Somin Rock: „Wirkliche Freude hat niemand daran“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu Grundsteuerbescheiden

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und täglich grüßt das Grundsteuermurmeltier, könnte man meinen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Grund waren stark veraltete Einheitswerte. Der Bundestag hat daraufhin eine Grundsteuerreform vorgenommen, und in der Folge müssen bundesweit 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Allein in Nordrhein-Westfalen sind 7 Millionen betroffen.

Das ist eines der größten Steuererhebungsverfahren in der Geschichte unseres Landes, eine Mammutaufgabe für die Finanzverwaltung und zweifellos auch für viele Bürgerinnen und Bürger. Wirkliche Freude hat niemand daran.

Da sich Bund und Länder auf eine Länderöffnungsklausel geeinigt haben, hätte NRW rechtzeitig ein vom Bundesmodell abweichendes Grundsteuermodell einführen können. Das hätte aber in der letzten Legislaturperiode erfolgen müssen, ist aber nicht erfolgt. Es gab entsprechende Anträge von unserer Fraktion zu einem einfachen Bodenwertsteuermodell. Das hat aber die FDP-Fraktion abgelehnt; aus ideologischen Gründen, muss man sagen.

Trotzdem bleibt festzuhalten, dass das Bundesmodell verfassungsfest ist; in jedem Fall verfassungsfester als das von der FDP-Fraktion favorisierte Flächenmodell, denn das würde vor allem Immobilien in reichen Vierteln begünstigen. Sie mögen dies ausweislich Ihres Antrags als gerechtes Steuersystem bezeichnen. Ich halte das im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip für verfassungsrechtlich bedenklich. In der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf letztes Jahr sahen dies auch viele Juristen wie beispielsweise Prof. Krumm von der Universität Münster und Dr. Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft so.

Mit diesem Modell konnten Sie sich aus guten Gründen zuerst in der schwarz-gelben Koalition nicht durchsetzen. Der Kollege Klenner hat das eben schon ausgeführt. Anschließend haben Sie es in der Opposition damit versucht, obwohl der Zug hier schon längst abgefahren war. Nachdem Sie auch hier keinen Erfolg hatten, versuchen Sie es jetzt mit der Behauptung, das Bundesmodell sei möglicherweise verfassungswidrig. Deshalb beantragen Sie, die Bescheide nur vorläufig zu erlassen.

Doch so einfach ist die Welt nicht. Da Bundestag und Bundesrat dem Gesetz in einem ordnungsgemäßen Verfahren zugestimmt haben, ist es auch verfassungsgemäß zustande gekommen. Daran gibt es keinen Zweifel.

Inhaltlich ist es auch nicht offensichtlich verfassungswidrig. Dafür reichen die Behauptungen einzelner Juristen nicht aus. Es wäre außerdem ein etwas merkwürdiges Verständnis von Gewaltenteilung, wenn die Landesverwaltung bei dieser Faktenlage die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen würde, denn die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit muss am Ende das Bundesverfassungsgericht treffen und niemand anderes, erst recht nicht die Finanzverwaltung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Selbst wenn man sich über diese Bedenken hinwegsetzen könnte, kommt der FDP-Antrag schlicht zu spät. Ich kann nur noch das betonen, was der Kollege Klenner eben richtigerweise angesprochen hat. Mehr als die Hälfte der Steuerbescheide ist bereits rechtskräftig. Damit würden ausgerechnet diejenigen Steuerbescheide nur vorläufig beschieden, die erst nach Fristablauf eingereicht wurden. Aus meiner Sicht wäre das ein sehr merkwürdiges Signal an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in unserem Land.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Man könnte auch sagen: Der Grundsteuerzug ist der FDP erneut davongefahren, und abgefahrene Züge kommen nicht zurück, egal wie viele Anträge und Anfragen man zu dem Thema stellen mag.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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