Wibke Brems. „Diese Landesregierung wartet einfach ab, anstatt sich an die Spitze zu stellen und diese Transformation zu gestalten“

Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zur CO"-Bepreisung

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, dass die CDU-SPD-Koalition im Bund heillos zerstritten ist, ist allgemein bekannt. Besonders deutlich wird das, wie ich finde, am Beispiel der Klimapolitik – ein Bereich, in dem wir viel mehr brauchen als nur Bekenntnisse und der dringendes Handeln erfordert. Wir haben das eben gehört.
Aber es braucht wirklich dieses Handeln und nicht einfach nur Streit. Wir haben in Deutschland eine Verantwortung für zukünftige Generationen und für Menschen in anderen Regionen, die schon heute massiv unter dem Klimawandel leiden. Hier muss Deutschland aktiv werden, und diese Bundesregierung muss endlich handeln, statt nur Bekenntnisse zu liefern.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Wir müssen sehen, dass es in der Bundesregierung leider ab und an zu einer Ankündigung kommt, aber dann kommt eben nichts mehr.
Im Koalitionsvertrag ist einiges angekündigt. Ich fange einmal mit den drei Kommissionen an, die in den Bereichen Energieversorgung, Verkehr und Gebäude Vorschläge zur Treibhausgasreduktion erarbeiten sollten:
Die ersten Vorschläge der Arbeitsgruppe zum Klimaschutz in der Mobilität wurden vom Bundesverkehrsminister direkt mit einem Handstreich einfach weggewischt. Da fragt man sich schon: Warum setzt eine Bundesregierung überhaupt eine Expertenkommission ein, wenn sie sich deren Vorschläge noch nicht mal in Ruhe zu Gemüte führt?
Die zweite Kommission zum Klimaschutz im Gebäudebereich wurde noch nicht mal eingesetzt und soll jetzt dem Vernehmen nach überhaupt nicht mehr kommen. Das halte ich für ein absolutes Armutszeugnis.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die einzige Kommission, die wirklich geliefert hat, ist die Kohlekommission. Genau da kommt dann die Bundesregierung im nächsten Schritt, wo sie handeln müsste, gar nicht in die Pötte. Wir haben schon die ersten Verzögerungen beim Gesetz zu den Strukturfördermitteln. Es ist auch festgelegt worden, dass das Kohleausstiegsgesetz 2020 in Kraft treten soll. Wir haben noch ein halbes Jahr. Wie das durch die Bundesregierung geschehen soll, ist vollkommen unklar.
Dazu muss ich auch ganz klar sagen: Auch diese Landesregierung wartet einfach ab, anstatt sich an die Spitze zu stellen und diese Transformation zu gestalten.
(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)
Sie wartet ab, was die Bundesregierung bringt, was RWE macht, und das ist eines solchen Bundeslandes einfach nicht würdig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Nächste, was im Bund leider nicht läuft, ist das Klimaschutzgesetz. Bisher gibt es einen Referentenentwurf. Es ist keine offizielle Ressortabstimmung erfolgt, sondern nur eine Vorabstimmung mit dem Kanzleramt. Während die Bundesumweltministerin das Rahmengesetz vorlegt, legt der Bundeswirtschaftsminister bei der EU ein windelweiches Einzelmaßnahmen- konzept vor, was dem komplett widerspricht.
Dabei wurde im Koalitionsvertrag zum Klimaschutz vereinbart – ich zitiere –:
„Wir werden 2019 eine rechtlich verbindliche Umsetzung verabschieden.“
Auch da sind nur noch wenige Monate Zeit, und wir sehen nicht, dass es auch nur im Ansatz passiert.
Kommen wir zum Nächsten, der großen Ankündigung eines Klimakabinetts! Was da passiert, ist das nächste Armutszeugnis. Da werden von den einzelnen Ministerien ausschließlich Vorschläge unterbreitet, die es schon längst gibt und vor längerer Zeit vorgestellt wurden. Im Energiebereich sind die Ergebnisse der Kohlekommission das Einzige, was vorgeschlagen wird. – Jetzt muss man aber deutlich darüber hinausgehen und auch bei den erneuerbaren Energien nachlegen.
Scheuer schlägt nur die bereits angekündigte Mehrwertsteuersenkung für Fernreisen vor und sagt, bei Elektroautos müsste man noch mehr tun. Seehofer – das ist schon kurios – sagt, man müsste die energetische Gebäudesanierung steuerlich erleichtern. Vor vier Jahren hat er aber genau das als Ministerpräsident verhindert. – Das sind Vorschläge, die nicht ausreichen und mit denen wir nicht weiterkommen. Dieses Klimakabinett ist leider einfach nur peinlich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zur jetzigen Debatte zur CO2-Bepreisung: Ich finde es gut, dass Bundesumweltministerin Schulze gute und interessante Vorschläge gemacht hat. Es geht ja darum, dass es sich wirklich lohnen muss, dass es positiv sein muss, sich klimafreundlicher zu verhalten, als es nicht zu tun. Es geht auch darum, dass es eine soziale Abfederung geben muss, einen sozialen Ausgleich, weil die entsprechenden Änderungen in den Verhaltensweisen nicht ganz schnell passieren können.
Man muss aber auch sehen, wie die Debatte schon wieder anfängt. Bundeswirtschaftsminister Altmaier stellt sich wieder dagegen, wiegelt ab und sagt: Nein, so geht es nicht.
Und was passiert hier im größten Bundesland mit der CDU? – Vor ein paar Wochen haben wir darüber diskutiert. Kollege Untrieser hat gesagt: Wir haben noch nichts; wir wissen noch nicht. Und auch Herr Hovenjürgen hat das Thema gerade eben wohlweislich vermieden. – Da müssen wir jetzt schon froh sein, dass Sie wenigstens keine klare Absage erteilen. Ich finde es schade. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie auch hier positiv vorangingen und man Signale hätte senden können.
Zu der CO2-Bepreisung möchte ich noch einen wichtigen Punkt nennen, der mir in der Debatte eben ein bisschen zu kurz kam. Es muss klar sein, dass die CO2-Bepreisung ein wichtiges Instrument ist, das wir brauchen, aber es ausschließlich zu verwenden, reicht nicht aus. Es müssen weitere Maßnahmen erfolgen. Man kann nicht an anderer Stelle die Hände in den Schoß legen, sondern alles andere, was ich eben gesagt habe, muss außerdem passieren und darüber hinaus noch mehr.
Ich befürchte einfach, es passiert wieder genau das, was wir an anderen Stellen im Klimaschutz sehen: dass dieser Streit entweder zu Stillstand oder zu einem kruden Ergebnis führt, das beim CO2-Preis keine Lenkungswirkung hat oder so bürokratisch ist, dass keiner mehr durchsteigt. Das wäre wirklich fatal.
Wenn man sich all das anschaut, ist es kein Wunder, dass die Schülerinnen und Schüler weiterhin jeden Freitag – in Köln jetzt sogar die ganze Woche – streiken. Sie fordern, dass gehandelt wird, statt immer nur Bekenntnisse und Ankündigungen abzugeben und sich hinterher zu streiten.
Da hilft es auch wenig, wenn die SPD etwas groß ankündigt, wofür sie – das muss ich leider sagen – dann nicht die Kraft und wahrscheinlich auch nicht den Willen hat, es auch umzusetzen. Das ist doch eine Frage der eigenen Prioritätensetzung. Ich habe das Gefühl, daran fehlt es in Sachen Klima leider auch der SPD.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich würde mir wünschen, dass in den Regierungen nicht immer nur alte Reflexe aufkommen: Einer macht einen Vorschlag macht, den der andere ablehnt, und hinterher gibt es Stillstand. Ich würde mir wünschen, dass jetzt alle über die reinen Bekenntnisse und Erkenntnisse zum Klimaschutz hinaus wirklich ins Handeln kommen, dass wir eine CO2-Bepreisung, schnell ein Kohleausstiegsgesetz, ein Klimaschutzgesetz im Bund und einen Klimavorbehalt in Nordrhein-Westfalen bekommen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was wir eben an Diskussionsbeiträgen gehört haben, war an der einen oder anderen Stelle schon etwas erstaunlich.
Uns wurde vorgeworfen, ich wäre nicht darauf eingegangen, dass in der Energieversorgungsstrategie, die wir gestern diskutiert haben, auch das Thema „CO2-Bepreisung“ vorkommt. – Man kann in sieben Minuten halt nicht auf alles eingehen; jetzt mache ich es gerne.
Ich hab mich gefreut, dass dieses Thema in der Energieversorgungsstrategie vorkommt, auch weil ich ein bisschen davon überrascht war.
Aber das, was wir dann hier von Ihnen gehört haben – nämlich, dass die Energieversorgungsstrategie fundiert sei und es ihr an gar nichts fehle –, kann ich absolut gar nicht unterschreiben.
Wir haben auch gestern schon Kritik daran geäußert, dass in dieser Energieversorgungsstrategie konkrete Maßnahmen, konkrete Zahlen und der Umgang damit fehlen.
Dass man in der Diskussion einen Stein zum Thema „CO2-Bepreisung“ ins Wasser wirft, ist gut und schön, zeigt aber auch, dass es noch an vielen Stellen fehlt.
(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])
Ich möchte auch den Punkt aufnehmen, den der Kollege Sundermann eben aufgegriffen hat: das Angebot der CDU, dass man darüber noch mal miteinander reden könne. – Das nehmen wir natürlich gerne an.
Ich muss aber auch sagen, dass ich vor einigen Monaten Minister Pinkwart von unserer Seite aus angeboten habe, im Vorfeld der Erstellung einer Energieversorgungsstrategie mit ihm zu reden. Das ist leider nicht erfolgt.
(Norwich Rüße [GRÜNE]: Schon interessant!)
Ich finde, das ist keine gute Voraussetzung, um hinterher weitermachen zu können. Aber wir spielen nicht beleidigt. Wenn es gewünscht ist und wenn man über Veränderungen wirklich noch einmal reden kann, sind wir dazu natürlich erst einmal bereit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte noch einmal auf die ganze Debatte um den Emissionshandel kommen. Das hört sich erst mal gut an: Es gibt ein System; lass uns doch einfach mitmachen.
Es sind aber noch sehr, sehr viele Fragen offen, beispielsweise wie das mit der Übertragbarkeit ist. Bisher sind vor allem Unternehmen davon betroffen. Wie läuft das? Wie soll das hin- terher funktionieren? Das alles sind Dinge, die komplett offen sind.
(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Nun komme ich zu dem Punkt, dass wir wirklich nicht genug Zeit haben. (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Man kann nämlich nicht davon ausgehen, auf europäischer Ebene länger darüber verhandeln zu können, wie das mit dem Emissionshandel gelingen kann.
(Dietmar Brockes [FDP]: Man kann es national machen!)
Dann ist man vielleicht frühestens Ende der 20er-Jahre so weit, dass man auf europäischer Ebene eine Lösung gefunden hat.
(Zurufe von Dietmar Brockes [FDP] und Ralph Bombis [FDP])
Das reicht nicht mehr, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Das, finde ich, ist dann schon ein Problem. Wie lange sollen wir denn darauf warten?
Mit diesem Vorschlag zeigen Sie ganz klar, dass Sie etwas auf die lange Bank schieben wollen.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP]) Das machen wir ganz klar nicht mit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zum Schluss komme ich darauf, was Sie, Herr Bombis, eben gesagt haben: Wir sollten uns hierzu und dazu bekennen.
Dazu sage ich Ihnen ganz klar: Wir sind hier in einem Parlament und nicht in einer Kirche. Ich habe wirklich ein Problem damit, dass Sie immer wieder von uns verlangen, dass wir uns von etwas abgrenzen sollen, bei dem wir es längst getan haben, und von uns Bekenntnisse verlangen, die wir längst abgegeben haben.
Ich bin nicht bereit hinzunehmen, dass Sie uns vorwerfen, das hätten wir heute wieder nicht gemacht, das hätten wir gestern nicht gemacht. Es muss doch reichen, wenn man hier bestimmte Aussagen tätigt, dass die auch ernst genommen werden. Ich finde schon schade, dass Sie das nicht tun.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu guter Letzt möchte ich auch sagen, dass Ihre Bekenntnisse zum Pariser Klimaschutzabkommen genau das nur sind, nämlich Bekenntnisse, und längst nicht ausreichen. Es ist Zeit zu handeln,
(Ralph Bombis [FDP]: Diese Regierung handelt!)
und das sollten wir an dieser Stelle beim CO2-Preis genauso wie an vielen anderen Stellen auch tun.
(Beifall von den GRÜNEN)

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