Wibke Brems: „Die CDU und FDP haben beim Klimaschutz vier Jahre lang nichts gemacht“

Zum Entwurf der Landesregierung eines Seilbahngesetzes für ein neues Klimaschutzgesetz - zweite Lesung

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Koalition möchte so gerne Maß und Mitte verkörpern. Die CDU und die FDP sind beim Klimaschutz aber unterstes Mittelmaß. Mittelmaß heißt, Veränderungen erst dann anzugehen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Selbst dann, wenn es fast schon zu spät ist und Sie gar nicht mehr herumkommen, machen Sie nur das absolute Minimum. Sie trauen sich überhaupt nichts zu; nicht einmal Ihr eigenes Mittelmaß.

Sie haben den Klimaschutz jahrelang als grüne Spielerei abgetan. 2013 haben Sie bei der Verabschiedung des rot-grünen Klimaschutzgesetzes noch den Untergang des Industrielands Nordrhein-Westfalen vorhergesagt. Jetzt brüsten Sie sich damit, ambitionierter als das zu sein, was Sie damals schon viel zu viel fanden. Das ist kurios.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

2014 haben Sie die Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler für einen Fehler gehalten.

(Henning Höne [FDP]: Also stehen Sie jetzt doch wieder zu der Entscheidung?)

All das ist aber nicht verwunderlich, weil ein Ministerpräsidenten Armin Laschet noch vor zwei Jahren vollkommen überrascht feststellte, dass das Klima aus irgendeinem Grund plötzlich zu einem weltweiten Thema geworden ist.

Die CDU und FDP haben beim Klimaschutz vier Jahre lang nichts gemacht.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Wo kommt das nur her?)

Sie haben sich nicht einmal an die gesetzlichen Vorgaben des Klimaschutzgesetzes gehalten; denn Sie haben das vorgeschriebene Monitoring und die bis Ende 2020 durchzuführende Überarbeitung des Klimaschutzplans einfach nicht gemacht.

(Josefine Paul [GRÜNE]: So ist das!)

Die Deutsche Umwelthilfe hat deswegen sogar Klage eingereicht,

(Henning Rehbaum [CDU]: Wer?)

aber das alles interessiert Sie nicht. Sie stellen sich einfach über Recht und Gesetz

(Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Henning Höne [FDP])

und verhindern ernsthaften Klimaschutz.

(Beifall von den GRÜNEN – Josefine Paul [GRÜNE]: So ist es!)

Damit sind Sie dafür verantwortlich, dass die Verdrossenheit über die Politik immer weiter zunimmt und das Vertrauen in die Demokratie leidet.

(Markus Diekhoff [FDP]: Was ist denn das für ein Unsinn?)

Heute stellen Sie sich hierhin, feiern sich selbst und wollen von uns sogar irgendwie noch gelobt werden,

(Henning Rehbaum [CDU]: Nee, lieber nicht!)

weil Sie endlich einmal einen Minischritt beim Klimaschutz gegangen sind. Das ist einfach nur verlogen und heuchlerisch.

(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Eine Entschuldigung würde helfen! – Markus Diekhoff [FDP]: Eine Entschuldigung erwarten wir, das ist alles!)

Sie versprechen den Menschen den Klimaschutz und kündigen neue Ziele an. Ihr selbstangelegtes Maß ist dann aber lächerlich gering. Jedes Wirtschaftsunternehmen würde mit solchen Zielbeschreibungen untergehen.

Mit diesem Gesetz wird Nordrhein-Westfalen und damit auch Deutschland nicht genug beitragen, um das Ziel von Paris einzuhalten. Daran ändern auch Ihre Korrektur und die Anpassung an das nachjustierte Bundesklimaschutzgesetz nichts, denn Ihr eigenes Gesetz passt nicht zusammen.

In § 1 des Gesetzentwurfs heißt es: „Grundlage bildet die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris …“ Die dann in § 3 genannten Ziele reichen jedoch absolut nicht aus, um dieser Verpflichtung auch nur im Ansatz gerecht zu werden. Die Erwartung an Ihr eigenes Maß, dass Ihre eigene Verpflichtung aus § 1 des Gesetzentwurfs wenigstens bis § 3 halten sollte, ist also schon wieder zu groß. Aber wen wundert’s?

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

Der Umgang von Armin Laschet mit Maß, Maaßen und Masken ist seit Langem nur noch eines, nämlich absolut maßlos.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh! – Henning Höne [FDP]: Es sinkt für Sie das Niveau! – Gegenruf von Josefine Paul [GRÜNE]: Das hatten wir doch schon bei TOP 1 erreicht! – Henning Rehbaum [CDU]: Hoch lebe die Alliteration!)

– Ich scheine Sie wieder zu treffen.

(Unruhe)

Wenn Sie diesen Enthusiasmus, den Sie hier „anbrüllen“, einmal in ein Klimaschutzgesetz stecken würden, was hätten wir längst erreichen können?

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] und René Schneider [SPD] – Henning Höne [FDP]: Zum Fremdschämen ist das!)

Sie nehmen die moralische Verpflichtung für die Freiheit künftiger Generationen nicht ernst. Das zeigt Ihr Handeln bzw. – besser – die Abwesenheit von jeglichem Handeln. Sie sind nicht bereit, über Ihre hohlen Ankündigungen und platten Sprüche hinauszugehen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Sie denken doch nur an Windkraft!)

Armin Laschet ist als Ministerpräsident nicht einmal bereit, diese Zukunftsszenen im Plenum zu begleiten. So viel zu dem Thema „Wichtigkeit des Klimaschutzes für Armin Laschet“. Wo ist er?

(Beifall von den GRÜNEN)

Handeln Sie endlich! Sagen Sie konkret, wie es gehen soll, anstatt stumpf Ziele zu formulieren, ohne zu sagen, wie diese Ziele eingehalten werden sollen; denn die Zukunft unserer Kinder und Enkel hängt davon ab.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Henning Rehbaum [CDU]: Wir machen das seit 2017!)

Meine Oma hätte über dieses Gesetz gesagt: Außen hui, innen pfui!

Weil Sie Ihre Arbeit nicht machen, haben wir eine Studie beauftragt, die zeigt,

(Markus Diekhoff [FDP]: Oh!)

wie Nordrhein-Westfalen auf den 1,5-Grad-Pfad kommen kann.

(Zuruf: Machen Sie ja nicht! – Weitere Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Dietmar Brockes [FDP])

– Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass wir diese Studie beauftragt haben.

(Unruhe – Glocke)

Das ist jetzt nicht so schwer zu verstehen, oder?

(Zurufe von der FDP – Carsten Löcker [SPD]: Die Steigerung kommt erst danach!)

– Sind Sie gleich fertig?

Ein Ergebnis der Studie lautet: Nordrhein-Westfalen kann bis 2040 klimaneutral werden.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Aber nicht mit dieser Landesregierung!)

Dafür sind aber der Kohleausstieg bis 2030 und der Ausbau der erneuerbaren Energien unerlässlich.

(Henning Höne [FDP]: Dann ist es ja gut, dass wir Ihre Leitentscheidung korrigiert haben!)

Mit jedem Jahr, in dem Sie den notwendigen Umbau der Wirtschaft weiter verschleppen, machen Sie es teurer und schwieriger. Wir hingegen stellen uns der Verantwortung mit unserer Studie und mit unseren Ideen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Sie hatten die Braunkohleverbrennung bis 2045 beschlossen!)

Wir vertrauen den Menschen und der Wirtschaft in diesem Land. Wir haben Zutrauen in die Technologien und denken, dass sie uns auf den 1,5-Grad-Pfad bringen können.

(Zurufe von der FDP)

Die technischen Möglichkeiten sind vorhanden, und es könnte jetzt gehandelt werden. Wir brauchen dafür nicht auf wilde Zukunftsphantasien zu warten;

(Josefine Paul [GRÜNE]: Vielleicht erfindet ja noch jemand was!)

seien es die übertriebenen Wasserstoffträume von Minister Pinkwart oder der von Söder angekündigte Warp-Antrieb. Dieses unsägliche Hoffen auf ein Allheilmittel in der Zukunft und diese ewigen Verweise auf Innovationen

(Henning Rehbaum [CDU]: Sie hoffen nur auf Windkraft!)

und Technologieoffenheit verbrennen Zeit, Möglichkeiten, Chancen und damit auch Geld. Dabei sind Sie selber weder innovativ noch scheinen Sie so offen zu sein,

(Henning Rehbaum [CDU]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)

um die Technologien von morgen zu verstehen, denn sonst würden Sie endlich anerkennen, was die Wissenschaft sagt: Für mehr Wasserstoff sind mehr erneuerbare Energien notwendig.

Sie sagen immer, Sie seien so unternehmensnah. Warum hören Sie dann beispielsweise nicht auf den Vorstandsvorsitzenden von VW, Herbert Diess? Ich hätte selber nicht unbedingt gedacht, dass ich ihn jemals hier zitiere.

Herbert Diess sagte in der „Financial Times“:

„Sie werden keinen breiten Einsatz von Wasserstoff in Autos sehen. Nicht einmal in 10 Jahren, weil die Physik dahinter einfach so unvernünftig ist.“

Sehr geehrte Damen und Herren, die Unternehmen in unserem Land sind viel weiter als Sie. Die Unternehmen warten sehnsüchtig darauf, dass für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und für einen konsequenten Klimaschutz endlich verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. CDU und die FDP degradieren aber das, was die Unternehmen schon längst können, und Sie berauben diese Unternehmen Ihrer wirtschaftlichen Chancen.

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Klingt gut, stimmt aber nicht! –Zuruf von Henning Höne [FDP])

Warum trauen Sie den Menschen und ihren Unternehmungen nichts zu? Sie machen Politik nur aus Ihrer eigenen Angst heraus, Ihre Privilegien und Ihre Macht zu verlieren.

(Henning Rehbaum [CDU]: Ui! – Henning Höne [FDP]: Deswegen haben Sie 2016 zugestimmt!)

Wohin diese Angst führt, sehen wir beim Blick auf die heutige Tagesordnung. Sie verabschieden gleich ein Klimaschutzgesetz, und innerhalb von eineinhalb Stunden schreiben Sie dann Mindestabstände für Windenergie zur Wohnbebauung fest.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagt Frau Brems, die für die Leitentscheidung gestimmt hat! – Markus Diekhoff [FDP]: Peinlich, peinlich!)

Das führt dazu …

(Unruhe – Glocke)

– Sie könnten Ihre Energie wirklich für etwas anderes verschwenden.

Das führt dann dazu, dass Sie Ihre eigenen Ziele weder in der Klima- noch in der Energiepolitik erreichen können.

(Henning Rehbaum [CDU]: Wir übertreffen Ihre Ziele deutlich! 38 %!)

Ich frage Sie: Ist das ernsthaft Ihre Strategie für die Zukunft? Sieht für Sie so ein verantwortungsvolles Regieren aus?

Wir haben unsere Kritik und unsere Forderungen in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht und lehnen Ihre scheinheiligen Versuche zum Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung ab.

(Henning Rehbaum [CDU]: Wir übertreffen doch Ihre Ziele!)

Diese Art von Politik kann kein Maß für die Herausforderung der Zukunft sein, weil NRW mehr kann und mehr verdient hat. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Ui, Ui! Braunkohleverstromung bis 2045 beschlossen und dann so eine Rede! – Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])

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