Wibke Brems: „Der Bericht des Klimarats mahnt uns alle, dass nicht weitere kostbare Zeit verschwendet werden darf“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur "zirkularen Wirtschaft"

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am vergangenen Montag wurde der aktuellste Bericht des Weltklimarats veröffentlicht. Wie die vorherigen Berichte ist auch dieser Bericht wieder dramatisch, weil die Lage dramatisch ist. Die Botschaft an die Regierungen der Welt ist eindringlich: Die Zeit zu handeln ist jetzt.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Ohne tiefgreifende Maßnahmen ist das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichbar. Selbst das 2-Grad-Ziel ist mit einem Festhalten am Status quo außer Reichweite; so hat es der Bericht noch einmal klar festgestellt. Er macht auch deutlich, dass ein welt- und wirtschaftsweiter Strukturwandel und Systemwechsel notwendig ist.

Was bedeutet das für uns? Es müssen in allen Bereichen umfangreichere und weitreichendere Maßnahmen als bisher ergriffen werden. Um das Industrieland Nordrhein-Westfalen auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, ist im Industriebereich entscheidend, dass der Umstieg auf eine komplette Kreislaufwirtschaft schnellstmöglich gelingt.

Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie mit dem Titel „Wie kann Nordrhein-Westfalen auf den 1,5-Grad-Pfad kommen?“, die wir als grüne Landtagsfraktion in Auftrag gegeben haben.

Mit einem weitgehenden Recycling aller Metalle und einer erheblichen Ausweitung des Recyclings der Kunststoffe und des Bauschutts könnte sich die Menge der benötigten Rohstoffe um bis zu 80 % reduzieren. Dann wäre es einfacher, den restlichen Bedarf an Roh- und Basisstoffen treibhausgasneutral zu produzieren.

Dabei kann es dann nicht um Downcycling gehen, also eine Wiederverwertung als Rohstoff in minderer Qualität. Vielmehr ist das Ziel ein echter Kreislauf, sodass aus den alten Produkten neue Produkte gleicher Qualität hergestellt werden. Auch eine Verbrennung von Reststoffen macht – mit wenigen Ausnahmen – keinen Sinn. Und das chemische Recycling von Kunststoffen ist so energieintensiv, dass der jeweilige Nutzen ganz genau abgewogen werden muss.

Da es schwierig ist, den Abfall wieder in seine verwertbaren Bestandteile zu zerlegen, sollten Produkte möglichst schon bei der Produktion so designt werden, dass sie hinterher wieder in Bestandteile zerlegt und am besten komplett recycelt werden können.

Neben Klimaschutz sprechen auch die Knappheit von Ressourcen sowie ökologische Probleme und Menschenrechtsverletzungen beim Abbau von Rohstoffen für eine umfassende Kreislaufwirtschaft.

Der Krieg in der Ukraine hat uns in den vergangenen Wochen noch einmal mehr vor Augen geführt, wie wichtig es ist, die Abhängigkeiten endlich anzupacken.

Die Expert*innen sind sich darüber einig, dass es kaum Regionen gibt, in denen die Potenziale für Kreislaufwirtschaft so günstig sind wie in Nordrhein-Westfalen. Darauf gilt es aufzubauen.

Es bedarf vieler Maßnahmen, die auf Bundes- und auch auf EU-Ebene angepackt werden mussten. Das reicht von Steueranreizen für Reparaturen und bestimmte Recyclingprodukte bis hin zu einheitlichen Standards in der EU.

Auf Landesebene wären Anreize bei Vergaben und Fördermitteln dringend nötig. Das, was es bereits gibt – beispielsweise das Circular Valley in Wuppertal und Greentech.Ruhr –, zeigt, wie innovativ es in NRW zugehen kann. Das brauchen wir im ganzen Land.

Wir müssen von alten Denkmustern wegkommen und endlich in die Zukunft starten. Da reicht das, was gerade wieder an Selbstbeweihräucherung der Landesregierung kam, nicht aus.

Die vorliegenden Anträge, die wir heute diskutieren, geben erste gute Impulse. Es ist schade, dass wir dazu nicht weiter in den Dialog gekommen sind, sodass auch etwas Gemeinsames hätte entstehen können. Mehr als erste Impulse sind diese Anträge leider nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Bericht des Klimarats mahnt uns alle, dass nicht weitere kostbare Zeit verschwendet werden darf. Wir müssen endlich die Verantwortung übernehmen und die dringend notwendigen Veränderungen mit Mut anpacken, damit unser Wohlstand erhalten bleibt.

Zu guter Letzt möchte ich gerne auch noch ein paar Worte an Dietmar Bell richten. Auch wir und ich wünschen dir alles Gute. Herzlichen Dank für deinen Einsatz in diesem Haus. Du bist uns besonders als Vorsitzender der Enquetekommission „Digitalisierung der Arbeitswelt“ in Erinnerung geblieben, in der du gute Impulse gesetzt hast. Dir alles Gute für die Zukunft! – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

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