Simon Rock (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute zum neunten Mal in dieser Legislaturperiode über das Thema „Grundsteuer“ – und nicht zum letzten Mal.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
– Ja, das ist klar. Gut, dass Sie mir zustimmen und auch davon ausgehen, dass es eine zweite Lesung zu diesem Gesetzentwurf geben wird. Das ist ganz in meinem Sinne.
Eine Sache müssen wir dazu feststellen: Wenn eine Reform über Jahrzehnte verschleppt wurde und man sie innerhalb von wenigen Jahren reparieren muss, dann liegt kein Segen darauf. Ich glaube, das können wir einfach mal parteiübergreifend feststellen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 festgestellt, was im Prinzip jeder wusste: Mit Einheitswerten von 1964, als die meisten hier im Raum wahrscheinlich noch nicht gelebt haben, kann man keine vernünftige Grundsteuer machen.
(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Die Politik hat es über Jahrzehnte nicht geschafft, sich auf ein vernünftiges Modell zu einigen. Dann musste man in relativ kurzer Zeit eine Reform hinbekommen, die, wie wir jetzt feststellen, ihre Macken hat.
Das Versprechen, die Grundsteuer solle insgesamt aufkommensneutral sein, hat das klassische Problem, dass Olaf Scholz versprochen hat, insgesamt müsse nicht mehr bezahlt werden, aber viele Leute denken, jeder Einzelne müsse nicht mehr bezahlen. Das ist einer der Urfehler dieser Reform. Da müssen wir jetzt aber trotzdem durch.
Unbeabsichtigt war aber, dass das Wohnen insgesamt teurer wird. Das ist einer der System- und Konstruktionsfehler dieser Reform, der sich aber erst jetzt herausgestellt hat – anscheinend auch für die FDP-Fraktion. Sie hätten bis zur Wahl 2022 die Möglichkeit gehabt, dies zu korrigieren, und in der Opposition sind Sie bis Januar 2024 ausweislich Ihrer Antragsinitiativen auch nicht zu dieser Einschätzung gekommen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Idealerweise muss man das über eine Bundeslösung hinkriegen, weil das Problem nicht nur Nordrhein-Westfalen betrifft, sondern insgesamt neun bzw. elf Bundesländer.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So ist das!)
Leider zieht sich Christian Lindner diesen Schuh nicht an. Das ist bedauerlich, aber zu akzeptieren.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Dann bleibt als Möglichkeit nur übrig, die Länderöffnungsklausel zu nutzen und als Land selbst tätig zu werden, und genau das machen wir. Wir haben zwei Möglichkeiten, wie wir dieses Problem prinzipiell lösen:
Die eine Möglichkeit hat die FDP im Januar beantragt; das ist die landesweite Differenzierung der Messzahlen. Das Problem ist nur: Diese Belastungsverschiebung ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Ich sehe die Reaktion, wenn ich über Messzahlen rede: Hör mir auf mit diesen Messzahlen. – Ich versuche, es etwas plastischer zu sagen:
Durchschnittlich hat jeder Mensch Schuhgröße 42. Das Problem ist: Wenn man landesweit vorschreiben würde, alle müssten die Schuhgröße 42 tragen,
(Sven Wolf [SPD]: Würden die mir schon nicht passen!)
würden vielen die Schuhe nicht passen. Ich selbst habe Schuhgröße 49, meine Frau Schuhgröße 39, mein Sohn Schuhgröße 28, wenn auch mit steigender Tendenz.
(Dr. Robin Korte [GRÜNE]: Ich habe 42!)
Das Ergebnis wäre: Wir würden alle barfuß herumlaufen. Ich hielte wenig davon, wenn Marcus Optendrenk uns allen landesweit die Vorgabe machen würde, wie groß unsere Schuhe sein sollten. Diese Form von Einheitsgröße halte ich nicht für schlau.
Ich denke, das kann man gut auf die Grundsteuer übertragen: Warum soll eine landeseinheitliche Anpassung der Messzahlen erfolgen, wenn die Belastungsverschiebung unterschiedlich ist? Viel sinnvoller sind passgenaue Lösungen, nämlich über die differenzierten Hebesätze. Dann kann jede Kommune für sich genau ausrechnen, wie groß der Schuh ist, der passt.
Es wird sogar noch besser: Wenn ich den Finanzminister richtig verstanden habe, übernimmt er sogar den Service, für alle Kommunen die Schuhgröße auszumessen. Ob sie dann die Größe auch nutzen, kann jede für sich selbst entscheiden. Jeder muss für sich selbst gucken, ob er sich passende Schuhe anziehen möchte oder nicht, aber schlau wäre es zumindest. Daher ist diese Lösung, die wir in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen haben, genau die richtige und passgenaue Lösung.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich will zum Schluss sagen: Diese Lösung ist optional. Niemand wird gezwungen zu differenzieren, aber den Kommunen, die es machen wollen, weil ihnen die Schuhe, die ihnen das Bundesmodell angezogen hat, nicht passen und sie das ändern wollen, wollen wir das ermöglichen. In diesem Sinne werden wir den Gesetzentwurf sicherlich gerne sehr intensiv im Ausschuss beraten. Ich freue mich auf die weitere Debatte.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)