Wibke Brems: „Sie haben null zum Erreichen der Klimaschutzziele beigetragen“

Aktuelle Stunde auf Antrag Fraktionen von CDU und FDP zum Klimaschutz

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der eine oder andere mag sich heute Morgen verwundert die Augen gerieben haben und sich fragen: Träume ich, oder versuchen CDU und FDP, sich hier als große Klimaschützer aufzuspielen und sich für rot-grüne Erfolge zu feiern?
Aber ich muss Ihnen ganz klar sagen, diese Augenwischerei lassen wir Ihnen nicht durchgehen, denn wenn wir uns Ihre Politik anschauen, wird unzweifelhaft klar: Sie sind und Sie bleiben die Zerstörer der Energiewende, Sie sind und Sie bleiben die Zerstörer eines ambitionierten Klimaschutzes.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Zunächst ein kurzer Blick zurück, warum das, was Sie hier abfeiern wollen, eben Augenwischerei ist. Als Rot-Grün hier vor neun Jahren angefangen hat, für ambitionierten Klimaschutz zu kämpfen, war das unter ganz anderen Voraussetzungen.
(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Damals gab es in Nordrhein-Westfalen einen Anteil von erneuerbaren Energien am Strom von unter 8 %; bis zum Jahr 2017 haben wir ihn auf 15,8 % verdoppelt.
Damals gab es beispielsweise noch nicht so etwas wie eine Sicherheitsbereitschaft für Kraftwerke, die allein dafür gesorgt haben, dass im Jahr 2017 in Nordrhein-Westfalen zwei Kraftwerksblöcke abgeschaltet und damit CO2-Emissionen reduziert wurden, ein Punkt, den Sie sich gern auf die Fahnen schreiben.
Seitdem haben sich Börsenpreise so verändert, dass Kohlekraftwerke immer unwirtschaftlicher geworden sind. – Ich könnte noch so weitermachen.
Man muss schon wirklich ein gehöriges Selbstbewusstsein haben – um nicht zu sagen: eine Dreistigkeit besitzen –, um sich hier wie CDU und FDP dafür feiern zu lassen, dass die rot-grünen Klimaziele nicht erst im Jahr 2020, sondern bereits im Jahr 2017 erreicht wurden.
Zur Erinnerung: Im Jahr 2017 haben Sie gerade mal ein halbes Jahr lang Regierungsverantwortung getragen. Sie haben eben gesagt, Sie hätten nicht bei null angefangen, das würden Sie zugestehen.
(Lachen von Marc Herter [SPD])
Sie haben aber null zum Erreichen der Klimaschutzziele beigetragen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Als wäre das alles nicht schon abstrus genug, wird es jetzt noch abstruser. Sie haben unsere Ziele damals bis aufs Messer bekämpft.
(Horst Becker [GRÜNE]: So ist das!)
Sie haben uns Deindustrialisierung vorgeworfen und noch vieles mehr. (Zuruf von Marc Herter [SPD])
Henning Höne beispielsweise hat in der Diskussion im Dezember 2015 unsere Ziele als überambitioniert bezeichnet. Daran sieht man doch, wie das damals gesehen wurde. Dass Sie es heute so hier wieder darstellen, ist doch einfach nur armselig.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich will nicht so sein. Schwamm drüber! Lassen Sie uns nach vorne schauen. Darum geht es doch.
(Lachen von der FDP – Zuruf von Marc Herter [SPD])
– Ich kann auch großzügig.
Worum geht es? – Die Welt hat sich doch seit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes im Jahr 2013 weiter gedreht. Die Klimaforscher der Welt stellen fest, dass die Klimaveränderungen noch schneller und noch dramatischer zunehmen, als man es vorhergesagt hat. Die internationalen Klimaziele wurden mit dem Pariser Klimaschutzabkommen noch nach oben angepasst. Es reicht also nicht, wenn sich NRW auf kleinen Zwischenerfolgen ausruht.
Immer wenn wir Grüne das hier in der letzten Zeit gesagt und Konsequenzen gefordert haben, dass die Klimaschutzziele angepasst werden, dass Sie Ihr Handeln und Ihr Reden miteinander in Einklang bringen müssen, führte der Ministerpräsident hier immer einen seiner Rumpelstilzchentänze auf.
Aber auch da will ich mal nicht so sein. Wenn Sie wirklich zur Vernunft gekommen wären und jetzt wirklich ambitionierteren Klimaschutz wollen würden, wäre das schön.
Wir haben eben gehört, Sie wollen mehr erneuerbare Energien, Sie wollen ganz viel Wasserstoff für Stahl, Chemie und Industrie.
(Henning Rehbaum [CDU]: Nicht nur!)
– Ja, aber woher soll denn genau das kommen? – Dafür brauchen wir eben die erneuerbaren Energien. Ich erkläre das gern noch mal:
(Bodo Löttgen [CDU]: Ja, bitte!)
Die größten Potenziale liegen bei Photovoltaik und Windenergie. Darum geht es, dass genau das auch passieren muss. Mir ist absolut schleierhaft, wie Sie das alles unter den aktuellen Rahmenbedingungen hinbekommen wollen.
Schauen wir es uns doch noch mal an. In Berlin wird ganz aktuell mit dem Referentenentwurf für ein Kohleausstiegsgesetz – ich muss es so sagen – der Kohlekompromiss aufgekündigt, denn nichts anderes ist es doch, wenn ein Kohleausstiegsgesetz die komplette Braunkohle ausklammert und stattdessen ein Windenergieausstiegsgesetz daraus macht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Genau das bedeuten diese absurden Abstandsregelungen von Windenergie zu Kleinstwohn- bebauung. Was hier in Nordrhein-Westfalen Schwarz-Gelb und die GroKo in Berlin machen, ist Akzeptanz durch Abschaffung, und das funktioniert eben nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wäre das nicht alles schon fatal genug für den Klimaschutz – dieser Branche geht es auch nicht gut. Dass der Branchenriese Enercon in der vergangenen Woche den Abbau von 3.000 Arbeitsplätzen angekündigt hat, würde bei jeder anderen Branche dazu führen, dass die Wirtschaftsminister der Länder und der Bundeswirtschaftsminister sich zum Krisentreffen am besten noch im Kanzleramt treffen und sich fragen würden: Wie kann man dieser Branche unter die Arme greifen?
Bei der erneuerbaren Energiebranche passiert genau das Gegenteil: Dieser Branche gibt man noch den Todesstoß. So funktioniert das nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Da muss ich klar sagen: Da kann ich die SPD auch nicht außen vor lassen. (Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Hier in Nordrhein-Westfalen und auch an anderen Stellen hören wir immer wieder aus der Opposition der SPD, dass sie sich als Windenergiebefürworter darstellt und mehr Klimaschutz fordert, doch in Berlin in der GroKo hören wir dazu nichts – weder zu Wind noch zum Klimaschutz.
(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
Deswegen unser Appell an Sie als größter Landesverband im Energieland Nordrhein-Westfalen: Machen Sie Ihren Einfluss geltend, und machen Sie deutlich, dass es deutliche Korrekturen an diesen Gesetzen geben muss.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dass der NRW-Wirtschaftsminister seinem Namen leider bei der Windenergiebranche keine Ehre macht, das kennen wir schon. Was macht der Ministerpräsident? – Er spricht sich auch noch lieber für ein neues Kohlekraftwerk aus, das nichts mehr ist als ein Mahnmal für eine verfehlte Energiepolitik.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte Ihnen zum Abschluss sagen: Liebe CDU, liebe FDP, Herr Ministerpräsident, Herr Wirtschaftsminister, hören Sie endlich auf, alles zu zerstören, und fangen Sie an, unsere Zukunft mit erneuerbaren Energien zu gestalten. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

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