Wibke Brems: „Eine Lehre aus dem Ruhrgebiet ist, dass wir nicht nur an die Bergmänner denken müssen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Zukunft des Rheinischen Reviers

Portrait Wibke Brems 5-23

 Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen ein kleines Angebot machen: Heute müssen wir uns einmal nicht darüber streiten, wann der Kohleausstieg nun kommen wird; denn es ist definitiv klar, dass er kommen wird. Wir müssen vielmehr heute darüber reden, wie wir damit umgehen wollen.
Ich bin der Meinung, wir sind der Meinung, dass wir uns zunächst das Ruhrgebiet anschauen und unsere Lehren daraus ziehen müssen. Dort ist Folgendes passiert: Der Niedergang der Steinkohleförderung war unvermeidlich, und leider wurde gerade von den großen Parteien immer weiter hinausgezögert, den Menschen vor Ort die Wahrheit zu sagen: Hier ist irgendwann Schluss, und wir müssen gucken, wie wir damit umgehen. – Das darf im Rheinischen Revier nicht weiter geschehen. Leider ist das aktuell weiterhin der Fall.
Eine wichtige Lehre aus dem Ruhrgebiet ist zu ziehen, und zwar, dass kein Bergmann ins Bergfreie fallen darf. Das muss auch im Rheinischen Revier gelten, und das ist absolut wichtig. Ich muss aber auch sagen, dass das allein leider nicht ausreicht; denn die Lehre aus dem Ruhrgebiet ist eben auch, dass wir nicht nur an die Bergmänner denken müssen, sondern auch an alles, was darum herum und danach kommt. Deswegen brauchen wir für das Rheinische Revier eine Perspektive, eine Gesamtidee. Und da reicht das, was von der Landesregierung kommt – 30 Projekte bzw., wenn man den Verkehr hinzuzählt, 50 Einzelprojekte –, einfach nicht aus. Wir brauchen eine Gesamtidee, und da muss die Landesregierung endlich ihre Hausaufgaben machen.
Ich möchte kurz unsere Ideen für das Rheinische Revier vorstellen. Wir finden, dass wir uns an Leitlinien und nicht nur an einzelnen Projekten orientieren sollten. Das wichtigste ist für uns, die Region als Ganzes im Blick zu behalten. Wenn wir uns anschauen, wie diese Region zusammengesetzt ist – aus vier Landkreisen, einer kreisfreien Stadt, 44 Kommunen, zwei zuständigen Bezirksregierungen, zwei Verkehrsverbünde usw. –, dann sehen wir, dass wir es mit sehr vielen Akteuren zu tun haben, die sehr viele Kompetenzen haben. Wir müssen aber auch darauf achten, dass diese Kompetenzen gebündelt werden. Es muss mit dem Kleinklein Schluss sein. Es darf nicht nur jeder an sich denken. Wir brauchen eine Gesamtstrategie.
Deswegen fordern wir zum Beispiel eine Taskforce für Raumplanung, Flächenmanagement und Verkehrsinfrastruktur; denn es muss daran gedacht werden, dass die kommunalen Planungsprozesse unterstützt und Planungen vereinfacht werden. Das wäre eigentlich auch in Ihrem Sinne. Gleichzeitig darf man aber auch nicht vergessen, dass eine nachhaltige, flächensparende Flächenentwicklung in der Region nötig und wichtig ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die zweite Leitlinie, an der sich das Rheinische Revier unserer Meinung nach in Zukunft orientieren sollte, ist, den Wandel mithilfe von Digitalisierung zu erleichtern. Das ist zwar ein Punkt, bei dem wir gemeinsam in großen, groben Linien einer Meinung sind, ich sehe aber Folgendes bei dieser Landesregierung nicht: Wir fordern ganz konkret ein Netzwerk „Digitales Revier“; denn gerade Zulieferunternehmen, die bisher hauptsächlich mit RWE gearbeitet haben, brauchen Hilfe bei der Umstellung in die Zukunft, in die Digitalisierung. Sie müssen mit Start-ups und mit dem Handwerk vernetzt werden.
Das alles muss ein Netzwerk leisten. Für uns gilt da das Netzwerk „it’s OWL“ als gutes Beispiel. Dort arbeiten konkurrierende Firmen zusammen daran, dass es eine gemeinsame Leitlinie gibt, dass man sich fortentwickelt und die Region nach vorne bringt. Das muss Leitlinie sein. Das muss diese Landesregierung auch im Rheinischen Revier unterstützen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die dritte Leitlinie ist für uns der große Bereich Infrastruktur. Denn das ist die Grundvoraussetzung. Wenn wir uns angucken, was die Tagebaue mit der Region – man muss sagen – angerichtet haben: Sie haben bestehende Verbindungen zwischen den Kommunen gekappt. Die Tagebaurandkommunen sind für Jahrzehnte benachteiligt. Diese Benachteiligung muss man aufheben. Deswegen ist eine unserer Hauptforderungen auch, dass gerade Breitband und 5G bei diesen Tagebaurandkommunen anfangen müssen, und zwar innerhalb von kürzester Zeit.
Ein zweiter Aspekt ist dabei, dass wir ein ganzheitliches Verkehrskonzept für die ganze Region brauchen, und zwar ausgerichtet auf Fahrrad, auf Bus und auf Bahn. Beispielsweise bei den alten, dann irgendwann nicht mehr notwendigen RWE-Trassen, was Nord-Süd-Bahn und Hambachbahn angeht, müssen wir jetzt schon anfangen, zu überlegen: Wie können wir die mit der Nachnutzung in Einklang bringen?
Im Bereich Infrastruktur bringt die Region wirklich ideale Voraussetzungen mit allem, was wir heute Morgen auch schon gehört haben, bei der Elektromobilität, aber eben auch mit der Teststrecke in Aldenhoven. Diese Region soll nicht nur austesten, sondern hier soll wirklich eine Modellregion sein für die autonome Elektromobilität. Genau das ist die Zukunft dieser Region.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dann soll natürlich das Rheinische Revier auch weiter Energieregion bleiben. Aber das bleibt es nur, wenn es eben digitale Energiewenderegion ist. Dafür müssen wir uns schon jetzt damit beschäftigen: Wie geht es eigentlich mit den Kraftwerksstandorten weiter? Wo können da vielleicht Gaskraftwerke hingestellt werden? Wo können auch Projekte, die neuere Ideen umsetzen, vorgestellt werden? Welche Standorte werden aber auch nicht mehr gebraucht und können vielleicht jetzt schon weiterentwickelt werden? In der Region ist noch sehr viel zu tun, um diese Region als Pilotregion voranzutreiben, was die digitale Energiewende angeht.
Das, was die Landesregierung da leider vorhat, ein Blockchain-Institut, ist nicht ausreichend. Wir brauchen da ein Forschungsinstitut, das interdisziplinär auf Technik und auf Akzeptanzforschung setzt. Das ist viel breiter angesetzt. Genau das bräuchten wir in Verbindung mit einem Regionalbüro, das die Zielsetzungen für die Region zusammenhält.
Dann kommen wir zum fünften Punkt. Den vergisst diese Landesregierung leider viel zu häufig. Strukturwandel und Naturschutz müssen miteinander vereinbart werden. Denn die Tagebaue haben dazu geführt, dass in der Region Artenvielfalt verlorengegangen ist. Die muss mit einem Verbund an Naturschutzflächen wiederhergestellt werden. Dabei muss auch der Hambacher Wald eine Rolle spielen und mit eingebunden werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Unternehmen RWE hat auch eine Verantwortung, für die Mitarbeitenden, aber auch was die Ewigkeitslasten angeht. Das ist ein Thema, das wir hier angehen müssen, das nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden kann.
Das sind Punkte, die wir ganz klar fordern.
Die Landesregierung muss ihre Hausaufgaben machen. Die Landesregierung muss ihre Blockadehaltung, was den Kohleausstieg und die weitere strukturelle Entwicklung der Region angeht, aufgeben. Denn dann kann die Region wirklich lebenswert, innovativ und klimafreundlich werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von 
Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Einen Satz muss ich zum Abschluss doch noch sagen: Ich danke für die vielen differenzierten Aussagen.
Aber an einer Stelle zieht sich die Aussage durch die Redebeiträge der anderen Fraktionen, dass ein erfolgreicher Strukturwandel Zeit brauche. So generell kann ich diesen Satz natürlich unterstützen, aber ich möchte sagen: Sie haben seit Jahren diese Diskussion um einen Kohleausstieg verweigert und haben damit diese Entscheidung immer weiter hinausgezögert, sodass wir jetzt vor dieser zeitlich drängenden Situation stehen.
(Zurufe von Ralf Witzel [FDP] und Josef Hovenjürgen [CDU])
Dass wir diese Diskussion diese Notwendigkeit anmahnen, tun wir – und das schon seit Jahren – auch im Sinne der Beschäftigten.
(Ralf Witzel [FDP]: Was haben Sie denn für eine Leitentscheidung getroffen? – Josef Hovenjürgen [CDU]: 16! – Weitere Zurufe)
Da reiche ich Ihnen, Herr Brockes, beispielsweise auch gern die Nachweise nach, genauso wie die Nachweise, die Sie für die entsprechenden Studien eingefordert haben. Das gebe ich Ihnen gern noch mit, damit wir dann im Ausschuss auch auf der fachlichen Debatte …
(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben doch entschieden: 2045! – Dietmar Brockes [FDP]: Die Leitentscheidung ist doch auf dem Platz! – Weitere Zurufe – Glocke)
Präsident André Kuper: Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte!
Wibke Brems (GRÜNE): Okay, ich scheine mal wieder irgendwo in irgendein Nest gepiekt zu haben.
(Zuruf von der FDP: Frau Düker!)
Ich möchte Ihnen anbieten, die Nachweise nachzuliefern, wie wir in den letzten Jahren auch im Sinne der Beschäftigten angemahnt haben, dass wir frühzeitig über den Kohleausstieg sprechen müssen. Das müssen wir weiterhin tun. Aber hier geht es ganz konkret um den Strukturwandel. Ich freue mich auf die Debatte. – Danke schön.

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