Tim Achtermeyer: „Hier muss der Staat eben mal der Industrie helfen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag auf eine Aktuelle Stunde zum Industriestrompreis

Portrait Tim Achtermeyer

Der Antrag auf einer Aktuelle Stunde „Absage von Bundeskanzler Scholz an die Einführung eines Industriestrompreises gefährdet den Industriestandort Nordrhein-Westfalen“

Tim Achtermeyer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine spannende Debatte heute. Wir haben zwei SPDen gehört.

Zum einen habe ich eine SPD wahrgenommen, die das Kunststück vollbringen wollte, nicht dem Kanzler zu widersprechen und gleichzeitig zu sagen, dass der Industriestrompreis, wie Robert Habeck ihn vorschlägt und wie Herr Wüst und Frau Neubaur ihn gefordert haben, richtig ist.

Zum anderen habe ich eine SPD gehört: Herr Stinka, was Sie uns am Ende sagen wollten, weiß ich auch nicht.

(Beifall von den Grünen – André Stinka [SPD]: Die Wahrheit!)

Sie haben über alles geredet, aber nicht über den Industriestrompreis. Einen Kongress sollen wir machen. Wissen Sie, was das Ergebnis dieses Kongresses wäre? Die Industrie würde sagen: Wir brauchen einen Industriestrompreis. – Das wäre das Ergebnis. Wir machen ihn, weil wir ihn richtig finden. Deswegen muss er einfach kommen.

(Zuruf von Sarah Philipp [SPD] – André Stinka [SPD]: Sie machen ihn ja nicht!)

Und dann muss ich sagen: Keine Ahnung, woher Ihre pathologische Fokussierung auf Jens Spahn kommt, aber nicht Jens Spahn ist entscheidend, sondern der Kanzler ist entscheidend. Was der Kanzler macht, ist entscheidend – im Guten wie im Schlechten, im Langsamen wie im Schnellen, im Handeln wie im Zögern.

(Beifall von der FDP und der CDU – Christian Loose [AfD]: Das Problem ist: Nach einer Woche kann er sich nicht mehr erinnern!)

Zur FDP: Jetzt sollen wir die Konzessionsabgabe senken. Diese geht zu 100 % auf Kosten der Kommunen. Wie konnte man denn gestern hier im Plenum sagen, die Kommunen hätten Probleme, um dann heute Verträge auf Kosten Dritter machen? Wie geht das denn zusammen?

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Sie haben das Bundesfinanzministerium. Falls Sie einen konkreten, anderen Vorschlag haben wollen: Senken Sie die Stromsteuer. Das hat die Wirtschaftsministerkonferenz einstimmig beschlossen. Sie könnten es machen. Tun Sie es bitte.

(Beifall von den GRÜNEN und vereinzelt von der CDU)

Folgende Frage ist in der Tat richtig: Wie lang ist die Brücke, über die wir gehen müssen? Geht es um drei, fünf, zehn oder 20 Jahre? Je nach Zeitraum hätte ich unterschiedliche Einschätzungen, ob es richtig ist oder nicht, so eine Subventionierung vorzunehmen. Allerdings ist diese Distanz nicht gottgegeben. Es liegt ja an uns. Wir müssen sie kurz machen, und wir machen sie kurz, indem wir die 1.000-Meter-Abstandsregelung überwinden, indem wir genehmigen, was das Zeug hält, indem wir die Photovoltaik ausrollen, indem wir erneuerbare Energien in dieses Land bringen.

Bei Ihren Plänen und Ihren Ambitionen müssten wir tatsächlich 100 Jahre überbrücken. Das ist richtig. Aber es ist nicht gottgegeben. Wir können diese Zeit kurz machen. Auch dann müssten wir sie allerdings auch mithilfe des Industriestrompreises überbrücken.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich finde es wirklich nicht gut, dass Sie von der FDP den Mittelstand gegen die Industrie ausspielen. Da waren wir wirklich weiter.

(Henning Höne [FDP]: Wir haben den Mittelstand zitiert! Das ist doch kein Ausspielen!)

Es ist doch nicht so – und das haben Sie auch suggeriert –, dass der Industriestrompreis dazu führt, dass die Stromkosten für die Bürger*innen, für die Otto Normalverbraucher*innen teurer wird. Das ist einfach nicht der Fall, weil es keine Umlage ist, die den Industriestrompreis finanziert, sondern wir können es über den WSF finanzieren.

(Marcel Hafke [FDP]: Nichts verstanden! – Henning Höne [FDP]: Wer zahlt denn die Steuern?)

Das wäre richtig, und deswegen muss es das Instrument des WSF auch dafür freigeräumt werden. Dazu brauchen wir den Finanzminister, der sagen muss: „Wir machen das“, damit die wir die Industrie gemeinsam über diesen schwierigen Zeitpunkt hieven.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Noch ein Letztes:

(Henning Höne [FDP]: 30 Milliarden Euro neue Schulden! Sie haben nichts dazugelernt!)

– Beruhigen Sie sich! Ich habe gestern gesagt: Dieser Staat ist stark. Ich bin der Auffassung, das ist auch bei diesem Thema richtig.

(Zuruf von der SPD)

Noch stärker ist der Staat, wenn wir, was die Themen „Industrie“ und „Zivilgesellschaft“ angeht, alle Potenziale gemeinsam heben. Hier muss der Staat eben mal der Industrie helfen, und das können wir gemeinsam tun. Deswegen ist von dieser Debatte heute, wie ich glaube, ein starkes Signal von diesem Landtag in Nordrhein-Westfalen ausgegangen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)