Verena Schäffer: „Das ist unsere gemeinsame Verantwortung“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von SPD und FDP zum Verfassungsschutzbericht NRW 2023

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verfassungsschutzbericht ist besorgniserregend, aber nicht überraschend. Er ist nicht überraschend, wenn man einen Blick auf die Entwicklungen der letzten Monate wirft und die Rede von Herrn Wagner hört.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Henning Höne [FDP])

Die AfD radikalisiert sich immer weiter und verbreitet Verschwörungstheorien; gerade haben wir es wieder gehört. Die AfD lässt sich von Putin bezahlen und beschäftigt Spione des chinesischen Geheimdienstes.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Die AfD schmiedet mit anderen Rechtsextremen zusammen rassistische, menschenverachtende Deportationspläne.

(Zuruf von der AfD: Lüge!)

Die AfD bedroht unsere Demokratie. Aber wir werden unsere Demokratie verteidigen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Ein weiteres Schlaglicht der letzten Monate war der Angriff der terroristischen Hamas auf Israel – eine Zäsur auch hier in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen. Nach dem 7. Oktober 2023 ist der Antisemitismus in einer Deutlichkeit zutage getreten, die zeigt, wie tief der Antisemitismus und der Hass auf Israel in dieser Gesellschaft verbreitet sind. Ich finde das absolut beschämend.

Jeder Mensch muss in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland in Sicherheit leben können. Dafür müssen wir gemeinsam sorgen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Henning Höne [FDP] – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Demokratie ist im ganzen Land und weltweit massiven Angriffen ausgesetzt. Das hat ganz konkrete Folgen für unsere Gesellschaft, ganz konkrete Folgen für Menschen. Jugendliche werden auf TikTok tagtäglich mit Antisemitismus und Rassismus konfrontiert. Lehrkräfte berichten davon, dass rassistische Vorfälle an Schulen zunehmen. Jüdische Studierende fühlen sich an deutschen Hochschulen nicht mehr sicher. Kommunale Mandatsträger überlegen dreimal, ob sie bei der nächsten Kommunalwahl noch mal antreten und sich der Bedrohung aussetzen sollen.

Die großartigen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie zeigen aber auch: Wir Demokratinnen und Demokraten sind in der Mehrheit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Die demokratiefeindlichen Entwicklungen der letzten Monate, der letzten Jahre sind auch im Verfassungsschutzbericht abgebildet.

Damit eines klar ist: Unsere Demokratie ist wehrhaft. – Auch das zeigt der Verfassungsschutzbericht. Denn unser Verfassungsschutz schaut hin. Er beobachtet. Bei konkreten Anhaltspunkten gibt er diese an die Polizei weiter.

Als schwarz-grüne Koalition stehen wir für einen hohen Ermittlungsdruck und eine konsequente Strafverfolgung. Es darf keinen Raum für demokratiefeindliche Verschwörungstheorien, Umsturzfantasien und Gewalt geben. Deshalb lassen wir nicht zu, dass Verfassungsfeinde sich in NRW ausbreiten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich sage ganz deutlich, dass Gewalt niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein kann. Das gilt selbstverständlich auch für den Linksextremismus. Die Zunahme im vergangenen Jahr ist auch im Kontext der Räumung von Lützerath zu sehen. Das gehört zur Analyse und ist keine Rechtfertigung, denn für Gewalt kann es niemals eine Rechtfertigung geben.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zum Islamismus muss man klar sagen, dass die Gefahr durch Islamismus weiterhin hoch ist. Der IS ist in Syrien weiterhin aktiv. Der ISPK nutzt die Situation in Afghanistan, breitet sich weiter aus und rekrutiert dort Anhänger.

Der jüngste Anschlag des ISPK in Moskau mit 143 Toten und Hunderten Verletzten erinnert an den grausamen Terroranschlag auf das Bataclan in Paris 2015. Das zeigt eben auch: Der Islamismus sucht sogenannte weiche Ziele. Er tötet bewusst viele Menschen. Wir wissen auch, dass weltweit die meisten Opfer des Islamismus Musliminnen und Muslime sind.

Die Behörden müssen wachsam bleiben, und sie sind in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen wachsam. Auch wir als Gesellschaft müssen wachsam bleiben, wenn Islamisten versuchen, Anhänger zu gewinnen.

Ich finde, dass wir mit den Wegweiser-Beratungsstellen in Nordrhein-Westfalen eine wirklich gute Struktur haben, auf die wir setzen können und auf der wir aufbauen.

(Beifall von den GRÜNEN und Thorsten Schick [CDU])

Der Islamismus geht oft mit antisemitischen, mit antiisraelischen Einstellungen einher. Der Angriff der Hamas auf Israel erinnert in seiner Vorgehensweise, in seiner gesamten Brutalität an den sogenannten Islamischen Staat.

Dass es auch in Nordrhein-Westfalen zu einer Vielzahl von antisemitischen Straftaten gekommen ist und weiterhin kommt, beschämt mich zutiefst. Antisemitische Straftaten werden konsequent verfolgt. Das ist wichtig.

Genauso wichtig ist es, dass wir Prävention fördern und alles dafür tun, dass Jüdinnen und Juden in Nordrhein-Westfalen sicher leben, sicher zur Schule gehen und sicher studieren können. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Werner Pfeil [FDP])

Bei der Lektüre des Verfassungsschutzberichts wird auch deutlich, dass die größte Gefahr für unsere Demokratie weiterhin vom Rechtsextremismus ausgeht. An jedem dritten Tag wird in Nordrhein-Westfalen eine rechtsextreme Gewalttat begangen; über 86 % sind Straftaten der Hasskriminalität. Wir wissen, dass rassistische Stimmungen in der Gesellschaft immer auch als Legitimation für rechtsextreme Taten, Gewalttaten, Anschläge dienen.

Schon allein deshalb ist die Bekämpfung des Rechtsextremismus keine Aufgabe allein der Sicherheitsbehörden. Wir brauchen die Auseinandersetzung in der gesamten Gesellschaft. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und auch eine Querschnittsaufgabe aller Ressorts dieser Landesregierung. Lieber Sven Wolf, genau so wird in dieser Landesregierung gehandelt: als Querschnittsaufgabe.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Sven Wolf [SPD]: Das hoffe ich!)

Mir ist besonders wichtig, dass wir den Minderheitenschutz und die Solidarität mit von Rassismus und Rechtsextremismus Betroffenen in den Vordergrund stellen. Ich bin froh darüber, dass wir es geschafft haben, den Antrag zur geplanten Rahmenvereinbarung mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma interfraktionell auf den Weg zu bringen – Stichwort „Minderheitenschutz“. Das war eine sehr wichtige Initiative.

(Sven Wolf [SPD]: Das stimmt! Das ist richtig!)

Wir planen das Landesantidiskriminierungsgesetz. Auch das ist ein wichtiges Zeichen für die Solidarität mit Betroffenen.

Mit der neuen Stabsstelle „Prävention gegen Antisemitismus, politischen und religiösen Extremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit“, angesiedelt bei der Staatssekretärin im MKW, stärken wir die Arbeit in diesem Themenfeld.

In Richtung der FDP möchte ich gerne sagen: Das Demokratiefördergesetz auf Bundesebene muss endlich kommen und darf nicht länger von der FDP blockiert werden. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die Beratungsstellen und die Strukturen gegen Rechtsextremismus aufzustellen und zu stärken. Das Gesetz muss kommen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Die Verteidigung der Demokratie ist keine Aufgabe für den Verfassungsschutz allein. Es kommt auf jede und jeden Einzelnen von uns an, jeden Tag für unsere Demokratie einzustehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)