Wibke Brems: „Hätte Deutschland schon früher konsequent den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützt, wären wir heute schon wesentlich unabhängiger von den Preisentwicklungen der fossilen Energien“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Energiepresein

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute irgendwie den Eindruck gewonnen, CDU und FDP suchen ihre neuen Rollen. In Berlin ist die CDU nicht mehr in der Regierung, also müssen nun die Ministerpräsidenten der Länder ran und Anträge im Bundesrat stellen. Dann nimmt die CDU einen solchen eigenen Bundesratsantrag auch noch zum Anlass für eine Aktuelle Stunde heute im Landtag. Das ist natürlich effizient, aber ich habe mich schon gefragt, ob das wirklich Ihr Anspruch sein kann.

Die Frage der Energiepreise, die Ursachen des Anstiegs, die kurz- und mittelfristigen Handlungsmöglichkeiten der Politik sind sehr spannende Fragen. Ich diskutiere das auch gerne mit Ihnen. Aber, alle von Ihnen geforderten Maßnahmen liegen in der Verantwortung der Bundesregierung. Sie präsentieren heute – Sie haben auch in der Diskussion nichts gebracht – keine einzige Maßnahme, wie Sie als Landesregierung die Menschen und Unternehmen entlasten könnten.

Ich finde das einfach nur schwach. Kaum ist die CDU im Bund in der Opposition, macht sie selbst das, was sie sonst gerne zum Anlass nimmt, nämlich sich hier der Diskussion zu verweigern und eine bundespolitische Debatte im Landtag zu führen. Spannend! Schwarz-Gelb ist in NRW anscheinend schon selbst auf dem Weg in die Opposition.

(Beifall von den GRÜNEN und Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Aber, wie gesagt, ich lasse mich gerne auf die Diskussion ein und möchte einen Blick auf die Vorschläge von Ministerpräsident Wüst und Ministerpräsident Söder zum Umgang mit den Energiepreisen werfen.

Zunächst einmal die Frage der Abschaffung der EEG-Umlage. Das ist kein neuer Vorschlag, sondern ein Punkt, der längst in der Diskussion ist, auch in der Bundesregierung. Das wird die Haushalte und Unternehmen um bis zu 7 Milliarden Euro entlasten – das ist gut und richtig –, aber ist gleichzeitig – das muss man auch klar sagen – eine gewaltige Belastung für den Bundeshaushalt.

Dann kommen die beiden weiteren Forderungen obendrauf. Sie fordern eine Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 7 %. Allein für den Strombereich würde das eine Belastung für den Bundeshaushalt von 11,8 Milliarden Euro zusätzlich bedeuten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Haben aber auch Einnahmen!)

Wenn Sie dann noch die Stromsteuer quasi abschaffen wollen, dann hätten Sie eine weitere Belastung von 6,5 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt.

Ich muss sagen: Ende des vergangenen Jahres hatte der mittlerweile Ex-Fraktionschef Ralf Brinkhaus die CDU noch als eine konstruktive und ausgewogene Oppositionspartei beschrieben. Ich frage mich aber: Konstruktiv? Ausgewogen? – Woher soll denn das ganze Geld dafür kommen? Dazu kein Wort von Ihnen. Ihre Vorschläge sind zudem nicht nur unseriös, sie sind auch ungerecht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn Sie wollen diese Milliarden dann im Gießkannenprinzip verteilen. Die gestiegenen Energiepreise belasten aber vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen. Sie gilt es zu entlasten, und darauf gehe ich gleich noch mal ein.

Gleichzeitig ist es so – das verkennen Sie hier und heute in dieser Debatte und in den entsprechenden Anträgen –, dass wohlhabendere Haushalte mehr Energie verbrauchen. Sie würden also von den von Ihnen vorgeschlagenen Entlastungen überproportional profitieren. Soziales Gewissen ist hier also Fehlanzeige.

Die Vorschläge und Ideen, die es aus den grünen Ressorts der Bundesregierung gibt, haben dabei die soziale Gerechtigkeit im Blick und setzen da an, wo die Probleme wirklich liegen.

Noch einmal kurz zurück zum Thema „EEG-Umlage“. Hier geht es darum, dafür zu sorgen, dass diese Entlastung auch bei allen wirklich ankommt. Das ist gerade rechtlich zu prüfen. Damit nicht diese ganzen Milliarden bei den Energieversorgern bleiben, muss klargemacht werden, dass das weitergegeben wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu gibt es hier und an anderen Stellen keine Aussagen von Ihnen.

Ein weiterer Vorschlag auf Bundesebene von den grünen Ressorts ist ein Heizkostenzuschuss, der kommen wird. Hiermit entlastet die Bundesregierung gezielt und unbürokratisch Haushalte mit niedrigem Einkommen.

Ein weiterer Vorschlag: der Kindersofortzuschlag. Ich bin optimistisch, dass auch dieser kommen und insbesondere Familie mit Kindern effektiv entlasten wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann kommen wir noch zum Thema „Aufteilung des CO2-Preises zwischen Vermieterinnen und Mieterinnen“. Nachdem die GroKo da im letzten Jahr in der unsäglichen Diskussion – hauptsächlich verhindert durch die Union-Bundestagsfraktion – einfach nicht weiter gekommen ist, liegt jetzt wirklich ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch. Ich bin sehr optimistisch, dass wir hier sehr bald eine faire Lösung sehen werden.

Ein weiterer Aspekt, der eben auch schon angesprochen wurde: Perspektivisch brauchen wir darüber hinaus das Klimageld, um weitere Entlastungen hinzubekommen.

Dann gäbe es auch noch Punkte, die Sie als Landesregierung in dieser Situation tun könnten. Sie könnten die Förderprogramme für Heizungsaustausch und energetische Sanierung aufstocken oder Angebote wie Stromspar-Checks der Caritas oder von Verbraucherzentralen unterstützen.

Sie aber machen es sich hier einfach nur bequem, indem Sie mit dem Finger auf den Bund zeigen – das kennen wir auch von anderen Debatten.

Die Bundesregierung wird ein sozial ausgewogenes Paket vorlegen, und zwar bald. Darauf können Sie sich verlassen. Dann sehen Sie hier mit Ihrem plumpen Populismus auch wirklich ziemlich alt aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Last but not least kann ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, nicht ersparen, wovor Sie sich, glaube ich, schon die ganze Zeit fürchten und was Sie auch immer nicht hören wollen: Die erneuerbaren Energien müssen schneller ausgebaut werden.

Gucken wir uns doch einmal an, woher die aktuell gestiegenen Energiepreise kommen.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Wir sehen aktuell eine fossile Inflation. Das kommt nicht von der Energiewende, wie gerade die FDP ein bisschen suggeriert hat, sondern es gibt einen sprunghaften Anstieg der weltweiten Nachfrage nach fossiler Energie und in der Folge eine Explosion vor allem der Erdgaspreise.

Das verteuert nicht nur die Wärmeversorgung, sondern die teuren Erdgaskraftwerke sind auch häufig an der Strombörse preissetzend.

Fakt ist aber: Die Blockade des Ausbaus der erneuerbaren Energien der Bundesregierung der letzten 16 Jahre hat uns in diese Situation geführt. Das ist hausgemacht, Herr Brockes, und nicht andere Aspekte.

(Zuruf)

Hätte Deutschland schon viel früher konsequent den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützt, wären wir heute schon wesentlich unabhängiger von den Preisentwicklungen der fossilen Energien.

(Dietmar Brockes [FDP]: Die EEG-Umlage war der Bremsklotz!)

– Herr Brockes, das ist totaler Quatsch, was Sie hier reinbrüllen. Das stimmt einfach vorne und hinten nicht.

(Dietmar Brockes [FDP]: Doch!)

Als Ihre FDP im Wirtschaftsministerium war,

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben die ganzen anderen Erneuerbaren dadurch ausgebremst!)

haben Sie doch eine wirtschaftliche Entwicklung der erneuerbaren Energien ausgebremst. Das haben Sie doch gemacht. Natürlich.

(Beifall von den GRÜNEN und René Schneider [SPD])

In Ihrer Zeit ist die Verteuerung gekommen in der Photovoltaik, und es wurde nicht weiter daran gearbeitet, die erneuerbaren Energien auszubauen. Denn genau das ist es, was uns unabhängig macht und die Preise senkt.

Die Konsequenz muss doch sein, dass wir die Aufmerksamkeit darauf konzentrieren,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, denn sie drücken den Preis an der Strombörse. Damit sorgen sie für langfristig stabile und sinkende Preise.

Packen Sie sich also an Ihre eigene Nase, anstatt nach Berlin zu zeigen. Werden Sie hier aktiv, wo Sie Verantwortung tragen, und beenden Sie Ihre Erneuerbare-Energien-Blockade hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon bemerkenswert, dass CDU und FDP eine Aktuelle Stunde beantragen, dann aber inhaltlich nicht wirklich etwas zu den Punkten beitragen, sondern sich ausschließlich an uns abarbeiten. Das scheint an dieser Stelle die Priorität zu sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Weil eben die Forderung angeklungen ist, sich ehrlich zu machen, möchte ich gerne auf die Energiepreise eingehen und darauf, wer eigentlich wie entlastet werden sollte. Wir Landtagsabgeordnete, die Leute auf der Regierungsbank, wir alle sind die Wohlhabenden in diesem Land. Wir sind nicht diejenigen, die bei den Energiepreisen als Allererste entlastet werden müssen. Nein, warum sollten wir denn genauso entlastet werden wie die alleinerziehende Mutter, die die Belastung wirklich spürt? Wir müssen an der Stelle doch sozial gerecht sein und nicht einfach mit der Gießkanne vorgehen.

(Beifall von den GRÜNEN und Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Unter diesem Aspekt müssen wir auch über einen besseren Schutz vor Strom‑ und Gassperren sprechen. Es darf nicht sein, dass Kinder in Deutschland im Winter in einer unbeheizten Wohnung lernen müssen. Das ist ein wichtiger Aspekt, den wir angehen müssen.

Wir müssen dann auch über die Regulierung und das Verhalten von Energieversorgern sprechen. Ich finde es schon bezeichnend, dass auch die Regulierungskammer von Nordrhein-Westfalen noch im November in einer Pressemitteilung deutlich gemacht hat, dass höhere Preise für Neukunden völlig in Ordnung seien. Das wurde daraufhin ja auch umgesetzt.

Das hat viele Menschen wirklich vor die nächsten Probleme gestellt, die nämlich von den unlauteren Methoden mancher Anbieter betroffen waren, in die Grundversorgung zurückgefallen sind und wie in meiner eigenen Kommune auf einmal bei Strompreisen von über 90 Cent pro Kilowattstunde gelandet sind. Dem muss von den entsprechenden Behörden Einhalt geboten werden; dafür gibt es auch hier in Nordrhein-Westfalen eine Verantwortung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin auch der Meinung – das habe ich eben beim Thema „EEG-Umlage“ angesprochen –, dass es nicht sein kann, dass die Politik für Entlastungen sorgt und davon am Ende die Energieversorger profitieren, nicht aber die Menschen. Wir müssen schauen, ob es eine effektivere Kontrolle der Preise auf den Energiemärkten durch die Bundesbehörden geben muss, aber an manchen Stellen auch durch die Länder, wo sie zuständig sind.

Ich halte es schon für ein krudes Verständnis von Marktwirtschaft, das sich hier und heute wieder einmal auch bei CDU und FDP zeigt: Bloß keine Eingriffe in den Markt, obwohl klar ist, dass Sachen nicht funktionieren. Der Staat soll, bitte schön, mit Milliarden Euro in die Bresche springen. – Ich finde, das ist ein seltsames Vorgehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte darauf zurückkommen, was Sie uns hier vorwerfen. Dass Sie immer wieder Ihre Leier von Baden-Württemberg aufgreifen, ist schon ein bisschen peinlich.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh! – Dietmar Brockes [FDP]: Regieren Sie da nicht mehr?)

– Wir sind hier im Land Nordrhein-Westfalen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Ah!)

Ich regiere nicht in Baden-Württemberg.

(Dietmar Brockes [FDP]: Dann gucken wir doch mal, was Sie an Erneuerbaren ausgebaut haben!)

Wir sind doch für dieses Land verantwortlich. Der Minister ist für dieses Land verantwortlich und kann doch nicht immer auf andere zeigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie dürfen hier nicht nur ankündigen,

(Unruhe – Glocke)

sondern müssen die Hemmnisse für den Ausbau der erneuerbaren Energien wirklich beenden. Sie müssen konkrete Vorschläge auf den Tisch legen. Herr Minister Pinkwart, ich habe dazu seit den Ankündigungen vom Dezember noch nichts gehört.

Ich glaube, dass die nächste Woche, in der Wirtschaftsminister Robert Habeck zu Ihnen kommen wird, etwas unangenehm werden dürfte; dann können Sie sich nämlich auch nicht herausreden. Jedes Bundesland ist verantwortlich, auch dieses. Sie müssen mit konkreten Vorschlägen kommen und können nicht immer nur auf Baden-Württemberg zeigen.

(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)

Zeigen Sie hier Verantwortung, und zeigen Sie, was hier geht! Im Industrieland Nordrhein-Westfalen können wir die erneuerbaren Energien ausbauen, und zwar schneller, als Sie bisher gesagt haben. Es reicht nicht, immer nur anzukündigen, sondern es muss endlich gemacht werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

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