten Kraftwerk abhängig. Das ist so was von lächerlich!
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Sie holen hier ein Thema wieder aus der Mottenkiste, das Sie am Anfang der Legislaturperiode rauf und runter gespielt haben.
Zum Kraftwerk Datteln und Ihren Behauptungen im Antrag: Nur, weil das Kraftwerk schon so gut wie fertig gebaut ist, heißt das noch lange nicht, dass man Grenzwerte und die Gegebenheiten vor Ort einfach außen vor lassen kann. So sind zum Beispiel die Quecksilberwerte in der Region sind hoch, und das Kraftwerk Datteln wurde nun einmal neben einem FFH-Gebiet gebaut, das besonderen Schutzcharakter verdient.
(Herbert Franz Goldmann [GRÜNE]: Das habt ihr auch genehmigt!)
Auch wir Menschen müssen vor Quecksilber geschützt werden; denn Quecksilber ist ein Schwermetall, das sich bei uns allen im Körper ansammelt, vor allen Dingen aber bei Schwangeren bzw. deren ungeborenen Kindern zu extremen Schäden, beispielsweise am Gehirn, führen kann.
Es gibt eine Technik, mit der die Quecksilberemissionen reduziert werden können. Diese Technik wurde in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Sie wird in den USA längst eingesetzt – und das soll hier nicht gehen? Das soll mir bitte einer erklären!
Sie gehen dann weiter auf Quecksilber und auch auf Garzweiler ein. Liebe FDP – Herr Hovenjürgen, Sie waren gerade bei Ihren Äußerungen auch nicht viel besser –, dass Sie es nicht so mit dem Schutz der Umwelt und dem Schutz der Menschen haben, ist ja keine Neuigkeit. Doch ich frage mich ganz ernsthaft: Was wollen Sie eigentlich atmen, essen und trinken, wenn Sie mit Ihrer ideologischen Wirtschaftspolitik unsere Lebensgrundlage kaputt gewirtschaftet haben?
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen doch eine Wirtschaftspolitik, bei der nicht Wachstum über allem steht, sondern Menschen und Umwelt ebenfalls wichtig sind. Dann haben wir es wirklich mit Nachhaltigkeit zu tun, und die Zukunftsfähigkeit von uns, zukünftigen Generationen und unserer Wirtschaft kann gesichert werden. Sie sind da komplett anderer Meinung.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie.
Wibke Brems (GRÜNE): Ich bin beim letzten Satz.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ja, ich ahnte es. Deshalb würde ich Ihnen gerne noch mitteilen, dass Herr Kollege Hovenjürgen Ihnen sehr gerne eine Frage stellen möchte.
Wibke Brems (GRÜNE): Eine Kurz-vor-Ende-Frage. Bitte schön.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Wie auch immer. – Herr Kollege, bitte.
Josef Hovenjürgen (CDU): Frau Kollegin Brems und Herr Präsident, herzlichen Dank dafür, dass diese Zwischenfrage möglich ist. – Frau Kollegin Brems, ich hatte in meiner Rede ausgeführt, dass der Grenzwert für neue Kraftwerke 0,01 mg/m³ beträgt und Uniper in Gesprächen mit dem Ministerium angeboten hat, einen Wert von 0,004 mg/m³, also eine deutliche Unterschreitung dieses Grenzwerts, zu liefern. Trotzdem hat das Ministerium auf einem Wert von 0,002 mg/m³ bestanden.
Insofern ist das ein deutlicher Hinweis des Unternehmens gewesen, alle Anstrengungen zu unternehmen. Trotzdem unterläuft man noch einmal den Ansatz. Ich finde das im Umgang – das gilt auch für das, was Sie jetzt hier ausgeführt haben – nicht ganz fair.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das interpretieren wir jetzt einmal als Frage.
Josef Hovenjürgen [CDU]: Als Frage. Entschuldigung. Zum Schluss stand ein Fragezeichen, Herr Präsident. Sie haben vollkommen recht.
Wibke Brems (GRÜNE): Okay. Ich habe die Frage schon irgendwie gehört. Aber ich will an dieser Stelle noch einen Punkt deutlich machen. Man muss dann in einer Region nicht nur das eine Kraftwerk betrachten, sondern die Region an sich
(Michael Hübner [SPD]: Das hat er doch gerade gesagt!)
mit weiteren Kraftwerken in der Umgebung und allem, was da sonst noch ist. Ehrlich gesagt, war ich bei Gesprächen mit dem Unternehmen nicht dabei. Ich kann hier nicht für das Ministerium sprechen. Das werden Sie mir sicherlich zugestehen.
Sie haben aber an meinen Ausführungen eben gemerkt, dass wir hier auf keinen Fall zusammenkommen. Deswegen lehnen wir natürlich Ihren Antrag ab. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)