Wibke Brems: „Wir brauchen also flächendeckende umfassende Klimaanpassungskonzepte“

Antrag der SPD-Fraktion zur Hitzebelastung

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht bei der Klimaanpassung nicht um ein Entweder-oder. Es geht nicht darum, dass Klimaanpassung nicht nötig ist, wenn wir uns für den Klimaschutz einsetzen. Es geht nicht darum, ob mehr Investitionen in die Abwendung der Klimakatastrophe gesteckt werden sollten oder in die Anpassung an die Klimaveränderungen.
Sogar dann, wenn alle die Herausforderungen durch die Klimakatastrophe wirklich ernst nehmen würden und sich nicht nur zum Pariser Klimaziel bekennen würden, sondern wirklich alle möglichen Anstrengungen unternehmen würden, müsste es auch bei uns Anpassungsmaßnahmen geben.
Denn Veränderungen des Klimas sehen wir heutzutage nicht mehr nur in Nachrichten aus exotischen Gebieten. Auch in Nordrhein-Westfalen ist der Klimawandel längst angekommen wenn auch nicht mit so katastrophalen Auswirkungen wie beispielsweise auf den Malediven, deren Existenz durch den Anstieg des Meeresspiegels massiv in Gefahr ist.
Noch gestern Abend schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ über die aktuell andauernde historische Hitzewelle in Nordamerika, Europa, Nordafrika sowie im Nahen und Mittleren Osten: Das Weltwetter wird zur tödlichen Bedrohung.
(Christian Loose [AfD]: Das Wetter!)
Selbst im kanadischen Montreal sind bereits Dutzende Menschen aufgrund der Hitze gestorben, und ein Ende der Hitzewelle ist nirgends in Sicht.
Und wie auf Kommando sagen die Klimawandelleugner von rechts wieder, das seien nur Einzelfälle und kein Beleg für ein globales Problem. Lassen Sie uns dann doch einen Blick auf die Daten der Versicherungswirtschaft werfen.
(Christian Loose [AfD]: Sie verstehen den Unterschied zwischen Wetter und Klima nicht! Das können wir nicht ändern!)
–  Sie kriegen sich auch wieder ein, oder?
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Blex?
(Monika Düker [GRÜNE]: Nein! Tu es nicht! Bitte! – Heiterkeit von den GRÜNEN)

Wibke Brems (GRÜNE): Nein. Dass Sie sich mit „Klimawandelleugner“ angesprochen fühlen, war klar, aber wir machen das trotzdem nicht.
2017 war schon wieder das teuerste Jahr in der Geschichte. Über 135 Milliarden $ an Schäden wurden durch Unwetter und Naturkatastrophen verursacht – der weit überwiegende Teil durch klimatisch bedingte Schäden, und nicht etwa durch Erdbeben oder Vulkanausbrüche, die mit dem Klima natürlich nichts zu tun haben.
(Christian Loose [AfD]: Das nennt man Wetter! – Gegenruf von Frank Müller [SPD])
Und diese Zahl bezieht sich nur auf die Versichertenschäden. Der überwiegende Teil der Katastrophen und Schäden trifft Entwicklungsländer, in denen kaum ein Schaden überhaupt versichert ist.
Auch bei uns in Nordrhein-Westfalen ist der Klimawandel spürbar, beispielsweise durch eine signifikante Verringerung der Schneedecken, durch jahreszeitliche Verschiebungen von Niederschlägen und durch die Verlängerung der Vegetationsphase
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
um 15 Tage. Der Deutsche Wetterdienst befürchtet, dass der Sommer 2018 auf dem besten Wege ist, dem Rekordsommer von 2003 den Rang abzulaufen.
(Christian Loose [AfD]: Ist doch schön! Schön sommerlich!)
In den Ballungszentren sind die Belastungen für Menschen besonders hoch. (Christian Loose [AfD]: Mediterran!)
Denn hier führt die Bebauung dazu, dass beispielsweise ohnehin erhöhte Temperaturen noch extremer werden, weil kühlende Grünflächen fehlen und die Abkühlung in der Nacht nicht so stark ist wie im Freiraum, da Straßen und Gebäude nachts die Hitze abstrahlen. So ist zum Beispiel die Zahl der heißen Tage mit mehr als 30°C und die Anzahl der Tropennächte mit mehr als 20°C in der Kölner Innenstadt wesentlich höher als im Umland.
Zu diesem Ergebnis kam das Landesamt für Natur und Umweltschutz im Jahr 2016 in einem Bericht zum Klimawandel und Klimafolgen in NRW. Der Antrag der SPD spricht also einen wichtigen Aspekt der Klimawandelanpassung in Nordrhein-Westfalen an.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
Aus unserer Sicht fehlen jedoch ein paar Aspekte, beispielsweise die Erhöhung von Starkregen- und auch Hochwasserereignissen.
Die Herausforderungen an die Kommunen werden insgesamt viel größer und sollten eigentlich als Ganzes betrachtet werden, sonst laufen wir mit der Fokussierung auf einen Problembereich Gefahr, andere Herausforderungen zu vernachlässigen. Wir brauchen also flächendeckende umfassende Klimaanpassungskonzepte. Solche Konzepte müssen auch in der Praxis umgesetzt werden.
Ich möchte kurz aus meiner eigenen kommunalpolitischen Erfahrung sagen, dass es auf kommunaler Ebene zunächst häufig Einigkeit über große Masterpläne zum Klimaschutz, den Masterplan zur Klimafolgenanpassung und über Grünflächen- und Freiflächenplanung gibt – alles gut und schön.
Wenn es denn wenige Monate später ganz konkret um ein neues Baugebiet, ein neues Gewerbegebiet geht, dann möchte man an diese generellen Beschlüsse besser nicht erinnert werden. Dann werden Zwänge und Notwendigkeiten hervorgekramt, warum man gerade an dieser Stelle davon abweichen muss. Und so geht es von Baugebiet zu Baugebiet weiter.
Ich bin daher überzeugt, dass es nicht reicht, nur Ziele und Aufgaben einer klimagerechten Stadtentwicklung und -planung zu erarbeiten, wie der SPD-Antrag das fordert – das kann nur der erste Schritt sein –; vielmehr muss es im nächsten Schritt auch um die Frage gehen: Wie werden Fördermittel verteilt, wenn sich eine Stadt nicht an eigene übergeordnete Pläne hält?
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich komme noch auf Ihre Gegenargumente, Kollege Untrieser: Wir können die Kommunen nicht alleine lassen mit dem Zielkonflikt, der nun einmal da ist. Das bedeutet nicht, dass wir ihnen etwas wegnehmen, wir lassen sie vielmehr alleine. Das ist der Konflikt zwischen dem Ziel des Flächensparens einerseits und dem Ziel einer Stadtentwicklung mit Grün- und Frischluftschneisen andererseits, um die Überhitzung unserer Städte zu verhindern. Damit dürfen wir die Kommunen nicht alleine lassen.
Wir sehen also: Es gibt noch viel zu besprechen; erst recht gibt es noch viel zu tun. Der Antrag der SPD ist aber ein guter Anfang. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN)

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