Wibke Brems: „Erneuerbare sind die Zukunft. Das hat E.ON verstanden, nur leider die Bundesregierung immer noch nicht.“

Aktuelle Stunde auf Antrag von CDU und Piraten zu E.on

Portrait Wibke Brems 5-23

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Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ein bisschen anders anfangen. Ich bin der Meinung, die Hauptursache, die die großen Energieriesen in Finanznöte gebracht haben, ist nicht die Energiewende, die sie verschlafen haben, sondern die verpasste Digitalisierung. Warum? Na ja, große Strukturen, große Unternehmen unterliegen einem gewissen Risiko, an Altbewährtem zu lange festzuhalten, sich nicht auf neue Entwicklungen einzulassen und vielleicht auch etwas zu träge zu sein.
Die Physik kennt dieses Prinzip übrigens auch. Dort heißt es Trägheitsgesetz. Ein Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, solange die Summe aller auf ihn einwirkenden Kräfte null ist.
(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ich bin begeistert!)
Mit anderen Worten: Eine Änderung des Bewegungszustands ist immer erst über die Ausübung einer Kraft von außen möglich.
(Lukas Lamla [PIRATEN]: Fünfte Klasse!)
Die Energieversorger auf der ganzen Welt stehen schon Jahre anderen Kräften von außen gegenüber. Diese haben sie verändert. Sie stehen vor Herausforderungen.
Das sind zum Beispiel Verbraucherinnen und Verbraucher, welche immer mehr zugeschnittene Lösungen verlangen. Denn was wir als Kundinnen und Kunden eigentlich brauchen, ist eine warme, beleuchtete Wohnung, ein laufender PC, ein kalter Kühlschrank fürs Bier, aber nicht so sehr das Produkt „Strom“ oder das Produkt „Gas“. Das heißt, darin liegen die zukünftigen Ausrichtungen von Unternehmen.
Eine weitere Herausforderung: Die Erzeugung liegt nicht mehr nur noch in der Hand weniger großer Unternehmen. Denn aufgrund der erneuerbaren Energien und einer Entwicklung zu kleineren flexibleren fossilen Anlagen sind immer mehr Stromerzeuger am Markt unterwegs.
Diese Entwicklung sehen wir auf der ganzen Welt und nicht ausschließlich in Deutschland.
Um Deutschland herum hat es als Antwort darauf schon intelligente Vernetzungen von Erzeugung und Verbrauch gegeben und Einzug gehalten. In Italien, Skandinavien, den Benelux-Staaten, den USA und im vielen weiteren Ländern kommen nicht nur intelligente Zähler zum Einsatz, sondern intelligente Verbrauchssteuerungen, eine Lastspitzenabsenkung und auf Verbraucherinnen und Verbraucher zugeschnittene Lösungen sind dort gang und gäbe.
Und was ist in Deutschland? In Deutschland haben wir gleichzeitig immer noch bis zu hundert Jahre alte Zähler in unserem Keller und unsere Energieversorger setzen auf alte Kraftwerkstechnik, sie lassen sogar verlautbaren, dass es ohne die alte konventionelle Technik niemals gehen wird.
Ich sage Ihnen dazu: Auch vermeintliche Experten können sich irren. 1995 sagte Bill Gates: Das Internet ist nur ein Hype. – Das als Vergleich.
Noch Ende der 80er-Jahre redeten die großen Energieversorger der Bundesregierung und irgendwie auch uns allen ein, technisch sei es nicht möglich, mehr als 4 % ,erneuerbare Energien im deutschen Strommix zu haben. Sie sind eines Besseren belehrt worden. Den gleichen Leuten sollen wir nun heute glauben, eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien sei technisch nicht möglich? Ich finde, eine solche Einstellung ist technikfeindlich. Wir Grünen glauben an die neuen Technologien und setzen uns für sie ein.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf: Bravo!)
Nun, einer der vier großen Energieversorger schickt sich jetzt an zu beweisen, dass er den Dreh noch bekommt. E.ON will sich auf die Zukunftsbranchen konzentrieren, und das sind die von mir eben genannten: die erneuerbaren Energien und Kundenlösungen, eine Digitalisierung. Das Signal, das davon ausgeht, finde ich zunächst positiv, stellte doch Vorstandsvorsitzender Teyssen bei der Pressekonferenz am Montag fest: Die neuen Bereiche sind die, die schneller wachsen. – Und Wachstum, Herr Brockes, ist eigentlich bisher etwas gewesen, was die FDP gut fand. Dass Sie jetzt an dieser Stelle die größte Skepsis haben, finde ich schon erstaunlich. Mit diesen Wachstumsbereichen möchte die bekannte Marke E.ON nun verbunden werden.
Herr Kufen, auch Ihnen möchte ich noch sagen: Natürlich ist es eine wirtschaftliche Entscheidung von E.ON. Erneuerbare sind die Zukunft. Das hat E.ON verstanden, nur leider Ihre Bundesregierung immer noch nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu dem Thema, ich würde hier Vorschriften machen: Ich würde es persönlich den anderen Großunternehmen für ihre eigenes Überleben und auch den davon betroffenen Menschen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wünschen, sie würden sich ähnlich zukunftsfähig ausrichten und weitergehende Zukunftsentscheidungen treffen.
Aber mit dieser Entscheidung alleine geht noch nicht ein weiteres Kohle- oder Atomkraftwerk schneller oder früher vom Netz. Es werden auch keine Arbeitsplätze damit reduziert, das haben wir eben in der Diskussion schon gehört.
Eine Besorgnis bleibt trotzdem bestehen. Die Frage ist: Stiehlt sich eventuell ein Unternehmen aus der Verantwortung, die es hat, weil Jahrzehnte lang mit Kohle und Atom viel Geld verdient wurde, aber nun beim drohenden Ende unabsehbare Kosten anfallen? Denn mit Kohle und Atom wurden Milliarden in den letzten Jahrzehnten verdient, und zwar auf unserer aller Kosten. Das darf nicht noch weiter ausgeweitet werden.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Ich bin erfreut, dass wir mit dieser Besorgnis nicht alleine sind und diese von CDU und den Piraten geteilt werden. Die Sorgen der FDP sind hier an dieser Stelle jenseits von Gut und Böse.
Sehr geehrte Damen und Herren, einzelne Aspekte der Entscheidung von E.ON sind in ihren Auswirkungen noch nicht klar und auch nicht die Frage, wie den Befürchtungen politisch zu begegnen ist. Das werden die nächsten Jahre erst zeigen.
Ich wünsche E.ON viel Erfolg mit dieser Entscheidung. Ich wünsche der neuen Gesellschaft viel Erfolg beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Ich finde, dass E.ON der Großen Koalition zeigt, wo die Zukunft liegt, wo Wachstum notwendig ist und passiert: in der Digitalisierung der Energiewirtschaft, bei den intelligenten Netzen und Lösungen und bei den erneuerbaren Energien.
Es wäre endlich an der Zeit, dass auch die Große Koalition die Kurve kriegt. Denn der Stillstand, den wir aktuell erleben, kostet uns alle Innovationskraft und Arbeitsplätze in Deutschland und Nordrhein-Westfalen und damit muss Schluss sein. Wir brauchen endlich eine echte Energiewende, die angegangen wird. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

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