Wibke Brems: „Nordrhein-Westfalen sollte vorne mit dabei sein, nicht obwohl, sondern weil wir ein Industrieland sind“

Unterrichtung der Landesregierung zum Klimagipfel in Paris

Portrait Wibke Brems 5-23

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Wibke Brems (GRÜNE): Lieber Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kinder, liebe Jugendliche! Gestern lernte ich Jona Ibels kennen. Jona ist Klimaaktivist, und das schon seit sieben Jahren. Was daran besonders ist? – Jona ist 18 Jahre alt. Er setzte sich also schon mit elf Jahren für den Erhalt unserer Erde ein.
Jona ist Klimabotschafter der Initiative „Plant-for-the-Planet“, die im Jahre 2007 von dem damals neunjährigen Felix Finkbeiner gegründet wurde. Felix erzählt im Buch „Baum für Baum. Jetzt retten wir Kinder die Welt“ von den Anfängen seiner Initiative. Daraus zitiere ich kurz:
„Am Montag habe ich dann vor der Klasse mein Referat gehalten. ‚Das Ende des Eisbären‘ habe ich es genannt. Ich habe den anderen den Treibhauseffekt erklärt, habe ihnen erzählt, was das CO2 mit dem Temperaturanstieg zu tun hat und dass Bäume CO2 binden und in Sauerstoff verwandeln. Bäume machen gefährliche Treibhausgase unschädlich. Es müsste aber natürlich mehr Bäume geben – und genau dafür können wir sorgen! ‚Lasst uns in jedem Land der Erde eine Million Bäume pflanzen‘, habe ich zum Schluss gesagt.“
Seitdem pflanzen Felix und seine Freunde Bäume und setzen Zeichen für Klimagerechtigkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch Jona, der uns Grüne gestern in unserer Fraktionssitzung besucht hat, kommt in dem Buch von Felix und seinen Freunden vor. Er erzählt in dem Buch – damals, vor einigen Jahren –:
„Ich mache mit, weil ich mich für unsere Zukunft einsetzen will. Die meisten Erwachsenen reden nur und handeln nicht. Sie denken nur an das Jetzt und dass sie es gemütlich haben wollen. Wenn wir groß sind, sind die Erwachsenen nicht mehr da und kriegen die Katastrophe nicht zu spüren. Gemütlichkeit und Geld sind vielen Erwachsenen wohl wichtiger als wir Kinder. Deshalb müssen wir Kinder was tun. Die Erwachsenen schaffen es ja nicht alleine.“
Jona sprach gestern in unserer Fraktionssitzung zu uns. Normalerweise berichten wir ja hier nicht aus internen Fraktionssitzungen, aber in diesem Fall, denke ich, kann ich einmal eine Ausnahme machen. Jona verglich uns Erwachsene mit Affen – mit Affen, die vor die Wahl gestellt sind, ob sie eine Banane jetzt oder in fünf Stunden sieben Bananen haben wollen. Er sagte, dass die Erwachsenen sich immer für eine Banane jetzt entscheiden, da sie nicht nachhaltig denken.
Jona machte uns gestern in einer für uns alle schon fast irritierenden Klarheit folgende Wahrheit deutlich: Während die meisten hier in diesem Raum nur noch etwa 20, 30, vielleicht 40 Jahre auf dieser Welt verweilen und somit die schlimmsten Klimaveränderungen nicht mehr erleben werden, werden die Kinder von heute massive Klimaveränderungen, Katastrophen und Verwerfungen hautnah miterleben. Die Kinder von heute haben zu Recht den Anspruch an uns, die wir heute verantwortlich sind, dass wir schon heute etwas dafür tun, die Klimakatastrophe zu bekämpfen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Daher sind internationale Verhandlungen wie beispielsweise die UN-Klimakonferenz in Paris – an die wir die Erwartung haben, dass es zu verbindlichen Vereinbarungen kommt, die die durchschnittliche Erwärmung der Erde wirklich auf 2°Celsius begrenzen – so wichtig.
Es wird Zeit, dass die Staatschefs der Industrie- und auch der Schwellenländer ihrer Verantwortung gerecht werden. Wir Industrieländer haben in den letzten Jahrhunderten die Hauptemissionen von Treibhausgasen zu verantworten. Immer mehr Länder holen auf und wollen verständlicherweise unsere Standards erreichen.
Die Frage ist jedoch, ob sie genau den gleichen Weg gehen müssen, wie wir ihn gegangen sind, und ob sie genau die gleichen Fehler machen müssen. Uns allen auf der ganzen Welt stehen erneuerbare Energien unbegrenzt zur Verfügung. Sie können heute kostengünstig und einfach zur Energiegewinnung genutzt werden.
In den Schwellen- und Entwicklungsländern müssen keine neuen Kohleabbaugebiete geschaffen werden, um Energie und Entwicklung zu ermöglichen. Es gibt längst andere Möglichkeiten. Auch China hat das erkannt: Der Ausbau von Wind- und Solarenergie in China beispielsweise ist enorm.
Die Verhandlungen in Paris zeigen auch dieses andere Vorgehen von Ländern wie beispielsweise Costa Rica. Der Inselstaat Costa Rica ist ganz konkret von einem steigenden Meeresspiegel bedroht. Costa Rica entschied sich schon vor Jahren, bis zum Jahr 2021 klimaneutral zu werden – angefangen beim Strom über die Wärme bis hin zu Verkehr und Wirtschaft. Wie bei Plant-for-the-Planet gehört auch ein massives Aufforstungsprogramm dazu.
Es gibt aber nicht nur die internationalen Klimaverhandlungen. Darüber hinaus wird ganz viel auch von den Kindern von heute gefordert: Anstrengungen vor Ort, in den Dörfern und Städten, in den Regionen und Bundesländern sind ebenso notwendig. Denn mit Verhandlungen allein ist es nicht getan. Geht die Staatengemeinschaft in Paris nicht stark genug gegen die Klimakatastrophe vor, sind Klimaschutzmaßnahmen vor Ort umso wichtiger. Dann ist ein Klimaschutz mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten notwendig.
Dabei sollte Nordrhein-Westfalen vorne mit dabei sein, nicht obwohl wir ein Industrieland sind, sondern weil wir ein Industrieland sind. Johannes Remmel hat eben schon darauf hingewiesen: Klimaschutz ist ganz klar ökonomische Vernunft. Wir wollen, dass wir die Wirtschaft und Industrie in Nordrhein-Westfalen fit für die Zukunft machen. Ganz klar ist: Das, was Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten groß gemacht hat, muss nicht zwangsläufig das sein, womit es groß bleibt. Wir müssen Nordrhein-Westfalen und die Wirtschaft gemeinsam neu erfinden und umwandeln. Genau so kann es gelingen.
Wo die Zukunft liegt, erkennen immer mehr eigentlich aus der konventionellen Wirtschaft stammende Firmen, aktuell zum Beispiel – auch das ist eben schon einmal kurz angesprochen worden – RWE. RWE wird sich aufspalten. Ich sehe an dieser Aufspaltung ganz klar, dass RWE die eigenen Zukunftsbereiche erkannt hat. Sie liegen in den erneuerbaren Energien, sie liegen in den Netzen, sie liegen in der Digitalisierung.
Aber was für uns an dieser Entscheidung ganz wichtig ist: Es kann nicht sein, dass sich RWE damit im Hinblick auf die Ewigkeitslasten von Atom- und Braunkohle aus der Verantwortung stiehlt. Das darf natürlich nicht passieren.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Vor etwa einer Woche schlug die Nachricht ein, dass die Allianz aus dem sogenannten Divestment, also den Investitionen in fossile Energieträger, aussteigen wird. Die Allianz steht damit nicht allein; auch AXA kündigte diese Maßnahme an. Der Großinvestor Warren Buffett verkaufte alle seine Anteile an Gas- und Ölfirmen.
Vorhin ist bereits der Rockefeller Brothers Fund erwähnt worden. Die Kritik, die dazu von der FDP kam, kann ich an dieser Stelle wirklich nicht nachvollziehen. Es bedeutet eine große Leitlinie, wenn ein Fonds, dessen Gründung auf ein Ölimperium zurückgeht, entscheidet, dass die Zukunft nicht mehr im Ölgeschäft liegt, und wenn er seine Investitionen in Höhe von 860 Millionen US-Dollar aus dreckigen Energieträgern abzieht.
Diese und weitere Beispiele zeigen, wo die Zukunft liegt. Sie liegt nicht in der Kohle.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Sie liegt in erneuerbaren Energien.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Ebenso wie neue Kohlekraftwerke in Schwellen- und Entwicklungsländern nicht mehr notwendig sind, sind neue Kohlekraftwerke auch bei uns unnötig. Umso nötiger jedoch ist ein Ausstieg aus der Kohle in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.
In dem Bemühen, die von allen beschworene Planungssicherheit herzustellen – darin scheinen wir uns ja alle einig zu sein –, gibt es jedoch sehr große Differenzen darüber, wie man das erreicht. Wir sind der Meinung: Die Planungssicherheit kann man nicht dadurch herstellen, dass man über Jahre die Augen vor der Tatsache des kommenden Kohleausstiegs verschließt. Das wäre fatal.
Um Strukturbrüche zu vermeiden, müssen wir jetzt einen gemeinschaftlichen Weg mit allen Beteiligten und Betroffenen gehen. Dieser Weg muss gemeinsam gefunden werden; so hat es auch die Bundesumweltministerin vorgeschlagen.
Ich möchte, dass mein heute dreijähriges Patenkind Emma in 30 Jahren, wenn es fast so alt ist wie ich heute, ein mit erneuerbaren Energien versorgtes, modernes Industrieland NRW vorfindet.
(Zuruf des Abgeordneten Christian Lindner [FDP])
Ich möchte, dass Emma nicht mehr die gleichen Kämpfe austragen muss wie wir heute. Ich möchte, dass Emma sich nicht mehr für die Abschaltung von Kohlekraftwerken einsetzen muss, weil es diese dann längt nicht mehr gibt. Ich möchte, dass Emma mir und uns nicht vorwerfen kann: „Ihr habt von der Klimakatastrophe gewusst und nicht genug getan!“
(Beifall von den GRÜNEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder, liebe Jugendliche, lieber Jona, liebe Emma, ich verspreche: Ich werde alles tun, um erneuerbare Energien auszubauen, Kohlekraftwerke überflüssig zu machen und mehr Bäume mit Plant-for-the-Planet zu pflanzen. Kurz und gut: Ich verspreche, alles zu tun, um unser Klima und unsere Welt zu retten. Sehr geehrte Damen und Herren, machen Sie mit! Liebe Kinder und Jugendliche, macht mit!
(Beifall von den GRÜNEN)