Simon Rock: „Eine derartig geringe Besteuerung von Vermögen bei zeitgleich hoher Besteuerung von Arbeitseinkommen führt zu einer enormen sozialen Ungleichheit“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu Freibeträgen für Erbschaften und Schenkungen

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es soll sich wieder lohnen, zu arbeiten, sagte der Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, noch vor wenigen Wochen im Zuge der Debatte um das Bürgergeld. Tatsächlich ist es so, dass große Vermögen in Deutschland nicht in erster Linie durch Arbeit entstehen und ganz sicher auch nicht durch das zukünftige Bürgergeld. Vermögen entsteht in Deutschland vorrangig durch Erbschaften und Schenkungen. Die Zeit titelte daher schon 2017: Wir beobachten das Ende der Leistungsgesellschaft.

Etwa 400 Milliarden Euro werden in Deutschland Jahr für Jahr vererbt oder verschenkt. Das ist eine gewaltige Summe, von der allerdings nur die wenigsten in diesem Land wirklich profitieren. Es sind laut einer Studie des DIW aus dem vergangenen Jahr – das ist wenig überraschend – vor allem bereits Vermögende, die am häufigsten und mit dem höchsten Volumen Schenkungen und Erbschaften erhalten. Die obersten 10 % der Begünstigten erhalten etwa die Hälfte des gesamten vererbten und verschenkten Vermögens. Die reichsten 20 % erhalten drei- bis viermal so hohe Erbschaften und Schenkungen wie alle anderen. Erbschaften und Schenkungen schließen also keineswegs die Schere zwischen Arm und Reich, sondern reißen sie noch viel weiter auf.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Auch heute sind die Freibeträge in der Erbschaft- und Schenkungsteuer bereits großzügig bemessen. Wenn Eltern an ihre Kinder vererben, steht den Kindern ein Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro zur Verfügung. Unter Ehegatten existiert ein allgemeiner Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro und darüber hinaus ein Versorgungsfreibetrag in Höhe von 256.000 Euro. Vor dem Hintergrund eines durchschnittlichen Erbes in Höhe von rund 85.000 Euro – laut der DIW-Studie – ist dies eine ganze Menge.

Von der Erhöhung der Freibeträge würden deshalb vor allem Erben von Miet- und Geschäftshäusern sowie Gewerbeimmobilien profitieren. Klassische FDP-Klientel, könnte man meinen!

Wer eine Immobilie in Toplage erbt, braucht nicht auch noch zusätzlichen Steuerrabatt. Häufig – wir haben es ja eben im Zwischenruf von dem Kollegen Witzel gehört – kommt der Vorwurf, das vererbte Vermögen sei doch schon versteuert.

(Ralf Witzel [FDP]: Ja, klar!)

Das ist ja nicht gänzlich falsch, aber mit der gleichen Argumentation müssten Sie doch auch die Mehrwertsteuer abschaffen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Denn egal, was man sich von seinem schon versteuerten Nettoeinkommen kauft, man muss auf so ziemlich alles Mehrwertsteuer zahlen, außer auf Briefmarken. Aber da die Mehrwertsteuer prozentual vor allem kleinere und mittlere Einkommensgruppen trifft, ist das halt nicht so sehr in Ihrem Fokus. Ich verstehe das auch. Trotzdem müssen wir doch gemeinsam dafür sorgen, dass sich Arbeiten wieder mehr lohnt. Das schaffen wir nicht, indem wir die Konzentration von Vermögen in wenigen Händen noch einfacher gestalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine derartig geringere Besteuerung von Vermögen bei zeitgleich hoher Besteuerung von Arbeitseinkommen führt zwangsläufig zu einer enormen sozialen Ungleichheit, die wir momentan aufgrund der Energiekrise und gestiegenen Lebenshaltungskosten besonders stark zu spüren bekommen.

Deshalb sollten wir derartige Initiativen, die ganz offensichtlich nur den Reichsten in unserem Land zugutekommen, besser nicht unterstützen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mehr zum Thema

Haushalt & Finanzen