Wibke Brems: „Es gibt keine Eins-zu-eins-Umsetzung“

Unterrichtung der Landesregierung und Aktuelle Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Kohleausstieg

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss schon sagen, dass es wieder mal spannend ist, was hier passiert. Sowohl die Mitglieder der regierungstragenden Fraktionen – ganz besonders Herr Löttgen – als auch der Minister haben es nicht geschafft, sich mehrheitlich auf das heutige Thema zu konzentrieren. Stattdessen beschäftigen sie sich damit, was wir Grünen machen, beschimpfen uns und bringen zum Schluss auch noch unhaltbare Vorwürfe gegen uns vor. Das ist schon etwas kurios.
Sie haben sich an anderen Bundesländern und anderen Ländern abgearbeitet, anstatt sich mit dem heutigen Thema zu beschäftigen und sich auf das Bundesland zu konzentrieren, für das Sie die Verantwortung tragen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Anstatt sich mit der Zukunft und den Herausforderungen der Zukunft in diesem Bereich zu beschäftigen, versuchen Sie sich an Legendenbildung und Vergangenheitsbewältigung und verweigern sich jeglichen Veränderungen, die in den vergangenen Jahren stattgefunden haben.
(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)
Vom Pariser Klimaschutzabkommen bis zum Kohlekompromiss – all das sind Dinge, die Veränderungen herbeigeführt haben. Sie beschäftigen sich aber immer nur mit der Vergangenheit, anstatt zu schauen, was in der Zukunft wirklich zu tun ist.
(Armin Laschet, Ministerpräsident: Das machen wir doch gerade!)
–  Nein, Herr Ministerpräsident. Sie behaupten, dass Sie das gerade machen würden, aber in allen Reden zu diesem Thema ging es immer nur darum, was wir Grüne irgendwann mal gemacht und gesagt haben. Das ist wirklich albern.
(Markus Wagner [AfD]: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern! – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU] – Weitere Zurufe)
–  In was für ein Wespennetz habe ich jetzt gerade gestochen?
Kommen wir noch mal zu den Punkten, die Sie hier genannt haben. Es gibt viele Behauptungen, die vorne und hinten einfach nicht stimmen. Ich fange mit dem wichtigsten Punkt an: Es gibt keine Eins-zu-eins-Umsetzung, wie Sie immer behaupten. Monika Düker hat in ihrer Rede eben dargestellt, dass es Umwelt- und Betroffenenverbände gibt, die sich in den letzten Tagen so geäußert haben. Sie antworten darauf trotzig: Doch, ist aber so; wir finden, das ist eine Eins-zu-eins-Umsetzung. – Wo sind wir denn hier? Das ist doch total …
(Armin Laschet, Ministerpräsident: Die Fakten muss man angucken!)
–  Ja, genau, Herr Ministerpräsident, die Fakten. Das ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Im Papier der Kohlekommission steht, dass im Rheinischen Revier bis 2023 drei Gigawatt Kraftwerksleistung abgeschaltet werden sollen. Sie kommen auf 2,8 Gigawatt. Natürlich kann man aufrunden, aber dann kann man nicht sagen, dass es in Nordrhein-Westfalen eine Übererfüllung gebe. Das ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung.
Der nächste Punkt: Wir hören immer, dass es gleichzeitig darum geht, auch die erneuerbaren Energien auszubauen. Das passt einfach vorne und hinten nicht, wir bekommen dazu nur blumige Ankündigungen. Damit das gelingen kann, muss das 65-%-Ziel bis 2030 erreicht werden. Die Kohlekommission hat in ihrem Papier festgehalten, dass man dafür Flächen und klare Vorgaben braucht.
Flächen für Windenergie – und genau das ist das Problem – reduzieren Sie in NordrheinWestfalen um zwei Drittel. Wie wollen Sie damit eine Verdopplung der Windenergie hinbekommen? Das passt einfach nicht, und das ist auch keine Eins-zu-eins-Umsetzung des Kohlekompromisses.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ein weiterer Punkt – auch hier gibt es wieder keine Umsetzung dessen, was die Kohlekommission beabsichtigt hat – ist die Mogelpackung Datteln 4. Ich muss Ihnen ganz klar sagen, dass ein Ausstieg aus der Kohleverstromung nicht mit dem gleichzeitigen Einstieg eines neuen Kraftwerks anfangen kann. Dass dieses neue Kraftwerk – wie Sie es in den vergangenen Tagen und Wochen immer behauptet haben – dazu führt, dass es weniger CO2-Emissionen gibt, wird mittlerweile von der Bundesregierung bestritten: Diese Rechnung könne man so nicht aufmachen.
Es ist nicht ehrlich, wie Sie hier vorgehen. Sie haben einfach versucht, Ihr Ding durchzudrücken, und Sie wollen nicht wirklich etwas für den Klimaschutz tun.
(Henning Rehbaum [CDU]: Warum sind Sie eigentlich gegen effiziente Kraftwerke?)
Abschließend möchte ich noch einmal auf die Dörfer zu sprechen kommen. Leider muss ich wiederholen, dass es aus unserer Sicht einfach unmenschlich ist, was da gerade passiert. Sie haben eben angemahnt, dass wir die Machbarkeit beachten sollen. Wir haben uns das genau angeschaut: Wie viel Kohle liegt noch im Hambacher Tagebau und im Tagebau Garzweiler? Und wie viel brauchen wir noch, um die Kohlekraftwerke im Rheinischen Revier für die nächsten Jahre, bis maximal 2038, mit Kohle zu versorgen?
Selbst mit den Veränderungen, die Sie mit unterschrieben haben und die eine deutliche Verlängerung nach hinten heraus bedeuten, könnte man den Hambacher Wald und die Dörfer retten und hätte gleichzeitig noch genug Kohle aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler zur Verfügung. Das sind Überlegungen zur Machbarkeit, das sind Fakten, mit denen Sie sich auseinandersetzen müssen.
(Zurufe von Bodo Löttgen [CDU] und Henning Rehbaum [CDU])
Stattdessen ziehen Sie sich einfach auf das zurück, was die Bundesregierung sagt. Das haben Sie sich von der Bundesregierung schön bestellt. Sie sagen, dass die Bundesregierung die energiewirtschaftliche Notwendigkeit festgestellt habe, und schieben die Verantwortung auf die Bundesregierung ab. Dabei liegt die Verantwortung hier, und hier müsste diese Frage beantwortet werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Ministerpräsident, Sie haben eben darauf abgezielt – und das möchte ich gerne unterstützen –, dass der Kompromiss dieser Kommission mühsam erarbeitet war. Es war ein von Gewerkschaften, Industrieverbänden, Umweltverbänden und Betroffenenverbänden breit getragener Kompromiss.
Ein Teil der Menschen, die in dieser Kommission saßen und sich lange mit dem Thema beschäftigt haben, sagen Ihnen und der Bundesregierung aber, dass mit dieser Vereinbarung der Kompromiss aufgekündigt wurde. Darauf sagen Sie einfach: Nein. – Damit, mit dieser Aufkündigung gefährden Sie den gesellschaftlichen Frieden in der Region; diesen Schuh müssen Sie sich anziehen.
(Henning Rehbaum [CDU]: Das sehen die Gewerkschaften aber anders!)
Noch viel schlimmer ist, dass Sie damit Ihre eigene Glaubwürdigkeit verspielen. Sie haben vorher immer gesagt, es eins zu eins umsetzen zu wollen. Sie tun es aber nicht.
(Armin Laschet, Ministerpräsident: Das wird eins zu eins umgesetzt!)
–  Nein, Sie tun es einfach nicht.
(Zuruf von der CDU: Doch! – Weitere Zurufe)
Das ist komplett politisch unglaubwürdig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dem müssten Sie sich stellen, und Sie müssten jetzt noch diese Veränderungen herbeiführen, damit es auch wirklich eine Eins-zu-eins-Umsetzung ist. Denn das, was Sie hier machen, ist das nicht.
(Zuruf von der CDU: Doch!)
–  Sie können noch so oft „doch“ sagen wie ein kleines trotziges Kind. Es stimmt einfach vorne und hinten nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)

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