Wibke Brems: „Eine gute Entscheidung für die Menschen, für Umwelt und Klima, für die Wirtschaft, für das Rheinische Revier und für Nordrhein-Westfalen“

Zur Unterrichtung der Landesregierung zur neuen Leitentscheidung zum Braunkohleabbau

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die neue Leitentscheidung ist eine klare Entscheidung für das Klima, für den Erhalt von Heimat, für den Strukturwandel und für die Erholung der Natur im Rheinischen Revier.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vor gut einem Jahr haben Mona Neubaur und Robert Habeck zusammen mit RWE die politische Vereinbarung zum vorzeitigen Ende des Kohleabbaus im Rheinischen Revier erreicht. Jetzt setzt die schwarz-grüne Landesregierung mit der Leitentscheidung ihren Teil der Vereinbarung um. Diese Leitentscheidung ist die letzte Leitentscheidung. Wir schließen das Kapitel der Braunkohle in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es ist ein langes Kapitel, auch mit einem langen Ende. Allein wenn ich zurückschaue in die Zeit, in der ich hier im Landtag bin: Im Jahr 2010 haben wir mit der SPD zusammen als Maximum im Koalitionsvertrag vereinbaren können, dass es keine neuen Tagebaue geben werde.

Ein paar Jahre später konnten wir das erste Mal gemeinsam einen genehmigten Tagebau verkleinern. Damit war klar: Im Tagebau Garzweiler blieben 400 Millionen t Braunkohle unter der Erde. 1.400 Menschen behielten ihre Heimat. – Das war der erste Schritt in Richtung Kohleausstieg, aber es blieb eben damals beim Ende des Tagebaus im Jahr 2045.

2019 schaffte die Kohlekommission den historischen Schritt: die Vereinbarung über Lagergrenzen hinweg, den Kohleausstieg um sieben Jahre auf spätestens 2038 vorzuziehen. Wenn es nach der letzten Leitentscheidung aus dem Jahr 2021 gegangen wäre, hätten die Menschen in den fünf Dörfern und drei Feldhöfen noch bis 2026 um ihre Zukunft bangen müssen.

Wenn es nach RWE gegangen wäre, wäre nach dem Abriss des Immerather Doms im Jahr 2018 als Nächstes die Heilig-Kreuz-Kirche in Keyenberg, die Herz-Jesu-Kirche in Kuckum und St. Josef in Berverath dran gewesen, aber es ist zum Glück anders gekommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Menschen in den fünf Dörfern Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath sowie die Bewohnerinnen und Bewohner von Eggeratherhof, Roitzerhof und Weyerhof können in ihrem Zuhause bleiben. Sie können ihre Heimat zu Orten der Zukunft machen. Ihre jahrelange Unsicherheit ist vorbei. Nach der ersten Verkleinerung im Jahr 2016 behalten nun weitere 500 Menschen ihre Heimat, und 280 Millionen t Braunkohle bleiben unter der Erde.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vor weniger als zehn Jahren, so meine Erfahrung, war das Wort „Kohleausstieg“ in diesem Haus noch so etwas wie ein Tabu. Diese heutige Leitentscheidung ist damit aber eben auch ein enormer Erfolg für alle, die sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gegen Umweltzerstörung und Heimatverlust durch Rheinbraun und RWE engagiert haben. Das haben wir geschafft.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Bereits in sieben Jahren wird der Kohleausstieg nun Wirklichkeit. Der Umbau der bisherigen Abbauflächen mit mehr erneuerbaren Energien, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und einer Natur, die sich erholen kann, wird dagegen noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Wir Menschen haben mit unserem Hunger nach Energie den Boden auf links gedreht und das Antlitz der Region für immer verändert: Hunderte Meter tiefe Löcher, gekappte Wegeverbindungen, die Absenkung des Grundwasserspiegels mit Bergschäden und Herausforderungen bei der Trinkwasserversorgung als Folgen, dauerhaft mit Wasser zu versorgende Feuchtgebiete und Flüsse, die ihre Fließrichtung geändert haben – diese Auswirkungen sind selbst dann noch nicht immer richtig begreifbar, wenn man sie vor Ort sieht. Diese Auswirkungen werden noch Generationen beschäftigen.

Wir legen heute mit dieser Leitentscheidung die Grundlagen für den Umgang mit diesen Auswirkungen nach bestem Wissen und Gewissen, denn allein die Befüllung der Restseen wird viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Wer von uns, die heute in diesem Raum sind, überhaupt diese befüllten Restseen noch erleben wird, ist auch fraglich. Auf dem Weg dorthin wird es zu vielen unvorhersehbaren Fragestellungen kommen, denn die Befüllung von durch Menschen geschaffenen, mehrere Hundert Meter tiefen Löchern ist bisher einzigartig in der Welt.

Neben den Auswirkungen auf die Wasserwirtschaft haben die Tagebaue auch in die Natur tiefe Schneisen geschlagen. Daher ist es ein Meilenstein, dass mit dieser Leitentscheidung erstmals ein Ökosystemverbund angestrebt wird, der einen substanziellen Beitrag für einen landesweiten Biotopverbund leistet, denn eine intakte Natur – in diesem besonderen Fall wiederhergestellte Natur – ist die Lebensgrundlage von uns allen. Dieser Region, der in den vergangenen Jahrzehnten so viel genommen wurde, wird nun wieder Natur und damit Lebensqualität zurückgegeben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Menschen, Natur – dann fehlt jetzt noch die wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Diese Leitentscheidung setzt den Rahmen für den Strukturwandel in der Region. Zukunftsfähige Arbeitsplätze sind die Voraussetzung für eine prosperierende Region mit innovativen und nachhaltigen Entwicklungsperspektiven. Das Rheinische Revier hat dafür die richtigen Voraussetzungen. Diese Landesregierung unterstützt die Region bei dieser großen Aufgabe mit ganzer Kraft.

Das Rheinische Revier hat zudem gute Voraussetzungen, um von einem Kohlerevier zu einem erneuerbaren Revier zu werden. Das ist ebenso ein wichtiger Faktor für einen funktionierenden Strukturwandel wie die Verkehrsinfrastruktur.

Über Jahrzehnte waren Verkehrsverbindungen gekappt. Die veränderten endgültigen Tagebaurinnen erfordern jetzt zudem, die bisherigen Verkehrsplanungen dringend anzupassen. Schieneninfrastruktur und Radverkehr werden ausgebaut. Ich bin erleichtert, dass die Wiederherstellung der A 61 zwischen Mönchengladbach und Titz damit wirklich endgültig vom Tisch und damit der Weg frei ist für die Interessen der Tagebauanrainerkommunen.

Das Rheinische Revier sollte jetzt seine Chance nutzen und eine zukunftsfähige nachhaltige Verkehrsinfrastruktur aufbauen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich muss einmal ganz kurz auf die SPD eingehen, wie wir sie heute hier gehört haben. Die heutige Diskussion im Vergleich dazu, wie wir noch 2022 diskutiert haben, zeigt eindrücklich, finde ich, den Wandel der SPD. Zur Leitentscheidung 2021 hat damals Herr Kämmerling gesprochen, meist sachlich, zwar auch mit Kritik am Verfahren, die wir heute auch gehört haben, aber keiner grundsätzlichen Kritik.

Diese heutige Leitentscheidung baut an vielen Stellen auf der Leitentscheidung von 2021 auf. Was wir heute gehört haben, war ein Ablenkmanöver nach dem anderen. Kaum Inhalt zu dieser Leitentscheidung!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Elisabeth Müller-Witt [SPD]: Dann halten Sie sich doch mal den Spiegel vor!)

Weil Sie gerade konkret angesprochen haben, dass die Beteiligung gefehlt hat, zum Beispiel von Gewerkschaften: Es gab eine Veranstaltung, zu der Gewerkschaften eingeladen und die teilweise auch da waren. Von daher frage ich mich schon, ob die Verbindungen der SPD zur Gewerkschaft wirklich so gut sind, wenn Sie das noch nicht mal wissen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Auch das Ablenkmanöver zum Ausbau der erneuerbaren Energien: Da haben Sie ja recht. Natürlich, wir brauchen den starken Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn wir wollen nicht nur aus der Kohle aussteigen, wir wollen noch mehr in die erneuerbaren Energien einsteigen. Das ist dringend nötig, und daran arbeitet diese Landesregierung, und es zeigt ja auch schon erste Erfolge.

Ich muss Ihnen an der Stelle sagen: Laute Meinung ist eben kein Maßstab für gute Politik.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Diese letzte Leitentscheidung bildet die Grundlage für die wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung des Rheinischen Reviers für die nächsten Generationen. Auf dieser Grundlage wird nun der Braunkohlenausschuss in Rekordzeit die konkreten Planungen durchführen und damit noch mehr Klarheit schaffen.

Mit dieser Leitentscheidung setzen wir als schwarz-grüne Koalition ein zentrales Vorhaben um. Wir halten unser Versprechen. Das ist eine gute Entscheidung für die Menschen, für Umwelt und Klima, für die Wirtschaft, für das Rheinische Revier und für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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