Wibke Brems: „Alle Industrieländer stehen in der Verantwortung“

Klimaschutzgesetz

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute erneut zum ersten Mal über das Klimaschutzgesetz für Nordrhein-Westfalen. Bei einem der letzten Male, als wir hier über Klimaschutz sprachen, gab es Kritik daran, dass ich zu fatalistisch sei und Katastrophenstimmung heraufbeschwören würde, weil ich Klimaflüchtlinge erwähnt habe. Ich wurde angegriffen, weil ich zitiert habe, der Skitourismus im Sauerland sei ein Auslaufmodell. Nur ganz nebenbei: Das war übrigens ein Zitat aus einer Broschüre des früheren Umweltministers Uhlenberg.
Ich nehme auch gerne einmal Kritik an und frage: Was ist positiv? Wer profitiert denn eigentlich vom Klimawandel? – Da habe ich die Möwen gefunden. Die Nordseetemperatur steigt. Die Schwimmkrabben vermehren sich stärker, und die Möwen füttern genau damit ihre Küken und können sich eben auch deutlich vermehren. Die Feinschmecker in Deutschland profitieren. Eine Meldung von gestern lautete: Trüffel werden in Deutschland heimisch. Hersteller von Klimaanlagen vermelden jedes Jahr Rekordabsätze. Photovoltaikanlagenbetreiber freuen sich natürlich auch. Sie werden zwar auf der einen Seite von der Bundesregierung deutlich ausgebremst; aber mehr Sonnenscheinstunden gibt es schon.
Ich habe gesucht und gesucht, aber mehr Positives habe ich nicht gefunden. Dann ist mir aufgefallen, wo denn eigentlich das Problem auch bei diesem Klimaschutzgesetz liegt. Womit haben wir es zu tun? Mit CO2, mit Methan, mit Distickstoffmonoxid, mit Fluorkohlenwasserstoffen, mit perfluorierten Kohlenwasserstoffen, mit Schwefelhexafluorid. Was haben diese Gase gemeinsam? Sie sind farb- und geruchlos. Wären diese Treibhausgase sichtbar, dreckig, stinkend und direkt gefährlich für uns Menschen, würde keiner von Ihnen hier mehr sagen: Ja aber …, nicht so schnell …, nicht so viel … – Keiner von Ihnen, auch nicht Herr Wüst, würde sagen: Das passt nicht in die Zeit, und hier retten wir das Klima nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Treibhausgase gefährden aber unsere Erde eben nur indirekt, schleichend und vor allem in Regionen, die ganz, ganz weit weg von uns liegen: in Bangladesch, in der Sahel-Zone und in Gebieten, die noch viel weiter entfernt sind. Gerade deshalb aber weil wir diese Veränderungen nicht sehen, weil wir sie nicht riechen, weil wir sie nicht fühlen und nicht am eigenen Leib ganz direkt erfahren können, haben wir eine Verantwortung, hier zu handeln. Deswegen haben alle Industrienationen eine Verantwortung, Treibhausgasemissionen einzudämmen. Das gilt für alle Industrieländer, auch für Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn eines ist doch klar: Wenn Nordrhein-Westfalen nicht handelt und nicht der eigenen Verantwortung gerecht wird, dann wird auch die Bundesregierung ihre gesetzten Klimaschutzziele niemals erreichen können. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen endlich ein Klimaschutzgesetz bekommen, mit dem wir unserer Verantwortung gerecht werden und unsere Kommunen, die Bürgerinnen und Bürger, das Handwerk, den Mittelstand und unsere Industrie für die Zukunft fit machen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)

2. Runde:

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Vorsitzender, ich bin Ihnen für Ihre Worte sehr dankbar. Herr Deppe, ich fand das, was Sie gerade gebracht haben, war ein ganz peinlicher und schäbiger Versuch, davon abzulenken, dass Sie selber in fünf Jahren in diesem Zusammenhang überhaupt nichts zustande gebracht haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die CDU/FDP-Landesregierung hat Klimaschutz in ihrer Zeit so verstanden, dass man einfach neue Kohlekraftwerke baut und dann schon alles in Ordnung kommt. Damit haben Sie viele Stadtwerke dahin getrieben, Kohlekraftwerke zu bauen. In der Zwischenzeit ist es absolut unwirtschaftlich geworden, die noch weiter zu betreiben. Stadtwerke wie die Stadtwerke Dortmund sitzen für die nächsten Jahrzehnte Jahr für Jahr auf ganz hohen Verlusten. Das haben Sie mit zu verantworten. Dass Sie dann so kritisieren, ist unglaublich!
(Beifall von den GRÜNEN)
Ihre Diskussion zu dem Thema „Windenergie“ finde ich einfach nur unehrlich. Der ehemalige Minister Wittke hat ganz zu Beginn der Amtszeit der CDU/FDP-Regierung gesagt: Das erste, was wir hier plattmachen werden, ist die Windenergie. Uns jetzt dafür anzugreifen, dass in zwei Jahren Regierungszeit noch nicht so viel passiert sei: Jeder, der sich in diesem Metier auskennt, weiß, dass es von der ersten Planung bis zum Bau und zur Inbetriebnahme einer Windanlage drei bis fünf Jahre dauert. Das wäre auch zu FDP/CDU-Zeiten so gewesen – wenn denn damals überhaupt etwas passiert wäre.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lienenkämper zulassen?
Wibke Brems (GRÜNE): Was?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Hovenjürgen, Entschuldigung!
Wibke Brems (GRÜNE): Ja.
Josef Hovenjürgen (CDU): Herzlichen Dank, Frau Kollegin Brems, dafür, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. – Ist Ihnen denn bekannt, dass Ihr Umweltminister diesen Windkrafterlass, den er auf den Weg gebracht hat, als „Ermöglichungserlass“ dargestellt hat? Wissen Sie, mit welchen Restriktionen man insbesondere seitens der Umweltverwaltung vor Ort zu kämpfen hat, wenn es zum Beispiel um Flächen geht, die im Moment zwar kein Wald sind, aber als Planwald deklariert sind, in den Ausschluss kommen und somit weitere Flächen für Windkraftmöglichkeiten gar nicht zur Verfügung stehen und dass im Hause Remmel überhaupt keine Koordination des wirklichen Voranbringens der Windkraft stattfindet, sondern ein Kampf der Umwelt- mit den Klimaschützern?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, bitte schön.
Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Hovenjürgen! Danke für diese Frage. Es ist spannend, dass Sie diese Frage nicht Herrn Remmel gestellt haben. Aber ich beantworte sie Ihnen natürlich, soweit ich das als Abgeordnete und nicht als Ministerin tun kann, gerne:
Der Windenergieerlass ist erst ein Jahr alt. Daneben gibt es weitere Gesetzgebungen wie zum Beispiel den Landesentwicklungsplan, der Windenergieanlagen im Wald nicht ganz so positiv sieht. Genau an solchen Stellen haben wir mit dem Koalitionsvertrag angegriffen und gesagt: Dort wollen wir noch mehr ermöglichen, damit das realisiert werden kann.
Ganz klar ist: Es wird immer eine Auseinandersetzung zwischen Umweltschutz und Klimaschutz geben. Jede Energieform hat eine Auswirkung auf die Umwelt. Den erneuerbaren Energien ist gemeinsam, dass sie die geringsten Auswirkungen aufweisen. Aber nur, weil sie die geringsten Auswirkungen haben, bedeutet das noch lange nicht, nach dem Grundsatz zu handeln: Wir machen jetzt alles! – Vielmehr gucken wir immer ganz genau hin und wägen gut ab.
Ich bin davon überzeugt, dass wir trotzdem und gerade deshalb, weil wir genau hinsehen, unsere Ziele bei der Windenergie, in verwandten Bereichen und beim Klimaschutz sehr gut verwirklichen werden, ohne den Naturschutz zu vernachlässigen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte gerne noch die Aussagen von Herrn Höne und Herrn Deppe aufgreifen, Sie hätten keinerlei Änderungen im Gesetz gefunden. – Das finde ich sehr schade. Klar, es sind keine großen Änderungen. Wenn man aber genau gelesen hätte, zeigten sich Änderungen, auch wenn sie vielleicht nicht so schnell zu finden sind. Manchmal machen jedoch auch Formulierungsänderungen hinterher deutliche Unterschiede aus. Gerade in der Raumplanung ist ein anderes Wort eben auch die hohe Kunst. Deswegen möchte ich Sie bitten, das noch einmal ganz genau nachzulesen. Wir können uns das auch gerne gemeinsam anschauen.
Zu guter Letzt möchte ich auf die Position der Piraten eingehen. Ich finde es sehr gut – auch Herr Remmel hat es eben schon angesprochen –, dass Sie unseren Gesetzentwurf positiv begleiten wollen. Wenn man ganz genau hinhört, sagen Sie, dass Sie mit den konkreten Zielen schon ein Problem haben. Das finde ich etwas kurios.
Die Wissenschaft, die globale Klimawissenschaft mahnt uns, dass die globale Erwärmung nicht mehr als zwei Grad Celsius gegenüber den vorindustriellen Werten steigen darf, wollen wir gravierende Auswirkungen für Mensch und Umwelt vermeiden. Auf dieses Ziel hat sich die internationale Gemeinschaft in Cancun verständigt. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen alle Industriestaaten ihre Emissionen gegenüber den Werten von 1990 bis 2050 um 80 % bis 95 % reduzieren.
Ich finde es sehr schade, dass Sie sich auf solche Ziele nicht einlassen können,
(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist gar nicht wahr!)
dass sie Ihnen zu konkret sind.
Wir sind ja nicht allein auf dieser Welt. Wir haben nur einen kleinen Anteil daran. Mir fällt bei der Diskussion um den Klimaschutz immer wieder folgendes Bild ein: Wir sitzen quasi in einem mit Vollgas fahrenden Auto, fahren auf eine Wand zu und debattieren darüber: Bremsen wir jetzt, bremsen wir nicht? Was machen wir?
CDU und FDP sagen: Bremsen bringt doch eh nichts, da der Schaden auch durch ganz woanders entstehende Emissionen eintreten kann. – Die Piraten sagen – leider –: Bremsen – okay. Das können wir irgendwie machen. Wir legen uns aber nicht fest, wann, wie und wo. Wir schauen einfach einmal.
Ich sage mit meiner Fraktion ganz klipp und klar: Wir müssen unserer Verantwortung gerecht werden. Das tun wir mit diesem Klimaschutzgesetz. Deswegen ist es genau das Richtige. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Rede von Wibke Brems als Video:



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