Wibke Brems: „Es geht darum, einen Dialog um die Umsiedlungen zu führen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Berverath, Keyenberg, Kuckum, Lützerath, Oberwestrich, Unterwestrich – diese Dörfer am Tagebau Garzweiler sind die Heimat für Hunderte Menschen. Diese Dörfer sind aber von Zerstörung und Zwangsumsiedlung bedroht. Doch viele Bewohnerinnen sind es leid, dass RWE ihre Heimat zerstört und diese Landesregierung dabei tatenlos zusieht.
Vor mehr als zwei Jahren begann die Kohlekommission ihre Arbeit. Vor eineinhalb Jahren hat sie ihre Ergebnisse vorgestellt. Mit der Umsetzung danach haben sich Bundes- und Landesregierung einfach Zeit gelassen, als wenn die Zeit nicht drängen würde, als wenn es keinen fortschreitenden Tagebau und keinen Klimawandel gäbe.
In dieser Zeit hat RWE einfach weiter Fakten geschaffen. Manheim wurde fast vollständig abgerissen. Bäume wurden gefällt. In Morschenich wurden Häuser zerstört und der Friedhof umgesetzt. Der Tagebau rückte bis fast an die Wurzeln des Hambacher Waldes heran. Und schließlich, in den letzten Wochen, konnten wir alle beobachten, wie RWE die L277, die Verbindung zwischen Lützerath und Keyenberg, abgerissen hat.
Die vorzeitige und nun vollkommen unnötige Umsiedlung und der teilweise Abriss von Morschenich sowie die Erkenntnisse, die wir im Kampf um den Hambacher Wald gewonnen haben, sollten doch allen eine Mahnung sein. RWE behauptet immer wieder, dass jetzt Bäume gefällt werden müssen und sofort Häuser und Straßen abgerissen werden müssen, weil sonst die Kraftwerke stillstehen.
Sie haben das – das haben wir beim Hambi doch beobachtet – auch beim Hambi jahrelang behauptet und auf Abholzung gepocht. Aber als Gerichte das verhindert haben, standen die Kraftwerke nicht still. Ich kann einfach nicht verstehen, wie irgendjemand diesem Konzern noch ein Wort glauben kann.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber diese Landesregierung macht dieses Spiel sogar mit. Dabei wäre es die Aufgabe und die Verantwortung dieser Landesregierung und dieses Ministerpräsidenten, den sozialen Frieden in der Region wiederherzustellen. Statt jedoch für sozialen Frieden zu sorgen, statt zu versuchen, die Dörfer zu retten, statt unabhängig errechnen zu lassen, wie viel Kohle wirklich noch verbrannt werden kann, hat sich dieser Ministerpräsident einfach etwas in Berlin bestellt, und zwar die Festschreibung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit von Garzweiler im Bundesgesetz. Er will es sich bequem machen und darauf verweisen, dass der Bundesgesetzgeber das festgestellt habe und er da gar nichts machen könne.
Das ist einfach nur feige. Denn er zieht sich aus der Verantwortung. Wir lassen ihm das ganz sicher nicht durchgehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, für eine Leitentscheidung, die sozialen Frieden schafft und klimapolitisch verantwortbar ist, müssen Sie sich deutlich mehr Mühe geben, sich eingehend mit dem Thema auseinandersetzen und nicht einfach die Planungen von RWE ungeprüft übernehmen. Denn das ist genau das, was gerade ansteht. Sie müssten jetzt parallel dazu ein unabhängiges Gutachten erarbeiten, wie groß der energiewirtschaftlich notwendige und – das ist nicht zu verachten – klimapolitisch verantwortbare Restkohlebedarf wirklich ist, und sich nicht einfach auf RWE verlassen.
Sie müssen verhindern, dass der Hambacher Wald verinselt wird, nur weil es für RWE einfacher ist, den Abraum aus dem Gebiet des Ortes Manheim zu holen, anstatt zu gucken, welche Alternativen es gibt.
Sie als Landesregierung sollten dafür sorgen, dass im Hambacher Wald Ruhe einkehren kann, indem nämlich der Wald in öffentlichen Besitz übergeht.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Loose [AfD])
Und schließlich geht es darum, die Verantwortung für den sozialen Frieden zu übernehmen, indem Sie für ein Abrissmoratorium sorgen. Es ist doch klar, dass Gerichte entscheiden werden, wie es letztendlich um die Dörfer stehen wird, wie es letztendlich weitergeht. Solange das nicht entschieden ist, sollten nicht einfach weiter Fakten geschaffen werden. Es ist Ihre Verantwortung, da für Ruhe zu sorgen und die entscheidenden Akteure vor Ort mitzunehmen.
Das alles, Herr Ministerpräsident, Herr Minister, liebe Landesregierung, ist Ihre Verantwortung als gewählte Vertreter der Menschen in diesem Bundesland. Den Menschen in der Region sind Sie genau das schuldig.
Genau diese Punkte haben wir hier heute in unserem Antrag vorgelegt. Sie haben ja Ihre angekündigte Leitentscheidung nach hinten geschoben, sodass Sie vor der Kommunalwahl der Region nicht mehr sagen müssen, wo es denn hingehen soll.
(Zuruf von der CDU)
Auch das ist ein feiges Vorgehen. Sie müssen endlich sagen, wo es hingehen soll. Sie müssen die Verantwortung übernehmen.
Daher appelliere ich eindringlich an Sie: Schauen Sie sich ehrlich und ernsthaft unseren Antrag an, und stimmen Sie ihm zu. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Plonsker, Sie wollen lieber über Zukunft reden statt über Zerstörung, doch ich muss Ihnen ganz klar sagen: Für viele Menschen ist es nun einmal bittere Realität, dass ihre Heimat zerstört wird.
Wenn Sie das hier nicht hören wollen, tut es mir leid, doch dann verschließen Sie einfach nur die Augen vor dieser Realität. Das ist jedenfalls nicht unsere Art, Politik zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte noch kurz auf einen Punkt eingehen, den Kollege Schnelle eben genannt hat. Er hat auf die Kurzintervention meiner Kollegin Düker geantwortet, dass die Kohlekommission beschlossen hätte, dass die Umsiedlungen sozialverträglich gestaltet werden.
Ich greife gern auf, was Herr Minister Pinkwart gesagt hat: Es lohnt manchmal, einen Blick in den Originaltext zu werfen. Ich zitiere nicht nur ungefähr, sondern haargenau daraus. Auf Seite 63 steht:
„Darüber hinaus bittet die Kommission die Landesregierungen, mit den Betroffenen vor Ort in einen Dialog um die Umsiedlungen zu treten, um soziale und wirtschaftliche Härten zu vermeiden.“
Ich möchte klar herausstellen: Es geht nicht darum, dass die Umsiedlungen stattfinden und wie sie stattzufinden haben, sondern es geht darum, einen Dialog um die Umsiedlungen zu führen.
Diesen Versuch haben Sie noch nicht einmal gemacht. Die Kohlekommission hat nämlich nichts dazu gesagt, wie genau das Abbaggern funktionieren soll, wie genau die Umsiedlungen entschieden werden sollen oder sich mit den Tagebauen beschäftigt. Das interpretieren Sie alles nur hinein; das passt einfach vorne und hinten nicht. Sie hantieren hier mit Unwahrheiten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Freynick?
Wibke Brems (GRÜNE): Ja. Herr Freynick, bitte.
Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Freynick.
Jörn Freynick (FDP): Liebe Kollegin Brems, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben bisher noch nichts dazu gesagt, inwieweit Sie bereit sind, die Ergebnisse der Kohlekommission anzuerkennen und auch umzusetzen. Können Sie jetzt vielleicht einmal klar sagen, ob Sie nun die Ergebnisse umsetzen wollen und voll dahinterstehen, oder ob Sie es anders sehen? Das würde mich interessieren. – Vielen Dank.
(Beifall von der FDP und der CDU)
Wibke Brems (GRÜNE): Sie hätten einfach nur ein bisschen geduldiger sein müssen.
(Zuruf von der FDP)
– Doch, weil genau das jetzt kommt.
(Henning Höne [FDP]: Jetzt kommt das entschiedene Nein!)
– Ich sage ganz klar etwas dazu; natürlich.
(Zurufe von der FDP)
– Sind Sie jetzt alle so aufgeregt?
(Henning Höne [FDP]: Wir können es nicht erwarten! Wir freuen uns!)
– Sie freuen sich drauf? – Ich mich auch.
Der Kohlekompromiss wurde ehrlich gesagt nicht von uns infrage gestellt, sondern von der Bundesregierung und dieser Landesregierung.
(Daniel Sieveke [CDU]: Nein!)
– Genau das ist der Fall.
(Zurufe von der CDU)
Ich zitiere gerne noch einmal, was auch Kollege Klocke eben gesagt hat. Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin, hat im Bundestag gesagt: Eine Eins-zu-eins-Umsetzung war nie versprochen. – Sie alle reden hier davon, das sei eine Eins-zu-eins-Umsetzung.
Die Mitglieder der Kohlekommission, die im Umweltbereich tätig sind, haben ganz klar gesagt: Was im Kohleausstiegsgesetz steht, hätten wir so nie mitgemacht. –
Das heißt, der Pfad der Bundesregierung, auf den Sie sich beziehen, ist nicht der Stilllegungspfad der Kohlekommission. Den haben nicht wir aufgekündigt, sondern das waren Sie und diese Bundesregierung.
(Zuruf von der CDU: Nein!)
Deswegen lassen wir uns das nicht anhängen.
(Jörn Freynick [FDP]: Ganz stark!)
Die Frage ist doch einfach, ob Sie das, was die Bundesregierung …
(Unruhe – Glocke des Präsidenten – Zuruf von der CDU)
– Sie und auch der Minister haben eben zitiert, im Bundesgesetz sei die energiewirtschaftliche Notwendigkeit dargestellt. Das haben Sie sich doch bestellt. Das ist doch einfach nur bequem.
Aber Sie müssen auch da genau hinsehen, denn auch darin ist zu lesen, dass es innerhalb der Grenzen der Leitentscheidung 2016 ist. Das heißt, Sie könnten davon abweichen; das werden Sie an kleineren Stellen voraussichtlich auch tun.
Stattdessen aber könnten Sie auch die Tonnagen nicht einfach nur blind von RWE übernehmen, sondern wirklich Berechnungen durchführen, wie viel Kohle wir brauchen. Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass der Hambacher Wald und die Dörfer gerettet werden können.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Genau das wäre Ihre Verantwortung. Das wäre Ihre Aufgabe, die Sie hier zu erledigen haben, anstatt einfach nur blind RWE hinterherzulaufen.
(Beifall von den GRÜNEN)

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