Simon Rock: „Wir machen innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen das Nötige und Gute“

Zum Entwurf der Landesregierung für einen Nachtragshaushalt 2024 - zweite und dritte Lösung

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Direkt nach dem Kollegen Witzel zu sprechen, bietet die Chance, die eine oder andere Aussage, die er gerade getätigt hat, noch mal einzuordnen und geradezurücken.

Er sprach gerade davon, Neuverschuldung zu vermeiden. Dann will ich der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass es seit Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2020 weder im Bund noch in Nordrhein-Westfalen in keinem einzigen Jahr mit FDP-Regierungsbeteiligung gelungen ist, die Neuverschuldung auf null zu setzen und einen einzigen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen.

Wenn Sie jetzt davon sprechen, Neuverschuldung sei so schlimm, dann zeigen vier Finger auf Sie zurück; das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist richtig, dass der Nachtragshaushalt 2024 erstmals die Nutzung der Konjunkturkomponente vorsieht. Der Kollege Lehne hat eben schon richtig eingeordnet, dass das in den allermeisten Bundesländern der Fall und im Übrigen auch im Bund eine Selbstverständlichkeit ist.

In der ersten Lesung und auch heute gab es viel Kritik; das sei irgendein mysteriöser Haushaltstrick. Wir haben aber schon damals darauf hingewiesen, und es bleibt auch richtig, dass das kein Trick ist, sondern expliziter Teil der Schuldenbremse, wie sie von CDU und – man höre und staune – FDP seit 2019 in der Landeshaushaltsordnung gesetzlich verankert ist.

Wir nutzen diese Konjunkturkomponente nicht aus Spaß, sondern weil die Rahmenbedingungen für den Haushaltsvollzug äußerst schwierig sind. Sie sind viel schwieriger, als wir das bei der Haushaltsaufstellung im Dezember 2023 noch gedacht haben, weil sich die Steuereinnahmen leider schlechter entwickelt haben als erwartet, und zwar noch schlechter, als wir das selbst im Mai dieses Jahres noch angenommen haben.

Hinzu kommen in der Tat die bundespolitischen Entscheidungen aus den Vorjahren, die den Landeshaushalt strukturell belasten. Wir werden abwarten, wie sich das weiterentwickelt und ob die Vorhaben, die die Haushalte für die nächsten Jahre noch weiter belasteten, falls sie so umgesetzt würden, auch so kommen.

Die Lösungen in dieser angespannten Haushaltslage sind selbstverständlich Einsparungen in allen Ressorts und eine Ideologiefreie Anwendung der Rahmenbedingungen, die die Schuldenbremse liefert.

Selbst Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner, der von Olaf Scholz deshalb gefeuert wurde, weil ihm Parteipolitik und Ideologie offensichtlich wichtiger sind als das Wohl des Landes, hat Jahr für Jahr Schulden in Milliardenhöhe durch die Konjunkturkomponente eingeplant und genutzt. Es gehört zur Wahrheit, das zu erwähnen.

(Beifall von den GRÜNEN und von Klaus Hansen [CDU] – Ralf Witzel [FDP]: Er hat aber auch keine Milliarden an Selbstbewirtschaftungsmitteln herumliegen!)

– Auf die Selbstwilligkeitsmittel komme ich gleich noch zu sprechen, Herr Kollege.

Diese angespannte Lage haben führende Ökonomen sowohl von der Arbeitnehmer- als auch von der Arbeitgeberseite in seltener Einigkeit beschrieben. Wichtig ist an dieser Stelle die Feststellung des Sachverständigen Herrn Boysen-Hogrefe in der Anhörung. Sie haben gerade Gegenteiliges insinuiert. Aber aufgrund der Symmetrie der Nutzung der Konjunkturkomponente gibt es keine wesentliche strukturelle, zusätzliche Verschuldung.

(Ralf Witzel [FDP]: Doch! Natürlich!)

Auch der Landesrechnungshof beschreibt die Kreditaufnahme als zulässig und selbstverständlich im Einklang mit den geltenden Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung stehend.

(Christian Dahm [SPD]: Das war doch gar nicht die Frage! Das hat niemand infrage gestellt!)

Insbesondere Herr Witzel erweckt den Eindruck, die Schuldenaufnahme sei nicht notwendig, da Milliarden Euro ungenutzter Selbstbewirtschaftungsmittel in den Kassen der Ministerien lägen.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

– Das wäre schön; es ist aber nicht so.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Natürlich ist es so!)

Fangen wir mit dem Faktencheck an. Ein großer Teil der frei verfügbaren Selbstbewirtschaftungsmittel wird bereits für Einsparungen verwendet. Ohne diesen wären noch größere Einschnitte im Haushalt 2025 notwendig.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Wie viele sind das denn 2024?)

Die verbleibenden Selbstbewirtschaftungsmittel werde alle für einen bestimmten Zweck bereitgestellt. Nur für diesen Zweck, beispielsweise zur Kofinanzierung von EU-Mitteln oder zur Wirtschaftsförderung, dürfen sie genutzt werden.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die FDP kurz vor knapp noch mit einem Änderungsantrag um die Ecke gekommen ist und vorgeschlagen hat, 2,3 Milliarden Euro Selbstbewirtschaftungsmittel in den Haushalt zurückzuführen.

(Ralf Witzel [FDP]: Das haben wir Ihnen gegenüber in der letzten Woche angekündigt!)

Ich wäre bereit, mit Ihnen ernsthaft darüber zu reden, wenn Sie die Begründung nicht mit einem Zweizeiler abgetan hätten, sondern titelscharf gesagt hätten, welche Selbstbewirtschaftungsmittel Sie zurückführen wollen. Sie drücken sich um diese Diskussion, weil Sie genau wissen, dass das im Detail nicht so einfach ist, wie Sie das hier populistisch öffentlich darstellen.

(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämtheit! – Christian Dahm [SPD]: Wir bekommen ja keine Antworten!)

– Natürlich haben Sie Antworten bekommen. Wir sprechen doch gleich über die Antwort auf die Große Anfrage. Auf mehreren Hundert Seiten haben Sie sehr detailliert die Antwort bekommen, wie die aktuellen Stände der Selbstbewirtschaftungsmittel sind.

(Ralf Witzel [FDP]: Teilweise!)

Jetzt behaupten Sie doch nicht, Sie würden keine Antwort bekommen. Das ist doch vollkommener Quatsch.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Es geht nicht nur um Quantitäten, Herr Kollege! – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Meine Redezeit neigt sich leider dem Ende zu.

Wir setzen auf pragmatische Politik und machen innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen das Nötige und Gute. Ich freue mich auf die Zustimmung zum Gesetzentwurf.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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