Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will erst einmal festhalten, dass ich sehr froh darüber bin, dass wir als demokratische Fraktionen hier alle noch einmal betonen, wie wichtig die politische Bildungsarbeit ist. In einer Zeit, in der das Vertrauen in demokratische und staatliche Institutionen abnimmt, in einer Zeit, in der menschenverachtende Einstellungen zunehmen, in einer Zeit, in der in der Bevölkerung rechtsextreme Weltbilder zunehmen, ist politische Bildungsarbeit wichtiger denn je. Es ist gut, dass wir das hier alle so sehen.
Aber wenn ich ganz ehrlich sein soll – und das bin ich, weil man in solchen Diskussionen immer ehrlich sein sollte –, dann kann ich die Schärfe in der Diskussion nicht so ganz nachvollziehen. Das muss ich wirklich sagen. Das ist schon harter Tobak, Frau Müller-Witt – wir kennen uns schon lange –, wenn man hier von Entmachtung, von Kahlschlag redet. Ich finde, das ist hier in der Diskussion über die Landeszentrale bei dem, was wir vorhaben, echt nicht angemessen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich möchte gerne daran erinnern, dass wir hier im September einen Antrag diskutiert haben. Das war übrigens an dem Tag, an dem auch die neue Mitte-Studie herausgekommen ist. Ich kann mich sehr gut an die Diskussion erinnern. Die neue Mitte-Studie hat noch mal sehr deutlich gemacht, wo wir gerade stehen und wie sehr antidemokratische Tendenzen in der Bevölkerung zunehmen. Es war ein schwarz-grüner Antrag. In der Diskussion und in dem Beschluss haben wir festgehalten, dass der Landtag die Landesregierung im Rahmen vorhandener Mittel beauftragt, dass die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus gestärkt werden soll und ihre Arbeit in der Landesregierung sichtbarer gemacht werden soll. Die SPD hat dem Antrag zugestimmt.
(Elisabeth Müller-Witt [SPD]: Wir haben sie nicht aus der Landeszentrale rausschneiden wollen! – Carsten Löcker [SPD]: Guter Versuch! Guter Versuch!)
Die FDP, gebe ich zu, hat sich enthalten. Aber es gab die Zustimmung der SPD, und es war der Auftrag des Parlaments an die Landesregierung, dass man die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus stärkt.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Genau das tut jetzt die Landesregierung und bildet eine Stabsstelle im Ministerium. Ich muss ehrlich sagen, ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie jetzt sagen, das sei aber der große Kahlschlag.
Präsident André Kuper: Frau Kollegin, ich müsste einmal kurz unterbrechen. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.
Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, sehr gerne. Natürlich.
Präsident André Kuper: Kollegin Müller-Witt hat das Wort.
Elisabeth Müller-Witt (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Sie haben das so weit richtig geschildert. Aber der Beschluss war damals nicht, die Koordinierungsstelle bzw. das Referat, in dem sich die Landeskoordinierungsstelle befindet, aus der Landeszentrale für politische Bildung rauszunehmen. Der Beschluss war, die Landeskoordinierungsstelle zu stärken. Wenn Sie sich die anderen Länder anschauen, dann ist das dort nicht so. Wie erklären Sie sich, dass die anderen Länder die Landeszentralen für politische Bildung nach wie vor aufwachsen lassen, und Sie die kappen?
Verena Schäffer (GRÜNE): Ich will erst mal festhalten: Sie haben recht, in dem Antrag stand nicht, dass wir die Landesregierung auffordern, dass sie das Referat nach oben ziehen und eine Stabsstelle daraus machen soll. – Das hätten wir als Parlament auch gar nicht beschließen dürfen, weil das in der Organisationshoheit der Landesregierung liegt. Das kann das Parlament so gar nicht festlegen. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen, dass die Landeskoordinierungsstelle gestärkt wird. Das haben wir als Auftrag gegeben. Das setzt die Landesregierung gerade um. Das passiert gerade.
Wenn Sie fragen: „Wie kann es sein, dass in anderen Ländern die Landeszentrale gestärkt wird bzw. die Landeszentralen dort aufwachsen?“, bin ich komplett bei Ihnen, dass wir darüber reden müssen, wie wir die Landeszentrale schlagkräftiger machen, dass wir sie innovativer aufstellen, dass wir die gute Arbeit, die die Landeszentrale leistet, noch viel besser machen. Lassen Sie uns darüber reden; denn genau darum geht es doch eigentlich. Wir müssen darüber sprechen, dass wir die politische Bildungsarbeit stärker und noch besser machen.
Ich teile einfach nicht Ihren Schluss, und das habe ich schon im Ausschuss gesagt: Wenn man die x-te Publikation rausgibt, noch eine Publikation und noch eine Publikation und noch ein Buch, ist das noch lange kein guter Beitrag zur politischen Bildungsarbeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Lassen Sie uns doch darüber reden, wie wir wirklich die Bildungsarbeit stärken, statt die x-te Publikation rauszugeben. Das fehlt mir, ehrlich gesagt, gerade. Das fehlt mir auch in einer ehrlichen Debatte darüber, was eine Landeszentrale für politische Bildungsarbeit leisten soll, was sie leisten kann und was für eine Erwartung wir an sie haben.
Noch ein Punkt dazu: Sie sagen, wir schwächen die Landeszentrale, indem wir die Landeskoordinierungsstelle rausnehmen. Ich nehme das nicht als Schwächung wahr. Ganz im Gegenteil! Sie haben gerade selbst aufgezählt, welche Referate weiterhin in der Landeszentrale verbleiben sollen. Das sind doch die Kernaufgaben der Landeszentrale für politische Bildung. Die werden nicht geschwächt. Die verbleiben in der Landeszentrale.
Ich habe hohes Vertrauen darin, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr engagiert in der Landeszentrale arbeiten, ihre gute Arbeit weiterhin fortsetzen werden. Ich frage mich schon ein bisschen: Haben Sie das Vertrauen in die gute Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa nicht? Trauen Sie diesen Referaten nicht zu, dass sie weiterhin gute Arbeit leisten werden?
Ich will auch sagen, dass es ein rotes Haus, ein SPD-geführtes Familienministerium war, in dem die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit in der Legislaturperiode 2012 bis 2017 und davor angesiedelt war. Es war auch genau dieses Ministerium, das damals eine Projektstelle beim Staatssekretär eingerichtet hat, bei der die Landeskoordinierungsstelle gegen Rassismus und Rechtsextremismus angesiedelt war. Dabei sind gute Sachen wie das integrierte Handlungskonzept herausgekommen.
Aus meiner Sicht hat das zu einer Stärkung der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus beigetragen; es war ein wichtiger und ein entscheidender Beitrag, der damals geleistet wurde. Deshalb erwarte ich auch gerade in dieser Zeit, in der es darum gehen muss, die Demokratie und die Arbeit gegen Rechtsextremismus zu stärken, sehr viel von dieser Stabsstelle.
Lassen Sie uns die Stabsstelle doch als eine wichtige Chance und als einen Beitrag gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und antidemokratische Einstellungen begreifen. Lassen Sie uns gleichzeitig daran arbeiten, die Landeszentrale für politische Bildung gut aufzustellen, damit sie ihre Arbeit leisten kann.
Wir haben mit dem Koalitionsvertrag vorgesehen, einen unabhängigen Beirat zu gründen, der die Landeszentrale unterstützt. Das bereiten wir aktuell vor. Ich denke, dass das wichtige Schritte zur Stärkung der politischen Bildungsarbeit in Nordrhein-Westfalen sind.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der zweite Redebeitrag zu diese Tagesordnungspunkt von
Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern noch einmal auf ein paar Punkte von Herrn Wedel eingehen. Weil Sie in Ihrer Rede gesagt haben, dass wir im Haushalt beim Extremismus mehr und bei der Landeszentrale weniger machen, möchte ich kurz erläutern, was damit gemeint ist.
Wir haben zusätzliche Gelder für die Antisemitismusprävention eingestellt, nämlich 56.000 Euro. Ich halte es für sehr gut, dass wir das gemacht haben. Gerade in der aktuellen Zeit wissen wir, wie absolut notwendig das ist. Ich gehe davon aus – so kenne ich Sie auch –, dass Sie das sehr ähnlich beurteilen werden.
Außerdem haben Sie gesagt, dass es bei der Landeszentrale weniger Mittel sind. Das ist mir ein wichtiger Punkt, weil in der Debatte in den vergangenen Wochen immer eine Rolle gespielt hat, warum Schwarz-Grün bei der Landeszentrale kürzt.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich finde das auch nicht einfach. Ich finde es wirklich schmerzhaft, gerade bei der Landeszentrale – unter dem hohen Spardruck, unter dem wir gestanden haben; wir haben gestern den Haushalt verabschiedet – zu kürzen. Natürlich ist das nicht einfach. Ich finde es aber an dieser Stelle vertretbar, und zwar deshalb, weil es Mittel in einem Bereich waren, der nicht in die inhaltliche politische Arbeit der Landeszentrale eingreift. Wir haben also nicht dort gekürzt, sondern bei Publikationen und Veranstaltungen.
Ich halte das tatsächlich für vertretbar, weil wir – das habe ich eben schon gesagt – nicht von der x-ten Broschüre sagen können, das sei jetzt die wirksame Arbeit gegen Antisemitismus oder für Demokratiebildung.
Meines Erachtens müssen wir bei der Landeszentrale deutlich innovativer werden und auch hinterfragen, wie wir es mit den vorhandenen Mitteln und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die eine super Arbeit machen, schaffen, wirklich nach vorne zu gehen und eine gute und innovative Arbeit der Landeszentrale zu leisten.
Herr Wedel, Sie haben gerade gesagt: Lassen Sie uns doch mit der Stabsstelle bis nach der Anhörung warten. – Ich halte das für keine gute Idee, weil die aktuelle Situation eigentlich keinen Aufschub mehr duldet. Wir haben diesen sehr offenen Antisemitismus spätestens seit dem 7. Oktober. Wir wissen alle, dass er vorher schon da war. Aber das zeigt für mich noch einmal, wie dringend notwendig es ist, schnell diese Arbeit zu starten, damit sie wirksam werden kann.
Deshalb fände ich es eigentlich schön, wenn wir statt der Anhörung zu diesem Antrag, in dem es um einen vermeintlichen Kahlschlag geht, im Ausschuss eine Anhörung …
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Die Redezeit.
Verena Schäffer (GRÜNE): … zur Stärkung der politischen Bildungsarbeit, zur Stärkung der Landeszentrale für politische Bildung durchführen würden. Das wäre eine sehr lohnende und eine gute Anhörung.
Lassen Sie uns das doch mitdenken, und lassen Sie uns …
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin!
Verena Schäffer (GRÜNE): … an die gute demokratische Zusammenarbeit im Hauptausschuss anknüpfen. Ich glaube, wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass die Landeszentrale auch in Zukunft sehr gut aufgestellt sein wird. – Vielen Dank.