Wibke Brems: „Sie verhindern Windenergie, aber wollen Wasserstoff ausbauen – das passt nicht zusammen“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Energieträger Wasserstoff

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir diskutieren heute mit dem Thema „Wasserstoff“ ein sehr spannendes und auch vielversprechendes Thema. In mancherlei Hinsicht ist es aber auch ein Hypethema, das CDU und FDP hier auf die Tagesordnung gesetzt haben.
Im Übrigen habe ich, ehrlich gesagt, auch das Gefühl, dass dieser Antrag leider mal wieder eher von der Regierung bestellt wurde. Wir kennen das ja schon, beispielsweise vom Antrag zur Energieversorgungsstrategie:
Im vergangenen Jahr hatten CDU und FDP, kurz bevor die Landesregierung diese Strategie vorgelegt hat, einen Antrag eingebracht, in dem sie die Landesregierung dazu aufgefordert haben, genau diese Strategie vorzulegen. Dann mussten wir uns im letzten Jahr damit beschäftigen, obwohl alles schon längst intern beschlossen war.
(Dietmar Brockes [FDP]: Haben Sie das immer so gemacht?)
Ich habe ein bisschen das Gefühl: Genau das haben wir jetzt auch wieder vor uns liegen. Ich hoffe, dass es heute im Kern hier aber nicht um Stilfragen geht –
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ei! Ei!)
die müssen wir dann sicherlich in den nächsten Wochen klären –, sondern um Inhalte.
Man möchte man ja meinen, dass das Thema „Wasserstoff“ in der aufgeheizten energie- und klimapolitischen Diskussion ein Wohlfühlthema sein könnte, sozusagen mentale Wellness für von Energiewende und Kohleausstieg gestresste Energiepolitikerinnen.
Im Kern sind wir uns sicherlich auch darüber einig, dass Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen wird. Es geht aber, wie so oft, um den richtigen Weg dahin und um die konkreten Details.
Wer die Berichterstattung in den vergangenen Tagen verfolgt hat, wird wissen, dass dieses Thema auf Bundesebene auch ein weiterer Streitpunkt zwischen Wirtschaftsministerium und Umweltministerium, hier sogar mit Unterstützung des Forschungsministeriums, ist. Im Kern dreht sich der Streit – das haben wir gerade schon gehört – mal wieder um Farben:
Soll nur der grüne Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien seinen Platz in der Energiewende haben, oder ist nicht – so die Frage aus dem Wirtschaftsministerium – der blaue Wasserstoff auf Erdgasbasis eine prima Brückentechnologie? Das entstandene CO2 lässt sich dann ja unterirdisch speichern, ganz frei nach dem Prinzip: Dann brauchen wir uns auch nicht weiter mit den lästigen Windenergieanlagen beschäftigen.
(Zuruf von der CDU: Ah!)
Genau wie Herr Altmaier in Berlin versuchen auch CDU und FDP hier in Nordrhein-Westfalen, uns weiszumachen, dass der Weg des blauen Wasserstoffs erst einmal zu wählen sei. Sie gehen sogar so weit, dass Sie in Ihrem Antrag den grünen Wasserstoff mit dem blauen vermengen. Das geht aus unserer Sicht so nicht.
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])
Die CO2-Speicherung in Deutschland ist vor Jahren politisch abgeräumt worden. Ich habe das Gefühl, dass Sie hier jetzt diese Diskussion durch die Hintertür führen oder sogar dafür sorgen wollen, dass andere Länder die Drecksarbeit machen.
Das geht so nicht. Wir müssen auf erneuerbaren Wasserstoff, auf den grünen Wasserstoff setzen.
(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Wir haben nichts anderes gesagt!)
Für uns Grüne ist klar:
Erstens. Wasserstoff sollte – auch das fehlt in Ihrem Antrag – nur dort eingesetzt werden, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Ansonsten ist das alles nämlich Energieverschwendung, denn Umwandlungsverluste sind nun einmal bei dieser Art nicht zu vermeiden.
Zweitens. Die Wasserstoffproduktion darf nicht dazu führen, dass einfach fossile Kraftwerke weiterhin länger oder noch mehr Strom produzieren. Auch das wäre kontraproduktiv.
Für die Wasserstoffproduktion ist der massive Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig; auch dazu wieder kein Wort.
Perspektivisch sollte, wenn Wasserstoffimporte notwendig sind, auf Nachhaltigkeitskriterien geachtet werden. Wir dürfen an dieser Stelle nicht die gleichen Fehler machen wie an anderen Stellen, bei denen wir bei Energieimporten in den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten nicht hingesehen haben, unter welchen Bedingungen in anderen Ländern Energie gewonnen wird. Das sollten wir hier beim Wasserstoff nicht wiederholen.
Zu guter Letzt ist Wasserstoff nur dann wirklich treibhausgasarm, wenn er aus erneuerbarem Strom hergestellt wird. Dafür brauchen wir mehr erneuerbare Energien. Davon ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen.
In Ihrer Rede eben haben Sie gesagt, wir sollten auf jede Kirmes hinterher noch ein Windrad stellen. – Nein, darum geht es nicht. Sie machen hier etwas genau anderes: Sie bezweifeln, dass die erneuerbaren Energien ausreichen, wenn sie auch noch zur Wasserstoffgewinnung genutzt werden sollten.
Aber, was ist Ihre Konsequenz? – Sie versuchen es erst gar nicht mehr bei den erneuerbaren Energien. So funktioniert es nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die norddeutschen Bundesländer haben im November bereits eine Wasserstoffstrategie, die einige unserer wichtigen grünen Punkte adressiert und den Fokus auf den grünen Wasserstoff legt, vorgelegt. Die Nordländer haben verstanden, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien ein enormer Standortvorteil ist.
Genau darauf sollte man sich hier in Nordrhein-Westfalen auch fokussieren und schauen, welche regulatorischen Hemmnisse es wirklich gibt. Das ist das Grundproblem beim Thema „Wasserstoff“. Dazu haben wir in Ihrem Antrag nichts gelesen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben nicht zugehört!)
Aus unserer Sicht kann blauer Wasserstoff nicht der Übergang sein, denn dann ist nicht klar, wie lange diese Phase dauern soll. Wir müssen unser Ziel auf den grünen Wasserstoff fokussieren.
Sie verhindern Windenergie, aber wollen Wasserstoff ausbauen. Das passt nicht zusammen. Da ist die Industrie an unserer Seite: Wir brauchen mehr Erneuerbare, und zwar nicht nur in Sonntagsreden und Ankündigungen, sondern auch wirklich. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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