Wibke Brems: „Das Weltklima zwingt uns, unsere Energiewirtschaft zu ändern“

Unterrichtung der Landesregierung zum Kohleausstieg

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte abwarten, bis die Diskussionen beendet sind, aber ich befürchte, dass sie gleich wieder losgehen werden. Schauen wir mal.
Wir hören heute sehr viel von einem Konsens; das ist auch genau richtig. Vor wenigen Monaten haben wir einen Kohleausstiegskonsens vorgelegt bekommen.
Ich möchte noch mal in die Runde fragen, weil uns das vorgeworfen wird: Wer gehört denn dazu? – Dazu gehören nicht nur die entsprechenden Arbeitgeberverbände oder Arbeitnehmerverbände, die Gewerkschaften, sondern auch die Umweltverbände.
(Beifall von den GRÜNEN)
Genau darum geht es bei sozialem Frieden, dass genau die, die ihre Unterschrift mit unter diesen Kompromiss gesetzt haben, hier gerade ausgeschlossen werden.
(Henning Höne [FDP]: Diese Leute müssen aber auch zur Unterschrift stehen!)
Ich möchte die Frage stellen: Wer entfernt sich denn hier vom Konsens? – Das sind nicht wir, sondern diejenigen, die nur vom Strukturwandel reden, das Füllhorn ausschütten – darüber kann man sich freuen –, aber dabei den Grund dieser Kommission vergessen.
Der Grund für die Einsetzung dieser Kommission war der Klimaschutz. Dass erst das eine, wie wir es gerade gehört haben – auch von Ihnen, Herr Minister –, und dann das andere passieren soll, das stimmt einfach nicht.
Dazu gibt es auch ganz aktuelle Aussagen, beispielsweise von Herrn Kaiser von Greenpeace, der Mitglied der Kohlekommission war.
Er hat gesagt, dass Strukturhilfen in dem Kohlekompromisspapier an klare Abschaltdaten für Kohlekraftwerke geknüpft werden.
Es ging um Geld nur für Klimaschutz. Es darf hier einfach keine Blankoschecks geben. Damit müssen Sie aufhören.
(Beifall von den GRÜNEN – Armin Laschet, Ministerpräsident: Das kommt doch alles!)
–  Herr Ministerpräsident, Sie sagen: Das kommt doch alles. – Aber darauf können wir doch nicht warten. Das gehört doch zusammen. Wir können nicht erst das Geld ausgeben und dann schauen, was wir hinterher damit machen.
(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)
–  Sie geben hier ein …
(Dietmar Brockes [FDP]: Ein erster Abschnitt und dann weitergucken!)
–  Die Bundesregierung kündigt hier einen Prüfauftrag nach dem anderen an, und Sie sagen: Das ist jetzt die große Lösung. – Das ist es eben nicht,
(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)
sondern wir müssen genau schauen, und Sie müssen hier aktiv werden.
Kommen wir zu dem, was Sie hier eben gesagt haben. Einen einzigen Satz haben Sie zum Klimaschutz gesagt, und zwar: Das Weltklima zwingt uns, unsere Energiewirtschaft zu ändern. – Das stimmt. Dann muss das aber auch jetzt passieren.
(Armin Laschet, Ministerpräsident: Tut es!)
Sie können nicht länger auf die Bundesregierung und auf RWE warten. (Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Sie müssen Tatsachen schaffen.
(Armin Laschet, Ministerpräsident: Wie denn?)
Im Rheinischen Revier werden aktuell von RWE & Co. Tatsachen geschaffen. (Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)
–  Natürlich. Da werden weiterhin Bäume gefällt, da werden Häuser abgerissen, da werden Kirchen entweiht.
(Beifall von den GRÜNEN – Weitere Zurufe von CDU und FDP)
–  Entschuldigung; aber wir könnten jetzt doch einfach mal ganz ruhig hinschauen. (Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn alle so durcheinanderrufen, ist es für den Stenografischen Dienst unseres Hauses eine nicht mehr zu erfüllende Herausforderung, allen Zwischenrufen gerecht zu werden. Insofern bitte ich Sie, dem Stenografischen Dienst das an der Stelle zu ermöglichen. – Frau Kollegin Brems, Sie haben das Wort.
Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Dass ich Sie unterbrochen habe, hat Herr Kollege Rock direkt genutzt und fragt, ob Sie die Zwischenfrage zulassen.
Wibke Brems (GRÜNE): Ja, bitte.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr.
Frank Rock (CDU): Frau Brems, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Ich bin der Abgeordnete aus dem Rhein-Erft-Kreis mit dem Hambacher Forst.
Aus der Presse und auch den Rufen der Leute hat man entnommen, dass viele Bäume gefällt worden sind. Wissen Sie, wer die Bäume gefällt hat? Die letzten vielen Bäume sind nicht von RWE oder von den Unternehmen gefällt worden, sondern von anderen Menschen. Wissen Sie, wer die gefällt hat? Kann es sein, dass es vielleicht die Leute vor Ort selber waren, die Demonstranten und Terroristen?
(Beifall von der CDU und der FDP)
Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Rock! Erstens wäre ich an Ihrer Stelle ein bisschen vorsichtig mit irgendwelchen Terrorismusvergleichen; ich finde das sehr schwierig.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Henning Rehbaum [CDU]: Die nennen sich doch immer so!)
–  Wir haben uns klar dazu geäußert.
(Dietmar Brockes [FDP]: Dann wiederholen Sie noch mal!)
–  Dass Sie nicht alle unsere Sachen lesen, ist ja okay; aber dann müssen Sie uns nicht vorwerfen, dass wir das nicht getan haben. Das stimmt einfach nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist natürlich nicht in Ordnung, wenn einfach irgendwo Bäume gefällt werden, egal von wem.
(Zuruf von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])
Wir müssen uns noch mal ansehen, was in den letzten Tagen passiert ist. Bei uns sind Informationen angekommen, dass außerhalb der entsprechenden Zeit, wo eigentlich Bäume nicht gefällt werden dürfen, Bäume gefällt wurden.
(Dietmar Brockes [FDP]: Von wem denn?)
Das ist zum Beispiel eine der Fragen, die man sich ansehen muss.
Genau darum ging es doch gerade, als Sie mich alle unterbrochen haben. Es geht darum, jetzt zu schauen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben nur das Unternehmen angeklagt!)
Es ist klar, dass es eine Veränderung geben wird. Es wird eine Veränderung geben. Die Tagebaue, die Tagebaugrenzen – all das wird sich verändern. Dann ist es absoluter Wahnsinn, wenn man einfach so weitermacht wie bisher
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Macht doch niemand!)
und weiterhin Straßen so baut, wie es vor Jahrzehnten beschlossen wurde. Das kann doch nicht mehr richtig sein. Deswegen muss man einen Stopp machen.
(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Was haben Sie 2006 hier beschlossen?)
Dann muss man sich das ganz in Ruhe ansehen. Man muss schnell schauen: Wo und wie können in Zukunft die Tagebaugrenzen aussehen? Müssen wir wirklich noch an entsprechende Orte mit 70 m Entfernung ran? Muss das wirklich noch sein?
Ich finde, das muss nicht mehr sein. Ich dachte eigentlich auch, dass der Ministerpräsident das so sieht.
(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Wer hat das denn beschlossen?) Ich finde, deswegen muss man sich das ganz genau ansehen.
Es ist doch Wahnsinn, dass jetzt schon Häuser abgerissen werden, obwohl wir nicht wissen, ob die Region wirklich noch komplett abgerissen wird, ob in dem Ort nicht noch etwas anderes entstehen kann.
Natürlich sage ich nicht, dass die Leute, die jetzt umsiedeln wollen, nicht mehr umgesiedelt werden dürfen. Nein, das kann man niemandem verwehren.
(Ralf Witzel [FDP]: Oh!)
Aber es kann doch nicht sein, dass wertvolle Infrastruktur einfach plattgemacht wird. Darum geht es.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Darauf brauchen wir schnell Antworten. Das müssen diese Landesregierung und dieser Ministerpräsident tun.
Zweitens. Wenn es darum geht, dass sich die entsprechende Energiewirtschaft ändern muss, gehört zu einem Eins-zu-eins-Umsetzen der entsprechenden Ergebnisse der Kohlekommission dazu, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen den Anteil der erneuerbaren Energien massiv erhöhen müssen. Genau das wollen Sie auch wieder nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)
Alle diese Dinge gehören auch dazu. Sie können nicht nur einen Teil loben und sagen, Sie hätten jetzt ganz viel Geld hierhin geholt, sondern es gehört dazu, dass Sie Ihre Politik ändern. Sie müssen nämlich damit aufhören, was Sie in den letzten Wochen und Monaten kaputtgemacht haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin! Die Redezeit.
Wibke Brems (GRÜNE): Ich komme jetzt zum Schluss. Ich sage noch einmal ganz klar: Die Strukturmittel hängen mit dem Klimaschutz und dem Kohleausstieg zusammen.
Deswegen bleiben wir ganz klar dabei, dass Sie, Herr Ministerpräsident, Chancen vertun und mit der Entkopplung von Mitteln und Kohleausstieg einen Betrug an der Kohle, der Klimabewegung und zukünftigen Generationen betreiben.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unverschämt! Wenn jemand betrogen hat, dann waren Sie es mit Ihrer Entscheidung für den Braunkohletagebau!)
Wir fordern Sie ganz klar dazu auf, diesen wolkigen Ankündigungen für den Klimaschutz, die Sie hier gemacht haben, endlich konkrete Taten folgen zu lassen.
(Beifall von den GRÜNEN)