Simon Rock: „Ihr Gesetzentwurf würde zusätzliche Bürokratie in den Behörden schaffen“

Zum Entwurf der FDP-Fraktion für ein Grundsteuergesetz - zweite Lesung

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundsteuererklärung stellt viele Bürgerinnen und Bürger vor Herausforderungen – vor allem diejenigen, die noch nie online eine Steuererklärung abgegeben haben. Das ist unstrittig und zweifellos ein Problem. Allerdings liegen die Bürokratieprobleme an den Stammdaten und nicht am gewählten Modell.

Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf praktisch wörtlich aus Hessen abgeschrieben, aber auch in Hessen müssen die Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer eine Grundsteuererklärung abgeben, die nahezu identisch mit der in NRW ist. Insofern ist es weitgehend faktenfrei, wenn Sie behaupten, Ihr Modell sei für die Menschen in diesem Land unbürokratischer.

(Ralf Witzel [FDP]: Natürlich!)

Auch die Bewertungsmaßstäbe sind in Ihrem Flächenfaktormodell undurchsichtig und willkürlich. Zumindest mir ist nicht klar, was an einer Berechnungsformel, die sich der dreieindrittelte Wurzel aus einem zu bildenden Quotienten bedient, der seinerseits einen aus Tausenden verschiedenen Summanden bestehenden Divisor beinhaltet, unbürokratisch und leicht verständlich sein soll.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Eine weitere Kostprobe aus Ihrem Gesetzentwurf, § 7 Abs. 2:

„Der Bodenrichtwert ist der zum jeweiligen Hauptveranlagungszeitpunkt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ermittelte Bodenrichtwert nach § 196 Baugesetzbuch (BauGB) der Bodenrichtwertzone, in der das Grundstück liegt. Erstreckt sich das Grundstück über mehr als eine Bodenrichtwertzone, wird für jede in einer Bodenrichtwertzone gelegene Grundstücksteilfläche der jeweilige Bodenrichtwert mit dem Quotienten aus der Grundstücksteilfläche und der Fläche des Grundstücks (jeweils in Quadratmetern) multipliziert; die Summe dieser Produkte ist als Bodenrichtwert der wirtschaftlichen Einheit anzusetzen.“

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der CDU)

Alle Klarheiten beseitigt? Aus meiner Sicht schon.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Darüber hinaus würde Ihr Gesetzentwurf zusätzliche Bürokratie in den Behörden schaffen und unnötig Personalressourcen binden.

Hierfür nur ein paar Beispiele.

Es müssten allein für die Abwicklung Hunderte neue Stellen geschaffen und neue Software bestellt werden.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Die bereits versendeten Steuerbescheide müssten korrigiert und erneut an die Grundstückseigentümerinnen und ‑eigentümer verschickt werden. Dabei war die FDP doch die Partei des schlanken Staates!

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Hinzu kommen die zu erwartenden Einnahmeausfälle für die Kommunen, weil eine Modelländerung zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht mehr rechtzeitig möglich ist. Die kommunalen Spitzenverbände haben diese in der Sachverständigenanhörung auf rund 4 Milliarden Euro beziffert.

Herr Witzel, Sie haben zwar behauptet, dass Ihnen auch daran gelegen sei, dass es zu keinen Steuerausfällen komme. Das finde ich auch gut.

(Ralf Witzel [FDP]: Wählen Sie ein rechtssicheres Modell!)

– Ja, Moment, hören Sie mir doch bis zum Ende zu.

Trotzdem ziehen Sie Ihren Gesetzwurf nicht zurück. Das kann nur zwei Gründe haben. Entweder halten Sie die kommunalen Spitzenverbände für ahnungslos oder Sie nehmen Ihre eigenen Aussagen nicht ernst. Möglicherweise ist der FDP die Finanzsituation der Kommunen in NRW auch nicht ganz so wichtig.

Jetzt zum Thema „Verfassungswidrigkeit“. Im Übrigen haben einige sachverständige Juristen in der Sachverständigenanhörung auch erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an Ihrem Gesetzentwurf geltend gemacht.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das liegt vor allem an der mehr als zweifelhaften Verteilungswirkung Ihres Flächenfaktormodells, denn die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip kommt nach diesem Modell viel zu kurz.

Auch aus ökonomischer Sicht ist das von Ihnen vorgeschlagene Modell nicht sinnvoll. Die Entlastung von unbebauten Grundstücken setzt einfach falsche Anreize. Statt den Wohnungsbau voranzutreiben, wird er behindert.

Um das mal klarzustellen: Auch wir Grünen halten das Bundesmodell nicht für perfekt. Wir könnten uns durchaus bessere Modelle vorstellen und haben diese in der Vergangenheit auch angebracht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die FDP damals gegen einen Modellwechsel gestimmt hat.

Es ist natürlich Ihr gutes parlamentarisches Recht, einen Gesetzentwurf einzubringen, der viel zu spät kommt, um noch vernünftig umgesetzt werden zu können. Aus meiner Sicht ist das aber nicht seriöse Politik.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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