Wibke Brems: „Unser Trink- und Grundwasser ist dabei besonders gefährdet. Wir müssen es um jeden Preis schützen.“

Antrag von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP gegen Fracking in den Niederlanden

Portrait Wibke Brems 5-23

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Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehöre zu den jüngeren Mitgliedern dieses Hauses, doch auch ich kann mich aus Kindertagen gut an Zeiten erinnern, zu denen es Kontrollen an den Grenzen zu unseren Nachbarstaaten gab. So auch an der Grenze zu den Niederlanden.
Wasser jedoch, ob es nun an der Oberfläche oder als Grundwasser im Boden strömt, schert sich nicht um Landesgrenzen und macht dort nicht halt. Genau deshalb sind die Überlegungen der niederländischen Regierung, die für das Wasser hochriskante Fracking-Technik anzuwenden, so beunruhigend.
Das Thema „Fracking“ beschäftigt uns hier im Landtag schon mehr als drei Jahre. Die vielfältigen Risiken und Gefahren haben wir hier schon mehrfach miteinander diskutiert. Unser Trink- und Grundwasser ist dabei besonders gefährdet. Wir müssen es um jeden Preis schützen.
Ich selbst komme aus einer Region mit den meisten Trinkwasserbrunnen Deutschlands. Niemand kann sagen, welche Wege das Wasser unterirdisch wirklich zurücklegt. Das sind Gründe, weswegen es nicht reicht, beispielsweise ein Verbot nur in Wasserschutzgebieten auszusprechen, wie es die heute bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung vorsehen. Die Bundesregierung muss gesetzlich festschreiben, dass Fracking nicht verantwortbar ist, also das, was wir heute hier beschließen. Wenn wir nicht handeln, werden wir viel mehr als Plastikpartikel in unseren Organismus bringen, wie im Moment in Wasser und Bier zu beobachten ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist erfreulich, dass es anscheinend in diesem Haus bei der Sorge um die Beschaffenheit unseres Lebensmittels Nummer eins eine solch breite Zustimmung gibt. Ich freue mich, dass sich neben der CDU auch die Kolleginnen und Kollegen von der FDP unserem Eilantrag angeschlossen haben. Ich muss gestehen, ich war ein bisschen überrascht. Anfang Mai war in der „FAZ“ noch zu lesen, dass sich Ihr Fraktionsvorsitzender Christian Lindner – jetzt gerade nicht anwesend – für frackingfreundlichere Gesetze in Deutschland ausspricht, dass er sich beim Thema „Schiefergas“ Optionen offenhalten und experimentieren möchte.
Schön, dass die FDP hier inzwischen eine etwas kritischere Haltung einnimmt. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Position in der FDP verfestigt und nicht etwa nach der Stichwahl um das Bürgermeisteramt in Brüggen, nur wenige Kilometer von der holländischen Grenze entfernt gelegen,
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
zu der Herrn Lindners Kollege Brockes antreten wird, wieder auflöst.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Nein, mit der Zustimmung zu unserem Eilantrag bringt man keine technikfeindliche Gesinnung zum Ausdruck, wie sie Herr Lindner unterstellt. Technikfeindlichkeit zeigt sich dann, wenn man am Tropf der fossilen Energieträger hängenbleibt, wenn man sich Ersatzdrogen mit starken Nebenwirkungen sucht, statt die erneuerbaren Energien nach vorn zu bringen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn wir die Landesregierung auffordern, sich mit unseren holländischen Freunden auszutauschen und unsere Besorgnis darzulegen, wenn Nordrhein-Westfalen eine Stellungnahme bei der Strategischen Umweltprüfung der Strukturvision Schiefergas abgibt und wenn wir uns gegen den Einsatz von Fracking wenden, ob vor Ort oder bei unseren Nachbarn, dann sind wir nicht technikfeindlich. Wir zeigen damit Verantwortung für das Wasser, für unser wichtigstes Lebensmittel.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir wollen die Auswirkungen und Risiken einer Technologie kennen, bevor sie eingesetzt wird. Wir wollen vermeiden, hinterher die Fehler der Vergangenheit mit Milliarden öffentlicher Gelder ausbügeln zu müssen. Es sollte für uns alle das Vorsorgeprinzip gelten. Wir sollten nicht erst dann aktiv werden, wenn die Chemie bereits in den Brunnen gefallen ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir sollten Lehren aus den Erfahrungen mit unüberlegtem Einsatz anderer Hochrisikotechnologien ziehen.
Es gibt ja Energiepolitiker, die sich vom Fracking Unabhängigkeit vom Ausland versprechen und die Ukraine-Krise als Anlass benutzen, Fracking auch bei uns salonfähig zu machen.
(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)
Ich sage Herrn Oettinger hier klipp und klar: Fracking in Deutschland macht uns nicht unabhängig von russischem Erdgas. Fracking verlängert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Das Einzige, was uns dauerhaft die Unabhängigkeit sichert, sind Energieeinsparung, Energieeffizienz und der vollständige Umstieg auf erneuerbare Energien.
(Beifall von den GRÜNEN und Kai Schmalenbach [PIRATEN])
Ein Experimentieren mit der Hochrisikotechnologie Fracking, ob nun in den Niederlanden oder in Deutschland, wollen wir mit allen parlamentarischen Mitteln verhindern. Das bringt unser Eilantrag deutlich zum Ausdruck.
Sehr geehrte Damen und Herren, offene Grenzen sind großartig.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hovenjürgen zulassen?
Wibke Brems (GRÜNE): Ja, gerne.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Hovenjürgen.
Josef Hovenjürgen (CDU): Sehr geehrte Frau Brems, herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Sind Sie mit mir der Meinung, dass wir es aufgrund der Risiken, die wir kennen, auch so sehen könnten, dass es kein Verbrechen an der nächsten Generation ist, dieser auch noch Rohstoffe übrig zu lassen, weil sie sie vielleicht unter technisch sichereren Verhältnissen fördern können?
(Minister Johannes Remmel: Stützpfeiler!)
Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Hovenjürgen, ich bin der Meinung, dass wir diese Rohstoffe gut unter der Erde lassen können, weil ich davon überzeugt bin, dass wir den Umstieg auf 100 % erneuerbare Energien bei Strom und Wärme und im Verkehr hinbekommen werden. Daher werden wir diesen Energieträger nicht mehr brauchen. Wir haben genug Energie, und zwar erneuerbare Energien. Deswegen können wir gut und gerne auf diesen Energieträger verzichten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, offene Grenzen sind großartig, wenn sie dem Austausch der Menschen dienen, wenn sie den Fluss der Waren und Dienstleistungen unserer europäischen Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft begünstigen. Grenzen, ob sie für uns offen sind oder nicht, halten aber das Wasser nicht auf. Ich plädiere dafür, dass wir lieber den Austausch von Genever aus den Niederlanden pflegen als den unterirdischen Fluss eines giftigen Chemikaliencocktails.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deshalb bitte ich heute um ein eindeutiges Zeichen gegen Fracking bei uns und unseren Nachbarn. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)