Simon Rock: „Wir werden niemandem im Regen stehen lassen“

Zur Einbringung des Nachtragshaushalts 2022 - zweite Lesung

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir leben in herausfordernden Zeiten und sind mit einer Vielzahl von Krisen gleichzeitig konfrontiert – den Krisen, die durch den von Putin befohlenen Überfall auf die Ukraine ausgelöst wurden. Steigende Preise, besonders für Energie, bringen Sorgen mit sich – Sorgen, die in breiten Teilen der Bevölkerung spürbar sind.

In Anbetracht der geltenden Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist es vor allem die Aufgabe des Bundes, die Menschen in unserem Land zu entlasten. Selbstverständlich beteiligen wir uns als Land an den Entlastungspaketen des Bundes fair und solidarisch. Das haben wir gestern auch unter Beweis gestellt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Selbstverständlich werden wir die Bemühungen des Bundes dort sinnvoll ergänzen, wo noch Lücken vorhanden sind. Wir werden niemandem im Regen stehen lassen.

So unterstützen wir unsere Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in diesen schwierigen Zeiten mit einer Energiepreispauschale. Damit ergänzen wir die Bemühungen der Bundesregierung, die eine Energiepreispauschale noch im Dezember dieses Jahres an alle Rentnerinnen und Rentner auszahlen wird. Wir stellen mit diesem Nachtragshaushalt 70 Millionen Euro zur Verfügung, damit sie jeweils 300 Euro ausgezahlt bekommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Auch die Energieberatung des Verbraucherschutzes sichern wir für kommendes Jahr ab. Wir setzen jetzt schon das Signal, dass sie fortgeführt wird. Deshalb stellen wir eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 7 Millionen Euro in den Haushalt ein – unerlässlich in diesen Zeiten, in denen wir alle gemeinsam sparsam mit Energie umgehen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Außerdem spannen wir mit diesem Nachtragshaushalt einen Rettungsschirm für unsere Stadtwerke auf. Denn die Stadtwerke stehen angesichts der hohen Volatilität auf den Energiemärkten vor enormen Liquiditätsproblemen. Deshalb stellen wir über unsere Förderbank Liquiditätskredite in Höhe von bis zu 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir gehen damit einen wichtigen Schritt, um Strom- und Gaspreissperren zu vermeiden.

Auch unseren Universitätskliniken greifen wir mit Kassenverstärkungskrediten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro unter die Arme.

Das alles macht deutlich: Diese Koalition handelt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Viel katastrophalere Folgen als nur steigende Preise hat der Angriff auf die Ukraine natürlich auf die direkt betroffenen Menschen in der Ukraine. Deutschland trägt seinen Teil dazu bei, das Leid der Ukrainer zu lindern. Auch wir in NRW tun unser Bestes. Wir stehen an der Seite der Menschen in der Ukraine, und wir stehen an der Seite der Menschen, die aus der Ukraine fliehen mussten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich bin froh darüber, dass trotz aller Unterschiede in der Sache die große Mehrheit in diesem Haus hinter dieser Aussage steht.

Über den Nachtragshaushalt stellen wir allein aus dem Landeshaushalt weitere 570 Millionen Euro bereit, um aus der Ukraine geflohene Menschen unterzubringen und zu versorgen. Hinzu kommen weitere 430 Millionen Euro an Bundesmitteln, die wir an unsere Kommunen weiterreichen.

(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Wir schlagen hierbei im Rahmen eines Änderungsantrags vor, dass die Kommunen diese Pauschalmittel bis Ende 2023 verausgaben können. So geben wir unseren Städten und Gemeinden in NRW mehr Zeit bei der Abwicklung.

Für die aus der Ukraine geflüchteten Kinder schaffen wir 1.000 zusätzliche Stellen an unseren Schulen. So können sie ihre Schulbildung hier fortsetzen, und wir schaffen mit den Schulen einen wichtigen Anker in ihrem Leben, das durch die Gräueltaten Putins zerrüttet wurde.

Die Schulen und Kitas stärken wir zudem durch eine Entlastung der Fachkräfte. Das Alltagshelferprogramm für Kitas und Offene Ganztagsschulen hat zu spürbaren Entlastungen der pädagogischen Fachkräfte geführt. So können sich die Fachkräfte auf ihre originären Aufgaben konzentrieren. Wir senden das Signal: Wir werden es über 2022 hinaus verlängern.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Auch die ungleiche Bezahlung der Lehrkräfte werden wir beenden. Mit dem Stufenplan zur Anhebung der Eingangsbesoldung auf A13 lösen wir unser Versprechen für gleichen Lohn für gleiche Arbeit ein. Wer denselben Studienabschluss hat, dieselbe Ausbildung zur Lehrkraft, der hat denselben Anspruch auf Vergütung.

Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit an unseren Schulen und auch ein wichtiger Schritt, um hoffentlich mehr junge Menschen davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, an unseren Schulen zu unterrichten. Besonders an den Grundschulen brauchen wir engagierte junge Menschen, die den Grundstein unserer Zukunft legen.

Das sehen auch viele Gewerkschaften so. In der Anhörung zum Nachtragshaushalt stellte Stefan Behlau, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, fest – ich zitiere –:

„Drittens und nicht zuletzt wird es Sie nicht verwundern, dass der VBE NRW den Einstieg in die Anhebung der Lehrkräftebezahlung, der bereits durch den vorgelegten Nachtragshaushalt erfolgen soll, ausdrücklich begrüßt. Nach vielen Jahren folgenloser Ankündigungen erfolgt somit endlich eine Konkretisierung. Das ist gerade in diesen schwierigen Zeiten gut; das ist erfreulich.“

Bei alledem dürfen wir aber nicht außer Acht lassen, dass die größte Krise unserer Zeit, die Klimakrise, nicht auf uns wartet. Wir alle spüren sie bereits jetzt in unserem Alltag. Die sieben heißesten Jahre in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung liegen alle im 21. Jahrhundert. Wir aller erinnern uns noch gut an die Temperaturrekorde in diesem Sommer, an die niedrigen Pegelstände des Rheins, die Teile der Schifffahrt lahmgelegt haben, an die Waldbrände in Europa und auch in Deutschland. Wir müssen jetzt handeln, um noch höhere Folgekosten in der Zukunft zu vermeiden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Genau das tun wir mit diesem Nachtragshaushalt. Um unseren zum großen Teil auf der Industrie beruhenden Wohlstand zu bewahren und gleichzeitig in eine klimaneutrale Zukunft voranzugehen, stellen wir mit diesem Nachtragshaushalt 80 Millionen Euro für Klimaschutzinvestitionen in der Industrie bereit. Weitere 120 Millionen Euro werden als Verpflichtungsermächtigung für die nächsten Jahre bereitgestellt. Wir gehen einen wichtigen Schritt, um NRW zum ersten klimaneutralen Industrieland zu machen.

Konkret unterstützen wir damit kleinere und mittlere Unternehmen dabei, in klimafreundliche Produktionsprozesse zu investieren. Hier stärken wir auch die Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate und erweitern ihre Kompetenzen. Das nützt nicht nur dem Klima, sondern vermindert auch unsere Abhängigkeit von fossilen Energien und Diktaturen.

(Ralf Witzel [FDP]: Wann wirkt das denn?)

Die FDP beantragt, ausgerechnet hier den Rotstift anzusetzen.

(Ralf Witzel [FDP]: Wann wirkt das denn?)

– Wenn Sie sich das einmal anschauen würden, würden Sie feststellen, dass es sich dabei um Selbstbewirtschaftungsmittel nach § 15 Abs. 2 Landeshaushaltsordnung handelt. Als Finanzexperte sollte Ihnen ja auch bewusst sein, was für Implikationen das dann hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Sie wollen also beim Klimaschutz den Rotstift ansetzen. Daran sieht man doch sehr gut, dass es einen entscheidenden Unterschied macht, ob FDP oder Grüne in NRW mitregieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie wollen beim Klimaschutz sparen. Sie wollen ausgerechnet hier die Axt anlegen. Sie setzen weiter auf fossile Energien und setzen so die Fehlentscheidungen der Vergangenheit fort, die uns erst in diese fatale Lage gebracht haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es wird Zeit, dem endlich ein Ende zu machen. Gut, dass Sie in NRW nicht mehr den Klimaschutz ausbremsen können!

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Auch die 289 zusätzlichen Stellen in der Landesverwaltung bringen den Klimaschutz in NRW voran. Denn damit beschleunigen wir Planungs- und Genehmigungsverfahren, beispielswiese beim Bau von Windenergieanlagen,

(Jochen Ott [SPD]: Oh, da bin ich aber gespannt!)

die wir gerade heute so dringend brauchen und die in der Vergangenheit aus ideologischen Gründen so stark ausgebremst wurden.

Und auch dort, wo wir mit unseren Klimaschutzmaßnahmen zu spät kommen, handeln wir. Wir stärken direkt zu Beginn der Legislaturperiode den Katastrophenschutz, das Krisenmanagement und die zivile Alarmplanung.

Diese Regierungskoalition handelt so, wie es die Zeiten erforderlich machen. Ich bin froh, dass auch die kommunale Familie diese Einschätzung offenkundig teilt. Benjamin Holler vom Städtetag NRW sagte beispielsweise in der Sachverständigenanhörung mit Bezug auf den Überfall Russlands auf die Ukraine, auf die Coronakrise und auf die Klimakrise – ich zitiere –:

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

„All diese Punkte findet man im Nachtragshaushalt wieder. Man sieht, Sie wollen die Mehreinnahmen nutzen, um sich auf die mehrfachen Krisen einzustellen. Das ist gut.“

(Stefan Zimkeit [SPD]: Dann lesen Sie doch mal die Kritik des Städtetages vor!)

– Ja, ich habe …

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ja!)

– Ja, es mag ja sein …

(Lachen von der SPD – Stefan Zimkeit [SPD]: Die blenden Sie komplett aus!)

– Ja, regen Sie sich doch nicht auf.

Am Ende des Tages steht hier ein solider Nachtragshaushalt zur Abstimmung, der zum einen die Krisen der Zeit erkannt hat und diesen begegnet und zum anderen über den Tellerrand der Krisen schaut und dringend notwendige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von Nordrhein-Westfalen anstößt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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