Wibke Brems: „Aus Ankündigungen wird ein Handeln“

Zur Unterrichtung der Landesregierung zur Klimaneutralität

Portrait Wibke Brems 5-23

Der Gesetzentwurf „Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen“

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! NRW wird Europas erste klimaneutrale Industrieregion. Das ist ein Projekt enormen Ausmaßes. Damit das gelingt, braucht es einen guten, durchdachten Plan, obwohl die Zeit so drängt.

Am vergangenen Wochenende gab es einen Bergsturz in den Tiroler Alpen, verursacht durch aufgetauten Permafrostboden. Weite Teile Nordrhein-Westfalens sind schon wieder so trocken, dass Pflanzen unter Trockenstress leiden. Die Temperatur der Meeresoberfläche im Nordatlantik erreichte bisher ungekannte Höhen, mehr als 35 % höher als bisherige Rekorde.

Das sind nur ein paar Nachrichten der vergangenen Tage, die alarmierende Hinweise auf die weiter fortschreitende Klimakatastrophe sind. Es ist also ein großes Projekt, und es bleibt wenig Zeit. Um das zu schaffen, braucht es politische Akteure, die bereit sind, alte Gräben zu überwinden. Es braucht viele gewissenhaft zusammengesetzte Bausteine, um das Projekt zum Gelingen zu bringen. Es braucht Stabilität, Sicherheit und gleichzeitig Mut, um die Herausforderung als Chance für positive Veränderungen anzunehmen.

All das liegt mit diesem Klimaschutzpaket vor – ein Paket, das rational die richtigen Stellschrauben anzieht und die richtigen Bausteine anpackt. Denn für ein stabiles Konstrukt braucht es mehr als eine Fassade, es braucht Handeln. Damit legt die Landesregierung das Fundament für ambitionierten Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Für das Projekt „klimaneutrale Industrieregion“ ist die klimaneutrale Stromversorgung entscheidend. Ob das der Elektrolyseur-Hersteller Enapter im Kreis Steinfurt oder Intel in Sachsen-Anhalt ist – Betriebe siedeln sich dort an, wo sie sich günstig und vollständig mit erneuerbaren Energien versorgen können. Wind und Solarenergie sind also zentral für eine klimafreundliche, zukunftsfähige und wettbewerbsfähige Stromversorgung.

Der Baustein „Landesentwicklungsplanentwurf“ setzt die dringend notwendigen Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir in NRW setzen die Vorgaben des Bundes aus dem Wind-an-Land-Gesetz damit sieben Jahre früher als nötig um. Das Flächenpotenzial des Landesentwicklungsplans ermöglicht dann Platz für bis zu 3.000 Windenergieanlagen. Die Planungsregionen kennen dann ihre Potenziale und die Anforderungen, um im Rekordtempo umsetzen zu können. Im Übergang wird mit den Beschleunigungsflächen ein Potenzial von 450 Anlagen gesichert.

So schaffen wir Planungssicherheit für Kommunen und Investoren. Das ist es, was die Menschen und die Wirtschaft in unserem Land brauchen. Das ist es, was wir ihnen mit diesem Vorhaben geben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Gesetzentwurf zur Abschaffung der pauschalen Mindestabstände ist ebenfalls ein wichtiger Baustein. Damit können bald wieder individuelle Lösungen für die Menschen, die Natur und den Ausbau der Windenergie gefunden werden. Ich freue mich wahnsinnig, dass diese Fesseln nun wieder gelöst werden.

(Beifall von den GRÜNEN und Thorsten Schick [CDU])

Liebe FDP, lieber Herr Höne, es reicht eben nicht, zu sagen, dass Sie sich zu den Pariser Klimaschutzzielen bekennen würden, wenn Sie gleichzeitig weiter bremsen und blockieren, wo Sie nur können. Zum Glück ist das in NRW gerade nicht mehr möglich.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist kein Geheimnis, dass wir Grüne uns diesen Schritt früher hätten vorstellen können, früher gewünscht hätten. Aber manche Entscheidungen kann man eben nur Schritt für Schritt treffen, damit sie dann auch dauerhaft halten. Populistische Selbstbeschäftigung, wie wir sie heute von der SPD gehört haben, hilft dagegen kein bisschen weiter.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Zuruf von der SPD: Unglaublich! – Weitere Zurufe)

Mit diesen Bausteinen kommen wir unserem Ziel, bis 2027 1.000 neue Windräder zu bauen, bedeutend näher. Bei alldem haben wir gleichzeitig die Akzeptanz im Blick – und die ist gerade groß.

Mehr als 80 % der Deutschen halten den Ausbau der Windenergie für wichtig oder sehr wichtig. Auch in unmittelbarer Nachbarschaft von Windenergieanlagen ist die Zustimmung immer noch groß, auch wenn das einige hier im Haus nicht immer wahrhaben wollen.

Es ist unsere Verantwortung als Demokrat*innen, auf allen Ebenen, ob hier im Haus, vor Ort, in den Wahlkreisen, in den Kommunen, permanent daran zu arbeiten, dass diese Akzeptanz erhalten bleibt. Wir hören den Menschen zu, wir nehmen ihre Sorgen ernst und wir geben Ihnen die Möglichkeit der Beteiligung.

Diese Beteiligungsmöglichkeiten sind vielfältig, ob das eine Mitsprache ist, eine finanzielle Beteiligung, günstiger Strom vom Windpark nebenan, Wertschöpfung vor Ort oder finanzielle Unterstützung von Vereinen und Stadtgesellschaft. Diese Beteiligungsformen haben eines gemeinsam: Mit den Menschen im Blick werden Wirtschaft und Natur miteinander vereint.

Diese Art der Beteiligung war im fossilen Zeitalter nicht möglich. Wir sind glücklicherweise auf dem Weg heraus. Wir können die Menschen auf den Weg mitnehmen, anstatt ihnen Kraftwerke in den Vorgarten zu setzen oder ihre Heimat abzubaggern. Echte Beteiligung ist also nur mit erneuerbaren Energien möglich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch nur mit erneuerbaren Energien können dauerhaft bezahlbare Energiepreise gesichert werden. Gedämmte Wohnungen mit effizienten Heizungen sorgen dafür, dass sich alle weiter warme Wohnungen leisten können. Übrigens treffen die Auswirkungen des Klimawandels insbesondere Menschen mit geringem Einkommen.

Also, liebe SPD: Obwohl nicht überall „sozial“ dransteht, sind Energiewende und Klimaschutzpaket trotzdem sozial.

(Beifall von den GRÜNEN)

Neben der Windenergie ist die Solarenergie ebenfalls eine wichtige Säule für die Energiewende. Der Entwurf des Landesentwicklungsplans eröffnet auch für die Solarenergie neue Möglichkeiten. Der Fokus liegt dabei auf bereits genutzten Flächen und auf der Doppelnutzung, also Dächer, entlang von Autobahnen und Schienen sowie Agri-Photovoltaik.

Wir brauchen für die erneuerbaren Energien pragmatische Lösungen, die schnell umgesetzt werden können. Genau das bieten wir.

Ich möchte an dieser Stelle gerne noch einmal kurz auf die Landesbauordnung zu sprechen kommen, auch wenn sie morgen noch auf der Tagesordnung steht. Auch dieser neue Entwurf zeigt, wie ernsthaft die gesamte Landesregierung die aktuellen Herausforderungen angeht, sei es beim nachhaltigen Bauen oder bei Abständen von Photovoltaikanlagen oder bei Wärmepumpen. Wir verhelfen damit allen Gebäudebesitzenden Schritt für Schritt zu günstigem und sauberem Strom; denn mit dieser Landesbauordnung kommt auf jedes Dach Solar – endlich!

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Baustein „Klimaschutzgesetz“ folgt als Nächstes. Vor zwölf Jahren startete die damalige Landesregierung das erste Verfahren zur Einführung des NRW-Klimaschutzgesetzes. Ich erinnere mich noch gut an die hitzigen Debatten, die wir damals hier geführt haben, obwohl die Ziele gar nicht so ambitioniert waren, wie sie es heute sind und im künftigen Klimaschutzgesetz auch sein werden. Keine der Unkenrufe von Deindustrialisierung, die wir sogar heute wieder von der SPD gehört haben,

(Sven Wolf [SPD]: Das sind keine Unkenrufe! Das ist ernste Sorge!)

oder die Prophezeiung, dass es sich um den Sargnagel der NRW-Wirtschaft handelt, sind eingetreten. Nichts davon ist eingetreten. Spätestens jetzt müsste doch allen klar sein: Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Dann gelingt auch der Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft. Wer aber an alten oder ineffizienten Technologien festhält, der ist der Sargnagel für die NRW-Wirtschaft und sorgt für Deindustrialisierung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Anhebung des Klimaschutzziels für das Jahr 2030, dass erneuerbare Energien im überragenden öffentlichen Interesse sind und der öffentlichen Sicherheit dienen, die Ausrichtung der Landesfinanzen an den Klimaschutzzielen und die kommunale Wärmeplanung sind nur ein paar der wichtigen Aspekte, die diese Landesregierung mit dem Klimaschutzgesetz und dem Klimaschutzpaket entschieden vorantreiben wird.

Wir werden ambitioniert bleiben; denn die Zeit drängt. So können wir die Herausforderungen gestalten – für die Menschen, die Unternehmen und die Natur in Nordrhein-Westfalen.

Aus Bausteinen wird ein Projekt, aus Ankündigungen wird ein Handeln, aus Plänen wird heute Wirklichkeit. Das ist erst der Anfang. Wir machen weiter.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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