Simon Rock (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Christian Dahm [SPD]: So ist das, wenn man in der Sonne steht!)
– Ja, ein Platz an der Sonne ist immer etwas Schönes.
Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Einhaltung der Schuldenbremse. Herzlichen Glückwunsch zu der innovativen Forderung, die Landesregierung möge sich doch an das Grundgesetz halten! Ich finde das interessant. Sie hätten genauso gut fordern können, dass man nicht nackt ins Plenum laufen sollte, oder Sie hätten andere Selbstverständlichkeiten fordern können – aber sei es drum.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Unabhängig davon, ob Sie das fordern, hält sich die Landesregierung selbstverständlich an das Grundgesetz. Bei jedem Haushalt hält sie sich auch an die verfassungsrechtlich vorgegebene Schuldenbremse, egal ob Sie das beantragen oder nicht. Offengestanden glaube ich, dass Sie daran auch keinen Zweifel haben.
Es war Ihnen allerdings wohl etwas zu unangenehm, nur einen einzigen Forderungspunkt aufzuschreiben, obwohl Sie im Kern nur diese eine Forderung hatten. In Ihrem Antrag steckt demnach noch ein zweiter Punkt: Die Landesregierung soll die Nutzung eines Sondervermögens zur Umgehung der Schuldenbremse ausschließen. – Ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass Sie sich an ruhigen Abenden unseren Koalitionsvertrag noch mal angeschaut haben, alle Stellen markiert haben, die Ihnen nicht passen, und diese jetzt Plenum für Plenum abarbeiten.
Beim letzten Plenum war es das Thema „pauschale Beihilfe“. Jetzt reden wir über das Thema „Investitionsgesellschaft“. Ich bin wirklich gespannt, was in den nächsten Plenarsitzungen kommen wird. Auf jeden Fall freue ich mich darauf.
(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Grundsteuer!)
– Zur Grundsteuer haben wir zum Glück im Koalitionsvertrag nichts vereinbart, denn der Zug war abgefahren. Darüber haben wir heute Morgen ausreichend diskutiert.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Um mal ein bisschen Sachlichkeit in die Debatte zu bringen:
(Frank Müller [SPD]: Nur ein bisschen!)
CDU und Grüne haben zum Thema „Investitionsfinanzierung“ in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Schuldenbremse bestehende Institutionen nutzen und ihre Aufgaben entsprechend erweitern – nicht mehr und nicht weniger.
Was wir uns vorgenommen haben, ist keine Umgehung der Schuldenbremse. Es ist eine Nutzung der Spielräume, die die Schuldenbremse offenlässt und die der verfassungsändernde Gesetzgeber im Bundestag und im Bundesrat so vereinbart bzw. umgesetzt hat. Deshalb ist es auch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Ich stelle mir nur die Frage, warum die FDP dagegen ist. Warum eigentlich? Sie haben im letzten Plenum einen Antrag zur wirtschaftlichen Entwicklung auf die Tagesordnung setzen lassen, der nichts mit der Realität zu tun hatte. Sie haben darin über Abstürze der NRW-Wirtschaft fantasiert.
(Lachen von Ralf Witzel [FDP])
Gleichzeitig wollen Sie nun Hilfsmaßnahmen wie beispielsweise den von Mona Neubaur vorgeschlagenen Investitionsbooster blockieren.
(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Wo ist die Mona?)
Ich frage mich: Wollen Sie als FDP die Wirtschaft am Boden sehen? Ist das Ihr Ziel?
(Ralf Witzel [FDP]: Das ist Ihr Werk!)
– Wir haben konstruktive Vorschläge gemacht, und Sie torpedieren das hier ganz offensichtlich.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Wir müssen das zur Kenntnis nehmen. Was Sie da vorschlagen, ist komplett irre!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Der Vorschlag von Wirtschaftsministerin Mona Neubaur sieht eine Steuerreduktion von pauschal 25 % für den Zielen der Klimaneutralität und der Transformation dienende Investitionen vor. Die Finanzierung würde über ein Sondervermögen auf Bundesebene laufen. Genau so ging es auch beim Thema „Bundeswehr“, dem die FDP zugestimmt hat. Die Zweckbindung und die Verankerung im Grundgesetz wären glasklar, rechtkonform und würden Rechtssicherheit schaffen. Das wäre ein sehr guter Hebel, um notwendige Investitionen für die Transformation zu stemmen.
Allerdings habe ich so ein bisschen den Eindruck, dass „Zukunftsinvestitionen“ für die FDP ein Schimpfwort sind.
(Heiterkeit von den GRÜNEN)
Diesen Eindruck wird man nicht los. Sie sollten mal überlegen, ob Sie sich in der Finanzpolitik wirklich nur ein Beispiel an der sogenannten schwäbischen Hausfrau nehmen wollen oder ob Sie sich nicht lieber des Beispiels des erfolgreichen Unternehmers bedienen wollen.
(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Wir überlegen aber nicht mit ihrem Geld! – Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])
– Das ist interessant.
Wissen Sie: Kein Weltkonzern hätte es über die eigene Garage hinaus zu etwas gebracht, wenn er in der Wachstumsphase nicht Kredite für Zukunftsinvestitionen aufgenommen hätte.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Kein Unternehmer hätte das gemacht.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Ich war diese Woche in meinem Wahlkreis unterwegs, bei Johnson & Johnson, einem der größten Pharmaunternehmen der Welt mit einem Jahresumsatz von 100 Milliarden Euro. Selbstverständlich hätten die es nicht geschafft, einen der ersten Coronaimpfstoffe auf den Markt zu bringen, ohne Kredite für Investitionen aufzunehmen. Das ist doch das Normalste der Welt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Natürlich darf man als Staat und als Unternehmen Kreditmittel nicht für Quatsch ausgeben – vollkommen klar –, aber einfach nur ideologisch zu sagen: „Kredite sind grundsätzlich schlecht, egal ob als Unternehmen oder als Staat“, ist, wie ich finde, eine Art von Wirtschaftspolitik, die vollkommen unseriös und ideologisch ist. So kann man keinen Staat und keine Volkswirtschaft führen.
(Beifall von den GRÜNEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: So sieht es aus! Kleines Witzelʼsches Karo!)