Wibke Brems: „Herr Illusionsminister Pinkwart, Ihre Tricks sind enttarnt“

Zum Entwurf der Landesregierung für ein Klimaschutzgesetz

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss schon sagen, Herr Minister Pinkwart: Sie versuchen, hier eine wahre Zaubershow aufzuführen, sich als Zauberer darzustellen.

(Heiterkeit von Frank Sundermann [SPD])

Sie kündigen Ihre Taten an, zeigen uns Ihre Tricks, loben sich, überhöhen sich selbst.

Bei echten Zauberkünstlern sitzt das Publikum förmlich mit offenem Mund da und fragt sich: Wie hat er das gemacht?

(Heiterkeit von Frank Sundermann [SPD])

Aber bei Ihnen bleibt nach so einem kleinen „Pöff“ irgendwie gar nichts mehr übrig, zu offensichtlich sind die Tricks. Mit großen Worten stellen Sie dar, dass Sie jetzt beim Klimaschutz vorangehen, aber übrig bleibt, ehrlich gesagt, wenig, und darauf gehe ich jetzt im Einzelnen ein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihr Klimaschutzgesetz ist geradezu lächerlich ambitionslos und schon vor Inkrafttreten überholt. Ich muss hier gar nicht die große Keule des 1,5‑Grad-Zieles herausholen, um deutlich zu machen, wie ungenügend Ihr Klimaschutzziel ist.

Die EU hat im Dezember eine Anhebung des Klimaschutzziels für 2030 beschlossen. Das bedeutet, dass Deutschland sein Ziel für 2030 ebenfalls anheben muss, vermutlich von aktuell minus 55 % auf mindestens minus 65 %. Sie können jetzt trotzig Ihre Augen davor verschließen und so tun, als gäbe es diese Entwicklung nicht. Aber deswegen wird die EU ihren Beschluss eben nicht rückgängig machen. Daran muss man sich dann orientieren und das hier auch wiederfinden.

Wir brauchen beim Klimaschutz mehr Dynamik. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt auch, dass diese Dynamik möglich ist. Sie darf aber nicht durch ambitionslose Ziele erstickt werden, sondern muss weiter an Fahrt aufnehmen.

Wie wenig ambitioniert Ihr Ziel ist, wird auch daran deutlich, dass es allein durch die Beschlüsse zum Kohleausstieg erfüllt werden wird. Aber das scheint ja auch Teil eines Ihrer Tricks zu sein. Sie verkaufen die Illusion, Sie würden etwas tun. Was Sie aber planen, sind zehn Jahre klimapolitischer Stillstand.

Die Welt verändert sich nun mal. Was vor einigen Jahren noch als ambitioniert galt – darauf komme ich gleich noch einmal zurück –, ist heute schon überholt. Das ist auch gut so. Denn es bedeutet, dass es in der Klimapolitik vorangeht. Das Traurige ist aber, dass Ihr Gesetz bereits vor der Verabschiedung überholt ist.

Wirklich showwürdig ist dann das, was Sie hier darstellen, nämlich die Dehnbarkeit der eigenen Grundsätze und die Fähigkeit, sich zumindest kommunikativ nach dem Wind zu drehen. In der Debatte in den Jahren 2012 und 2013 zum damaligen Klimaschutzgesetz wir es diskutiert, und heute sagen Sie, das sei ambitionslos.

Ich möchte ein Beispiel von Ihrem Kabinettskollegen Herrn Wüst heranziehen, der damals natürlich als Oppositionsabgeordneter geredet hat. Er sagte am 5. Juli 2012:

„Dieses Gesetz, das zunächst nach Prosa und Sonntagsrede aussieht, gibt alle Werkzeuge dafür in die Hand, die Axt an den Industriestandort und Energiestandort Nordrhein-Westfalen zu legen.“

Immer wieder haben wir in der Diskussion gehört, wir sollten endlich Klimaschutz mit Augenmaß machen und bitte nicht zu viel. Und was ist passiert? – Die Ziele wurden übererfüllt. Der Wirtschaft geht es gut, der Industriestandort existiert immer noch, und Ihre ganze Drohkulisse ist einfach in sich zusammengefallen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte dann noch auf das zu sprechen kommen, was Herr Rehbaum eben als Beispiel genannt hat. Ich muss Ihnen sagen: Das ist einfach gelogen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Oh!)

Sie nehmen hier ein Beispiel aus dem gesamten Verfahren. Sie haben das Beispiel der Wäscheklammer oder der Wäscheleine irgendwie dargestellt; dass das Teil des Klimaschutzplans gewesen sei. – Das war nie Teil des Klimaschutzplans. Es gab ein großes Beteiligungsverfahren – ich erkläre Ihnen gern noch einmal, wie das abgelaufen ist –,

(Henning Rehbaum [CDU]: Bitte!)

in dem von allen Seiten Eingaben gemacht wurden. Wenn man danach gehen würde, müsste nicht nur das im Klimaschutzplan stehen; vielmehr gab es beispielsweise auch die Eingabe und den Vorschlag, dass man doch bitte endlich umfassend das Fracking genehmigen lassen sollte.

(Henning Rehbaum [CDU]: Da bin ich absolut dagegen! Da bin ich total dagegen!)

Es gab Vorschläge zum Thema „Tagebauausweitung“ usw. usf. Das ist alles nicht aufgenommen worden, weil es eben eine große Bandbreite gab und weil es hinterher darum ging, eine gemeinsame Linie zu finden. Deswegen: Irgendein Beispiel zu nehmen und das hier nun als Beispiel anzuführen, ist einfach nur peinlich und lächerlich und eben auch gelogen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weil Sie sich gerade wieder selber über den Klee gelobt haben:

(Henning Rehbaum [CDU]: Zu Recht!)

Ich weiß, es ist schmerzhaft, aber die Fortschritte im Klimaschutz seit der Regierungsübernahme haben nichts mit Ihrer Politik hier zu tun.

(Henning Rehbaum [CDU]: Woher wissen Sie das?)

Ich erkläre Ihnen gerne, woher die Einsparungen kommen. Man kann sich das genau angucken. Zu 85 % kommen die Einsparungen aus der Energiewirtschaft. Und warum? – Weil Kohlestrom nicht mehr wirtschaftlich ist, und zwar wegen gestiegener CO2-Preise, niedriger Erdgaspreise, niedriger Börsenstrompreise und wegen des Zubaus erneuerbarer Energien.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Das ist doch Quatsch!)

Das alles hat nichts, aber auch gar nichts mit der Politik dieser Landesregierung zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei den Erneuerbaren ist es vielmehr so, dass NRW nicht wegen, sondern trotz Ihrer verheerenden Politik im Vergleich noch der Einäugige unter den Blinden ist. Das alles ist alles andere als Ihr Erfolg.

Das rot-grüne Klimaschutzgesetz ist vor dem Pariser Klimaabkommen verabschiedet worden. Nach der Ratifizierung der Ziele war klar, dass auch wir in Nordrhein-Westfalen deutlich nachschärfen müssen. Diese Erkenntnis hat einige Jahre benötigt, bis sie wirklich auch in der Breite angekommen ist.

Der Bezug zu Paris auch in diesem Klimaschutzgesetz ist natürlich mehr als überfällig. Vier Jahre nach Regierungsantritt damit zu kommen, ist dann aber nicht gerade innovativ. Aber Sie haben sich ja gestern auch noch als neue Landesregierung bezeichnet. Das alles ist alles andere, als beim Klimaschutz voranzugehen.

(Zuruf von Frank Sundermann [SPD])

Die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 reicht vorne und hinten nicht, um die Pariser Klimaschutzziele wirklich zu erreichen. Wenn Sie das glauben, dann sind Sie Ihrer eigenen Illusion auf den Leim gegangen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Schon wieder!)

Apropos Illusion: Herr Rehbaum, als Sie eben angefangen haben, haben Sie gesagt, als Partei mit dem C sei Ihnen die Bewahrung der Schöpfung eine Herzensangelegenheit.

(Henning Rehbaum [CDU]: Absolut! – Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Aber an dieser Stelle, wo es auch um Heimat geht, um Kirchen, um Menschen, die vertrieben werden, ist Ihnen das vollkommen egal. Da machen Sie ganz klar mit. Das ist kein Problem.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Das hier herauszuholen, ist wirklich scheinheilig.

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Das ist Ihr Beschluss von 2016; ein grüner Beschluss zum Abriss von Kirchen von 2016!)

Sie lassen vom alten rot-grünen Klimaschutzgesetz nur noch eine schicke Hülle. Alles, was zur Umsetzung wichtig wäre, haben Sie entkernt. Da haben Sie einfach den Klimaschutzplan als zentrales Steuerungselement weggepackt. Sie holen aus der Trickkiste ein Klimaschutz-Audit hervor und wollen damit jetzt anfangen, obwohl Sie seit Jahren dazu verpflichtet wären, ein Monitoring zu machen. Wir nehmen Ihnen nicht wirklich ab, dass Sie jetzt hier auf einmal alles anders machen wollen, obwohl Sie es ja schon längst hätten machen können.

Dann kommen wir noch zu Ihrem Verwandlungstrick mit dem Klimafolgenanpassungsgesetz. Da muss ich schon sagen, Frau Ministerin Heinen-Esser: Schlauer Move, das vom Klimaschutzgesetz zu trennen; denn damit sind Sie den Koalitionsstreitigkeiten irgendwie aus dem Weg gegangen. Minister Pinkwart kann Ihnen da nicht mehr so hineinreden. Das haben Sie gut gemacht.

Aber ich muss Ihnen eines sagen: Dass Sie hier und an anderen Stellen immer wieder gesagt haben, es sei das erste deutsche Klimaanpassungsgesetz, dass Sie dieses Label draufpappen, obwohl es zu mindestens 95 % aus dem alten rot-grünen Klimaschutzgesetz abgeschrieben ist, ist wirklich dreist. Das muss ich sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Illusionsminister Pinkwart, Ihre Tricks sind enttarnt. Vielleicht ist die Provinzbühne wirklich eher Ihr Metier.

(Heiterkeit von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart)

Für das Land muss es aber endlich etwas geben, was Sie eigentlich auch aus Ihrer Karriere gut kennen sollten: Ambitionen – aber Ambitionen für Fortschritte beim Klimaschutz und keine billige Trickserei.

Ich möchte Ihnen ganz klar sagen: Suchen Sie sich eine Bühne, die Ihrer magischen Ambitionen würdig ist. Unser Land und der Klimaschutz haben jedenfalls etwas Besseres verdient. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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