Wibke Brems: „Packen wir es gern gemeinsam an!“

Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Portrait Wibke Brems 5-23

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Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, das junge Jahr 2018 – das wissen wir schon jetzt – wird ein historisches Jahr für das Bergbauland Nordrhein-Westfalen.
Die Schließung der letzten beiden deutschen Steinkohlezechen bedeutet das Ende einer jahrhundertealten Tradition. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass der Bergbau das Land NRW entscheidend prägte. Einerseits hat der Kohlebergbau ermöglicht, dass wir heute ein erfolgreiches Industrieland sind. Andererseits wurde der Boden in Teilen Nordrhein-Westfalens geradezu durchlöchert wie ein Schweizer Käse.
900 Jahre Bergbau in NRW hinterlassen Spuren, und mit diesen Spuren werden wir es noch lange zu tun haben. Vor allem die Hinterlassenschaften des Steinkohlebergbaus aus den vergangenen Jahrhunderten, der sogenannte Altbergbau, werden uns noch lange beschäftigen.
Mit unserer Großen Anfrage ist nun ein erster Einblick in den Umfang der Risiken von tages- und oberflächennahem Bergbau, in das Risikomanagement von Altbergbaugesellschaften und des Landes NRW möglich.
Ich möchte mich zunächst einmal bei der Landesregierung bedanken, vor allem bei der Bergbehörde, für die umfangreiche Arbeit und die Transparenz.
(Beifall von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])
Bedanken kann ich mich aber leider nicht bei allen Altbergbaugesellschaften, denn nicht alle arbeiten eng mit der Bergbehörde zusammen, wie es beispielsweise die RAG tut. Keine der Altgesellschaften hat Aussagen über ihre Kosten für die Beseitigung von Risiken und zu den Rückstellungen gemacht. Das ist aus unserer Sicht eine eklatante Missachtung des Informationsrechts des Landtags von Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu Beginn des Steinkohlebergbaus hat natürlich alles anders ausgesehen als heute. Es gab andere Standards. Der Bergbau wurde nicht so tief betrieben. Aber es gibt aus dieser Zeit noch sehr alte beeindruckende Karten mit erstaunlicher Genauigkeit der unterirdischen Schächte.
Die oberirdischen Bezüge lauten allerdings manchmal so ähnlich wie „150 m südöstlich der Dorfeiche“. Solche Ortsangaben sind aus heutiger Sicht nicht gerade präzise. Diese und weitere Voraussetzungen machen es natürlich schwierig, ein vollständiges Bild des Altbergbaus zu bekommen.
Manche Menschen im Ruhrgebiet mögen sich jetzt fragen, wo denn hier die Neuigkeiten liegen; man ist es ja irgendwie gewohnt, dass sich die Erde auftut.
Zwischen 2005 und 2016 kam es zu fast 1.900 Tagesbrüchen in Nordrhein-Westfalen. Ich finde diese Zahlen wirklich dramatisch. Die neuen Erkenntnisse liegen aber nicht in den Zahlen, sondern in den noch schlummernden Risiken. Dafür ein paar Beispiele:
60.000 verlassene Tagesöffnungen werden in NRW vermutet. Nur 30.000 davon sind digital erfasst. Die Bergbehörde ist nicht nur für die Kontrolle dieser Altgesellschaften zuständig, sondern auch für die Schächte und Tagesöffnungen, bei denen nicht mehr klar ist, wem sie überhaupt zuzuordnen sind.
Damit verantwortet die Bergbehörde 2.569 Schächte. Bei 65 Schächten ist die exakte Lage nicht genau bekannt, bei mehr als 1.100 Schächten muss mit Tagesbrüchen gerechnet werden. Das ist eine sehr bedenkliche Zahl, weil noch nicht einmal alles bearbeitet wurde. Diese Bearbeitung der Bergbehörde ist im Ruhrrevier erst Anfang der 20er-Jahre fertig. Im Aachener Revier soll sie dann anfangen und noch zehn Jahre dauern. Das dauert uns und vielen Menschen in Nordrhein-Westfalen zu lange. Hier müssen die Kapazitäten erhöht werden, um in Zukunft mehr Tagesbrüche zu verhindern.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Antwort der Landesregierung macht auch deutlich, welche eklatante rechtliche Lücke es in Nordrhein-Westfalen gibt. Weil der Bergbau beendet ist, unterliegen die Altbergbaugesellschaften eben nicht mehr der Aufsicht der Bergbehörde. Doch die Gefahr von Tagesöffnungen besteht trotzdem weiter, und auf das zum Teil unkooperative Verhalten der Altgesellschaften habe ich bereits hingewiesen.
(Zuruf von der CDU)
Eine Abstimmung mit der Bergbehörde oder eine sonstige behördliche Kontrolle gibt es schlicht nicht, und das kann weitreichende Folgen haben. So schreibt die Landesregierung in der vorliegenden Antwort – ich zitiere –:
„Immer wieder ist festzustellen, dass bei der Sicherung altbergbaulicher Hinterlassenschaften durch unerfahrene Dritte Verfahren eingesetzt werden, die für den entsprechenden Zweck unzureichend und/oder unter Nachhaltigkeitsaspekten fragwürdig sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass durch solche Maßnahmen selbst neue Gefahren geschaffen werden …“
Ich möchte darauf hinweisen, dass das keine Panikmache ist, sondern das schreibt die Landesregierung in ihrer Antwort. Das zeigt ganz klar: Es besteht dringender Handlungsbedarf.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aus unserer Sicht brauchen wir schnellstmöglich eine behördliche Anzeigepflicht für die Maßnahmen der Altgesellschaften und ein Kataster, in dem alle durchgeführten Maßnahmen zur Untersuchung und Sicherung potenziell tagesbruchverursachender Hinterlassenschaften aufgelistet und für die Zukunft gesichert werden. Andere Bundesländer haben das bereits geschafft, Nordrhein-Westfalen muss hier nachziehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin gespannt, ob wir über diese Maßnahmen heute schon Einigkeit erzielen können; denn aus unserer Sicht spricht die Antwort auf die Große Anfrage eine ganz klare Sprache. Es ist nicht eine Überprüfung notwendig, ob Regelungen in NRW möglich und erforderlich sind, sondern lediglich, wie dies geschehen kann.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Für unsere Fraktion möchte ich gerne sagen, dass wir hierfür unsere konstruktive Zusammenarbeit anbieten. – Glück auf!
(Beifall von den GRÜNEN)

2. Runde
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Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon froh darüber, dass wenigstens unter den demokratischen Fraktionen Einigkeit herrscht, wie wichtig das Thema „Risiken des Altbergbaus“ ist und dass hier rechtlicher Handlungsbedarf besteht. Dafür erst einmal herzlichen Dank!
Über zwei Dinge, die der Minister gesagt hat, war ich aber doch etwas irritiert.
Erstens werfen Sie in den Raum, Herr Minister, hier würden Ängste geschürt. Einen solchen Generalvorwurf in den Raum zu stellen, finde ich etwas problematisch. Vielleicht können wir ja Einigkeit darüber erzielen, dass das nicht das generelle Ziel ist.
Zweitens haben Sie den Altbergbaugesellschaften generell gedankt und gesagt, sie kämen ihrer Arbeit gewissenhaft nach. Ich kann das aufgrund der hier gegebenen Antworten, ehrlich gesagt, nicht beurteilen. Nach meiner Interpretation gehen auch einige in der Beantwortung enthaltene Aussagen der Bergbehörde klar dahin, dass es eben keine direkte Zusammenarbeit von einigen der Altbergbaugesellschaften mit der Bergbehörde gibt.
Nehmen wir ein Beispiel. Laut der Antwort auf die Große Anfrage reagieren die meisten der Altbergbaugesellschaften nicht oder nur ausweichend auf Fragen zum Risikomanagement und zur Gefährdungsanalyse.
Zur Frage, ob es einer rechtlichen Notwendigkeit bedarf, etwas zu tun, möchte ich gerne die Antwort der RAG anführen, die
„informiert, dass eine Meldepflicht von Sanierungsmaßnahmen an die Bergbehörde … in Nordrhein-Westfalen nicht existiere und sie es begrüßen würde, wenn über solch eine Regelung ein Sanierungskataster bei der Abteilung Bergbau und Energie in NRW der Bezirksregierung Arnsberg geführt würde …“
Da haben wir es doch! Genau eine dieser Altbergbaugesellschaften würde dies unterstützen. Das sollten wir dann auch mitnehmen und positiv begleiten.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss die Einigkeit nutzen, ein Augenmerk auf das zu richten, was in der Debatte noch keine große Rolle gespielt hat. Wir müssen uns auch mit dem Nichtsteinkohlebergbau beschäftigen. In Ansätzen behandelt die Anfrage dieses Thema. Wir haben hier noch keine komplette Übersicht über Altgesellschaften und die Handlungsnotwendigkeiten. Es ist aber insgesamt viel zu tun. Das zeigt die Debatte, und das zeigt die Antwort. Packen wir es gern gemeinsam an! – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)