Wibke Brems: „Die Landesregierung hat versucht, die Interessen des Unternehmens RWE auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten durchzusetzen“

Große Anfrage der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In etwa zwei Wochen jährt sich der Beginn der Räumung des Hambacher Waldes zum zweiten Mal.
(Ralf Witzel [FDP]: Was? – Weitere Zurufe)
Damit jährt sich auch der wohl größte und sinnloseste Polizeieinsatz in der Geschichte unseres Bundeslandes. Die Landesregierung hat versucht, die Interessen des Unternehmens RWE auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten durchzusetzen.
(Zurufe von der CDU und der FDP)
– Ich weiß, dass Sie diese Wahrheiten ungern hören. Aber Sie müssen!
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben ein Missverhältnis zum Rechtsstaat! – Weitere Zurufe von CDU und FDP – Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE] – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zuruf: Durchatmen! – Unruhe – Glocke)
– Ganz ruhig.
(Zuruf: Unglaublich! – Glocke – Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Arndt Klocke [GRÜNE])
– Ich habe ja noch gar nicht richtig angefangen, und Sie regen sich schon so auf. Es wird doch noch besser.
(Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Arndt Klocke [GRÜNE])
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Brems hat das Wort. Wenn es etwas zu debattieren gibt, dann tun wir das hier am Redepult und nicht quer durch den Raum – insbesondere, wenn die akustischen Verhältnisse durch die coronabedingten Maßnahmen, die wir ergriffen haben, eingeschränkt sind. – Frau Brems hat jetzt das Wort.
Wibke Brems (GRÜNE): Ganz herzlichen Dank. – Die Gewerkschaft der Polizei hatte damals unter dem Motto „Erst reden, dann roden!“ die Landesregierung vergeblich aufgefordert, erst zu klären, ob die Rodung des Hambacher Waldes energiewirtschaftlich überhaupt noch notwendig ist, anstatt Polizeibeamte über Wochen in einen gefährlichen Einsatz zu schicken.
(Ralf Witzel [FDP]: Wo ist die Henne, und wo ist das Ei? – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Weitere Zurufe)
Wir haben während und nach der Räumung mit diversen Kleinen Anfragen, Mündlichen Anfragen und Diskussionen in Ausschüssen versucht, aufzuklären, wie es zu dieser Entscheidung kam, den Wald räumen zu lassen.
Da wir – vorsichtig formuliert – bei der Landesregierung nur bedingten Aufklärungswillen feststellen konnten und immer wieder neue Widersprüche in der Argumentation feststellen mussten, haben wir im November vergangenen Jahres dann diese Große Anfrage gestellt, deren Beantwortung wir heute diskutieren.
Damit die Sachlichkeit noch einmal kurz einkehrt: Natürlich gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien, die die Fragen auf über 150 Seiten beantwortet haben.
Die Antwort auf unsere Große Anfrage hat uns folgende Dinge gezeigt:
Erstens. Die Begründung „mangelnder Brandschutz“ war nur eine Scheinbegründung für die rechtliche Legitimierung des Polizeieinsatzes.
(Beifall von den GRÜNEN)
In Wahrheit ging es darum, RWE die planmäßige Rodung zu ermöglichen.
Zweitens. Minister Reul hat die Öffentlichkeit getäuscht und Straftaten höher dargestellt, als sie waren.
(Arndt Klocke [GRÜNE]: So ist das! Ministerin Scharrenbach war dabei! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Die Daten der Landesregierung belegen, dass die Straftaten im Wald nicht wie behauptet im Frühjahr …
(Zurufe von der CDU und den GRÜNEN – Glocke)
– Die Stimmung heute Abend ist ja wirklich erhitzt. – Also: Die Daten der Landesregierung belegen, dass die Straftaten im Wald nicht, wie behauptet, im Frühjahr massiv angestiegen sind. Erst mit Beginn der Räumung …
(Fortgesetzt Zurufe von der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Glocke)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Frau Brems. Warten Sie einen kleinen Moment. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann ja verstehen, dass man Sachverhalte unterschiedlich bewertet und dann auch heftig debattiert – aber bitte mit den Regeln der parlamentarischen Demokratie, die hier immer gepflegt werden, und nicht quer durch den Raum brüllend. Wenn Sie das bilateral ausdiskutieren möchten, suchen Sie sich bitte einen anderen Ort, aber nicht den Plenarsaal.
(Vereinzelt Beifall – Zurufe)
Wibke Brems (GRÜNE): Danke schön. – Ich führe jetzt gerne fort. Erst mit Beginn der Räumung kam es zur Eskalation.
Dritte Erkenntnis der Großen Anfrage: Minister Reul war die treibende Kraft hinter der Räumungsentscheidung. Weil Sie selbst keinen Grund für ein Einschreiten finden konnten, setzten Sie Ihre Kabinettskollegin mit fragwürdig vergebenen Rechtsgutachten unter Druck, bis Ministerin Scharrenbach sich schließlich vor Ihren Karren spannen ließ.
(Marc Lürbke [FDP]: Genau! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Unsinn!)
Vierte Erkenntnis: Die Landesregierung war Handlanger von RWE. Denn Sie haben in keiner Weise versucht, RWE von den Rodungsplänen abzubringen
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
oder aber die Rodung zu untersagen. Vielmehr haben Sie nach dem Motto „Ihr Wunsch ist mein Befehl“ alle Hebel in Bewegung gesetzt. – Ich scheine hier ja wirklich einen wunden Punkt getroffen zu haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Bei all dem hat die Landesregierung … Ich meine doch gar nicht Sie. Ich meine hier die Landesregierung. Warum regen Sie sich denn dann so auf?
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Landesregierung blendete anstehende Gerichtsverfahren und die an einem Kohlekompromiss arbeitende Kohlekommission komplett aus.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Wir haben also einige Erkenntnisse aus der Beantwortung der Großen Anfrage ziehen können.
Aber einiges blieb leider auch ungeklärt. Sie haben die Fragen zum Vergabeverfahren der Gutachten bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet. Zweifel an der Rechtmäßigkeit bleiben bis heute.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bis heute bleibt auch, ehrlich gesagt, der schale Beigeschmack einer Landesregierung, die sich anscheinend nicht eine Minute damit auseinandergesetzt hat, ob ein Polizeieinsatz durch Entscheidungen von Gerichten oder der Kohlekommission vielleicht nutzlos werden könnte.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
In ihrem blinden Gehorsam gegenüber RWE hat die Landesregierung einfach das getan, was das Unternehmen von ihr verlangt hat. Das ist einer Landesregierung unwürdig und das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik. Und das ist unsere Erkenntnis aus dieser Großen Anfrage. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Marc Lürbke [FDP] – Ralf Witzel [FDP]: Fragen der Realität!)

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