Wibke Brems: „Die Energieversorgung muss gesichert und auf erneuerbare Energien umgestellt werden“

Zum Antrag der SPD-Fraktion "Gute Arbeit für morgen"

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Von anderen zu lernen, ist meistens nicht verkehrt. Ich habe aber den Eindruck: Die Kolleginnen der SPD haben sich umgeschaut, was bei welchen politischen Mitbewerber*innen gut läuft, haben noch ein paar sozialdemokratische Buzz-Wörter hinzugefügt, und fertig war der Antrag.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Lachen von der SPD)

Dadurch stehen im Antrag auch einige gute Sachen. Die Problemanalysen sind korrekt, und ein paar Ideen sind spannend, aber Ihr Antrag hat mich letztlich nicht ganz überzeugt.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich sage Ihnen auch gerne warum und beginne mit dem Beispiel „Klimaschutz“. Es freut mich sehr, dass Sie diesmal nicht die alten SPD-Formeln wiederholen, wonach Klimaschutz und Sozialpolitik Widersprüche seien, sondern hier jetzt weitergegangen sind.

(Zuruf von der SPD: Wann haben wir das denn gesagt?)

Wir haben mit dem Klimaschutz eine riesige Herausforderung zu bewältigen, und das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass beim Klimaschutz auf allen Ebenen massiv nachgeschärft werden muss.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von uns Grünen ein wenig beim Klimaschutz abzukupfern, reicht aber nicht. Natürlich ist es richtig, dass es massive Investitionen in die sozialökologische Transformation braucht, ob in Unternehmen oder in die dafür notwendige Infrastruktur. Das könnte zu einem Teil aber auch aus unserem Bundestagswahlprogrammentwurf abgeschrieben sein. Genauso ist die Betonung der öffentlichen Hand für die Nachfrage nach nachhaltigen und klimaneutralen Produkten richtig.

Einem Stabilitätsfonds, mit dem strategische Unternehmensbeteiligungen durchgeführt werden sollen, noch etwas Klimaschutz hinzuzufügen, macht einen solchen aber nicht automatisch besser.

(Beifall von den GRÜNEN)

Staatsbeteiligungen an Industrieunternehmen durchzuführen, ist aus unserer Sicht nicht der Ansatz, mit dem wir diese Transformation schwerpunktmäßig gestalten sollten; erst recht nicht für ein einzelnes Bundesland.

Wir brauchen viel mehr Instrumente, die es den Unternehmen ermöglichen, kurzfristig in die Transformation zu investieren, auch wenn die CO2-Preise aktuell noch keine Wirtschaftlichkeit der Investitionen ermöglichen.

(Zuruf von der SPD)

Es geht darum, diese Wirtschaftlichkeitslücke zu überbrücken, bis die CO2-Preise so sind, dass sich klimaneutrale Produktionen auch betriebswirtschaftlich lohnen. Dafür sind die Carbon Contracts for Differences ein vielversprechendes Instrument. Diese wird Nordrhein-Westfalen aber nicht alleine etablieren können, sondern dafür sind der Bund und die EU wichtig. Das verkennen Sie vollkommen.

Sie schlagen im Antrag vor, den Stabilitätsfonds „aktive Industriepolitik“ zu nennen. Es ist nicht ganz klar, was Sie damit meinen. Der Weisheit des SPD-Antrags, dass Marktmechanismen allein – so schreiben Sie das – den Klimawandel nicht schnell genug stoppen würden, möchte ich hinzufügen: Geld allein wird es auch nicht richten, und zwar auch nicht 30 Milliarden Euro. Das ist nicht unser Verständnis von aktiver Industriepolitik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, Sie haben sich auch ein wenig von der Landesregierung abgeschaut, nämlich wie man mit wenig Inhalt und ein bisschen Digitalisierung obendrauf ein tolles Etikett, eine schöne Fassade aufbaut.

(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Aber ich mache es genauso wie bei der Landesregierung und schaue erst einmal, was dahintersteckt.

Erstens. Hinter dem Etikett „Offensive Mitbestimmungsland Nordrhein-Westfalen“ stecken sieben Maßnahmen, von denen drei reine Bundesaufgaben sind, um die Sie sich in der Bundesregierung schon längst hätten kümmern können. Zwei weitere beziehen sich sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene.

Eine weitere Forderung ist die sofortige Schaffung von 1.000 neuen Stellen beim Arbeitsschutz. Das hört sich toll an. Sie haben das dargestellt; es gibt auch viele Notwendigkeiten. Die Erklärung, woher das Personal für diese Stellen kommen sollen, bleiben Sie uns aber schuldig.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Ich möchte einen Punkt nennen, bei dem wir Sie absolut unterstützen, und das ist die Forderung, die Betriebsratsgründungen zu unterstützen. Eine Anregung wäre jedoch, darüber nachzudenken, ob das in der heutigen Zeit noch ausreichend ist; denn neben der betrieblichen Mitbestimmung gilt es, die Unternehmensmitbestimmung zu stärken. Die Unternehmensmitbestimmung ist nachweislich ein Erfolgsfaktor. Mitbestimmte Unternehmen kommen robuster durch Krisen – so hoffentlich auch durch diese –, wirtschaften profitabler und bilden mehr aus. Zudem ist die Teilhabe von Beschäftigten an wichtigen Entscheidungen ein Ausdruck einer guten Unternehmenskultur.

Ich komme zu dem zweiten Etikett, das Sie heute gelabelt haben. Bei der Offensive „Respekt und Leistungsgerechtigkeit Nordrhein-Westfalen“ sieht es ähnlich aus. Es gibt sieben Forderungen. Fünf davon beziehen sich auf die Bundesebene, und zwei betreffen rein die Landesebene.

Diesen beiden Offensiven, obwohl fast nur Bundesthemen enthalten sind, das Etikett „Nordrhein-Westfalen“ anzuheften, ist schon ganz schön mutig. Das muss ich Ihnen lassen.

Was steckt nun hinter der dritten Offensive „Sozial. Digital. Klimaneutral.“? – Jedenfalls keine einzige Idee zur Gestaltung der Herausforderungen der Digitalisierung; nichts dazu, wie Digitalisierung Klimaschutz unterstützen kann; nichts dazu, wie Digitalisierung die Arbeitswelt verändert und wie dies gemeinsam mit den Gewerkschaften zu gestalten ist; nichts zur digitalen Infrastruktur. Stattdessen wird ausgerechnet das alte SPD-Projekt der Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr herausgekramt.

Zur Überschrift „klimaneutral“ ist außer den erwähnten, nicht gerade zielgerichteten Geldern und den SPD-Lieblingsprojekten „InnovationCity“ und „Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr“ leider auch nichts zu finden.

Die Herausforderungen für unsere Industrie sind doch enorm. Auf Kohlenstoff basierende Grundstoffe müssen ersetzt werden. Die Energieversorgung muss gesichert und auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Auch hierzu finden sich leider keine Ideen der SPD im Antrag.

Wir sind der Meinung, dass die anstehende Transformation erhebliche staatliche Anstrengungen und auch staatliche Gelder benötigt. So weit sind wir vielleicht beieinander. Wir sind allerdings der Meinung, dass diese beispielsweise in die Infrastruktur gehören und dort notwendig sind, wo die Umstellung auf Klimaneutralität und Digitalisierung nicht so schnell gelingt, wie es nötig ist. Man sollte nicht nur die Großindustrie im Blick haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, es gibt zu dem Antrag also einiges zu diskutieren. Es gibt auch viele spannende Aspekte, und daher freuen wir uns sehr auf die weitere Diskussion im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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