Wibke Brems: „Nehmen Sie die Klimaziele ernst und sorgen Sie für den Erhalt der bedrohten Dörfer!“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Beendigung des Braunkohleabbaus bei Lützerath

Portrait Wibke Brems 5-23

Der Antrag
Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

„In 30 bis 100 Jahren, je nachdem, wieviel fossiles Brennmaterial wir verbrauchen, wird auf uns eine ganz erhebliche Klimaänderung zukommen.“

Das ist ein Zitat des frisch gekürten Nobelpreisträgers Klaus Hasselmann aus dem Jahre 1988. Damals mahnte er auch:

„Wir müssen vor allem versuchen, mit Öl und Kohle sparsam umzugehen, denn das Kohlendioxid ist wesentlich an der Treibhauswirkung schuld.“

Die Warnungen vor der Klimakatastrophe werden heutzutage zum Teil als Klimahysterie von Schulschwänzern abgetan. Aber das sind sie eben nicht. Schon in den 80er-Jahren sprach man in der Wissenschaft von der drohenden Klimakatastrophe. Nur ein Beispiel aus dem Jahre 1986: Da gab es einen Aufruf des Arbeitskreises Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft mit dem Titel „Warnung vor einer drohenden Klimakatastrophe“.

Jahrelang aber verhallten die Warnungen in den Regierungen dieser Welt ungehört, auch weil große Ölkonzerne mit Milliarden dafür gesorgt haben, dass die öffentliche Meinung nicht allzu kritisch gegenüber fossilen Energieträgern wurde und bis heute Klimawandelleugner aus deren Kassen finanziell unterstützt werden.

Aber nicht erst seit diesem Sommer steht die Klimakatastrophe vor unserer Haustür: Eine Dürre, ein Starkregenereignis, ein Rekord jagt den nächsten. Vorgestern gab es den neuesten europäischen Niederschlagsrekord. Bei Genua fielen in 12 Stunden 740,6 l Regen auf den Quadratmeter. Nur um das einmal zu vergleichen: Die mittlere Niederschlagsmenge in Deutschland beträgt 790 l. In der Eifel waren es am 14.07. in 24 Stunden 150 l, also nur ein Fünftel von dem, was vorgestern in Genua runtergekommen ist. Wir alle haben die Bilder vor Augen, was das vor Ort angerichtet hat.

Es ist also die Aufgabe aktueller und zukünftiger Regierungen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der Klimakatastrophe Einhalt zu gebieten. Und das gelingt vor allem dann, wenn die Kohle unter der Erde bleibt, wie es Klaus Hasselmann schon in den 80er-Jahren sagte.

(Beifall von den GRÜNEN)

20 Tage ist Herr Laschet noch Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen – 20 Tage, die er gut nutzen könnte, um den Grundstein für sein eigenes Denkmal im Rheinischen Revier zu legen, ein Denkmal bestehend aus sechs Garzweiler-Dörfern. Er könnte für sozialen Frieden in der Region sorgen. Er könnte sich nicht nur zu den Pariser Klimazielen bekennen, sondern auch wirklich etwas dafür tun, damit wir diese erreichen.

Er könnte auf die Wissenschaft hören, die nämlich sagt, dass die rote Linie für die Erreichung der Pariser Klimaziele noch vor Lützerath liegt. In Lützerath leistet ein Landwirt erbitterten Widerstand und klagt gegen seine Enteignung. An anderen Stellen hören wir ein großes Tohuwabohu von CDU, FDP und SPD gegen jegliche Enteignung – hier: Achselzucken!

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2013 liegen die Hürden für eine Enteignung von Wohngebäuden sehr hoch. Die Enteignung muss dem Gemeinwohl dienen. Es ist kaum vorstellbar, wie das heutzutage noch begründet werden soll. Schließlich gibt es etliche Studien, die die Notwendigkeit eines Kohleausstiegs bis 2030 für notwendig erachten. Selbst aus Daten der Bundesregierung wird klar, dass sich das Sektorziel im Klimaschutzgesetz des Bundes für 2030 nur erreichen lässt, wenn bis dahin der Kohleausstieg abgeschlossen ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich appelliere daher an Ihre Vernunft. Stellen Sie sich diesmal auf die richtige Seite der Geschichte und sorgen Sie bei RWE dafür, dass die Gerichtsverfahren abgewartet werden! Sie haben ja bei der Räumung des Hambacher Waldes 2018 die Erfahrung gemacht: Am Ende war der größte Polizeieinsatz in der Geschichte dieses Landes vollkommen sinnlos und gefährlich.

Es ist die Aufgabe dieser Regierung, dafür zu sorgen, dass das nicht wieder passiert. Sie dürfen sich nicht wieder zum Handlanger von RWE machen!

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Frechheit! – Zurufe von der CDU)

– Ja, ich weiß, dass Sie das immer sehr trifft. Aber es ist nun mal so, dass Sie das gemacht haben. Sie haben es jetzt in der Hand, was Ihr Erbe, was das Erbe

(Anhaltende Zurufe von der CDU – Glocke der Präsidentin)

dieses Ministerpräsidenten fürs Rheinische Revier ist: Sind es Polizeieinsätze, vorgeschobene Gründe für Räumung und Handlanger von RWE zu sein, oder

(Jochen Klenner [CDU]: Wer hat denn die Leitentscheidung beschlossen? Das waren doch Sie! Geschichtsklitterung! Unverschämt!)

ist es die Rettung von sechs Dörfern, ist es, den Hambacher Wald in öffentlichen Besitz zu überführen,

(Anhaltende Zurufe – Glocke der Präsidentin)

für sozialen Frieden zu sorgen und den Grundstein für eine gute Zukunft Ihrer Heimatregion zu legen?

(Zurufe von der CDU)

Es ist wieder spannend, wie ich Sie an dieser Stelle treffe.

(Zuruf von der CDU: Das ist die Unwahrheit! – Weitere Zurufe von der CDU)

Es ist schwer, wenn man die Realität anerkennen muss. Ich weiß das.

(Zurufe von CDU und FDP)

Ich kann mir das vorstellen. Aber ist nun mal die Realität, dass der Kohleausstieg 2038 zu spät ist für die Erreichung der Klimaziele. Sie verharren da im Gestern.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP, Herr Nochministerpräsident Laschet, Herr zukünftiger Ministerpräsident Wüst, geben Sie sich einen Ruck! Sorgen Sie dafür, dass RWE in Lützerath nicht wieder Fakten schafft,

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

bevor nicht die letzten Gerichtsverfahren abgeschlossen sind. Nehmen Sie die Klimaziele ernst und sorgen Sie für den Erhalt der bedrohten Dörfer!

(Beifall von den GRÜNEN)

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