Wibke Brems: „Diese abstruse Logik lassen wir Ihnen nicht durchgehen“

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zur Belgien-Reise des Ministerpräsidenten

Portrait Wibke Brems 5-23

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Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Ministerpräsident Laschet, Sie suggerieren hier, wir hätten Erwartungen geschürt, die Sie hinterher nicht erfüllen konnten.
(Beifall von den GRÜNEN – Marc Herter [SPD]: So ist das!)
Ehrlich gesagt: Sie allein waren es, der das gemacht hat. Sie haben diese Erwartungen geschürt, und zwar mit ganz faktenfreien Versprechungen, die Sie selber nicht einhalten konnten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, die problematisch und vollkommen faktenfrei waren. Mein Kollege aus der SPD hat eben schon etwas dazu gesagt, wie faktenfrei die Geschichte ist, dass wir mal eben schnell Strom aus Nordrhein-Westfalen nach Belgien liefern könnten. Die Leitungen sind nicht da; Sie haben es eben selber gesagt. Das ist der erste Punkt.
Nehmen wir diesen Punkt mal beiseite. Sie sagen dann: Wir liefern den Braunkohlestrom. Rein technisch gesehen: Man kann nicht etwas ausgleichen mit etwas, das schon zu 100 % läuft. Braunkohlekraftwerke laufen schon komplett durch; sie laufen schon zu 100 % durch.
(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)
Die kann man dann nicht noch hochfahren, um Atomkraftwerke auszugleichen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Stimmt nicht!)
Dazu braucht es Gaskraftwerke, und die stehen in den Niederlanden und in Deutschland still. Dafür braucht es auch erneuerbare Energien bei uns, in den Niederlanden und in Belgien. Das ist das Thema, um das es geht. Zu sagen, wir liefern Braunkohlestrom, ist komplett faktenfrei, und damit sollten Sie aufhören.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ja, wir haben eben schon gehört: Natürlich ist es erst einmal heikel, wenn man anderen Staaten energiepolitische Hinweise gibt. Es geht – das haben wir mehrmals gehört – um die Souveränität der EU-Mitgliedstaaten. Aber natürlich darf man darüber sprechen.
Was Sie aber gemacht haben, Herr Laschet: Sie haben groß etwas verkündet, und dann nach unserer Kleinen Anfrage gemerkt, dass Sie jetzt liefern müssen.
Dann haben Sie diese Reise mit heißer Nadel gestrickt und haben, als wenn dieser Arbeitsnachweis notwendig wäre, auch noch den Bus voller Journalisten dorthin mitgenommen. Ich finde, ehrlich gesagt, wenn das Ihr Verständnis von Diplomatie ist, dann kann das nur ein Desaster werden. So funktioniert das nicht an der Stelle.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir können uns dann einmal anschauen, was hier gerade für ein falsches Bild von der Vergangenheit dargestellt wurde. Ich mache es ungern, dass wir immer wieder die Vergangenheit auflisten.
(Widerspruch von der CDU und der FDP)
– Das ist so. Sie können nachsehen, wie oft ich das bisher gemacht habe. Das können Sie mir jetzt persönlich wirklich nicht vorwerfen.
Aber sehen wir uns das einmal an: Mein belgischer Kollege Jean-Marc Nollet hat die Energieministerin gefragt: Was haben denn für Gespräche stattgefunden in letzter Zeit? – Und das kam als Antwort: Das letzte Gespräch, das dort geführt wurde, war mit dem damaligen Umweltminister Remmel. – Andere Gespräche hatten bis dahin nicht stattgefunden. Dann verkünden Sie groß, was Sie hier machen: Wir treiben die Klagen weiter voran. – Das sind alles Dinge, die Rot-Grün angefangen hat. Ich finde es schön, dass Sie sie weiterführen. Aber Sie können dann nicht sagen: Das ist das, was wir hier alles machen; das ist alles nur unser Verdienst. – Das stimmt einfach so nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Gut für die Dialogbereitschaft!)
Zu guter Letzt – ich habe wirklich gedacht, ich kippe aus den Latschen –: Herr Laschet, wenn man einen Atomausstieg in Deutschland will, dann muss man ihn auch komplett wollen. Dann gehört eine Urananreicherungsanlage in Gronau dazu, und Lingen gehört ebenfalls dazu. Das geht nicht alleine. Wenn Sie hier auf einmal sagen „Wir müssen Gronau behalten, damit wir mit dem Iran reden können“, dann ist das diese Logik:
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
Wer sich für die Sicherheit vor atomarer Bedrohung in der Welt einsetzen will, der muss weiter selbst mit einer atomaren Bedrohung leben. – Das ist Ihre Aussage? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ich finde das so abstrus
(Beifall von den GRÜNEN)
wie eben auch Ihr Verständnis von Verhandlungen, das alles in der Öffentlichkeit zu führen, und Ihr Verständnis von Diplomatie!
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
Wir werden weiterhin den Finger in die Wunde legen und Sie kritisieren. Da können Sie noch so sehr sagen, dass Ihnen das nicht gefällt. Wir machen da weiter. Diese abstruse Logik lassen wir Ihnen nicht durchgehen.