Simon Rock: „Am Ende können sich nur Reiche einen armen Staat leisten“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der "AfD"-Fraktion zum Landeshaushalt

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wie ist die aktuelle Lage des Landeshaushalts von Nordrhein-Westfalen wirklich?“ So überschreibt die AfD ihren Antrag auf eine Aktuelle Stunde.

Dass sich die AfD plötzlich für Haushaltspolitik interessiert, ist neu und interessant. Allerdings ist diese Frage spätestens seit Dienstagnachmittag beantwortet. Das Finanzministerium hat umfänglich über den geplanten Nachtragshaushalt 2024 und den Haushaltsplanentwurf 2025 informiert.

Wie ehrlich das Interesse der AfD an der Haushaltspolitik des Landes ist, zeigt auch der Antragstext. Er enthält eine Reihe von Falschbehauptungen. Beispielsweise ist von einem angekündigten Bruch der Schuldenbremse die Rede. Dabei ist das gar nicht der Fall.

Selbstverständlich hat die Koalition in Nordrhein-Westfalen keinen Verfassungsbruch angekündigt. Ganz im Gegenteil: Wir nutzen die Konjunkturkomponente, die in der Schuldenbremse ausdrücklich vorgesehen ist.

Es ist aber keine grundsätzlich neue Erkenntnis, dass es die AfD mit der Verfassung nicht so genau nimmt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Was die AfD hier wohl meint, aber nicht ganz verstanden hat oder absichtlich falsch darstellt, ist, dass die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse in Nordrhein-Westfalen sowohl für das laufende Haushaltsjahr 2024 als auch für das Jahr 2025 genutzt wird. Diese ist – ich habe es gerade gesagt – Teil der Schuldenbremse.

Die Regelungen dazu finden sich in der Landeshaushaltsordnung. Es lohnt sich, dort einmal genauer hineinzuschauen. Ein kleiner Tipp: Es sind die §§ 18c bis 18h.

Um den Falschbehauptungen der AfD an dieser Stelle nicht zu viel Raum zu geben, schauen wir uns lieber einmal die realen Entwicklungen an.

Spätestens seit der Mai-Steuerschätzung ist klar, dass die Rahmenbedingungen für den Haushaltsvollzug 2024 und für die Haushaltsaufstellung 2025 leider äußerst schwierig sind. Wenn jetzt wieder einige Schlaumeier kommen und sagen: „Es ist alles gar nicht so schlimm; die Steuereinnahmen sind Jahr für Jahr so hoch wie noch nie; der Staat muss irgendwann einmal lernen, mit dem Geld auszukommen“, dann sage ich:

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Es ist zwar korrekt, dass die Steuereinnahmen gegenüber 2023 leicht ansteigen. Die Gehälter aber ebenfalls so hoch wie nie, die Renten sind so hoch wie nie, die Zuweisungen an die Kommunen sind so hoch wie nie, und sie steigen praktisch jedes Jahr.

(Alexander Baer [SPD]: Ist das schlimm?)

Das hat einen einfachen Grund. Die Preise sind nämlich auch so hoch wie nie. Das ist keine grundsätzliche Überraschung. Denn mit der allgemeinen Inflation steigt notgedrungen der Ausgabebedarf des Staates. Das ist eine Binsenweisheit und keine neue Erkenntnis; das ist seit Jahrhunderten der Fall.

Allein der Tarifabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes kostet das Land Nordrhein-Westfalen ab 2025 Jahr für Jahr 2,3 Milliarden Euro. Ist irgendjemand der Meinung, dass wir hier kürzen sollten? Oder ist es ein Ideologieprojekt, diesen Tarifabschluss zu übernehmen?

Ist es ein Ideologieprojekt, die Kita-Mittel um 400 Millionen Euro zu erhöhen? Die Kita-Träger beschweren sich ja nicht darüber, dass gekürzt wird, sondern kritisieren, dass die Erhöhung nicht ausreichend hoch sei.

Das GFG, also das Gemeindefinanzierungsgesetz, beinhaltet eine Erhöhung um weitere 400 Millionen Euro. Ist irgendjemand der Meinung, man sollte hier den Rotstift ansetzen und bei den Kommunen kürzen?

Das könnten wir jetzt Einzelplan für Einzelplan durchgehen. Dafür reicht die Redezeit aber leider nicht. Wer nachgerechnet hat, stellt allerdings fest, dass sich allein diese drei Positionen auf über 3 Milliarden Euro summieren. Die voraussichtlichen Einnahmen steigen hingegen nur um weniger als 3 Milliarden Euro.

Noch einmal: Ja, es ist richtig; die Steuereinnahmen steigen leicht. Die Steigerung ist aber viel geringer, als noch Ende 2023 erwartet wurde. Sie steigen auch nicht genug, um allein die rechtlichen Zwangsläufigkeiten und damit nichts anderes als den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten.

Im Schätzzeitraum 2024 bis 2028 werden für den Landeshaushalt Mindereinnahmen in Milliardenhöhe gegenüber der ursprünglichen Planung erwartet. Die angespannte Wirtschaftslage trifft Nordrhein-Westfalen durch geringere Steuereinnahmen sehr deutlich. Damit müssen wir umgehen. Das werden wir als Koalition auch tun.

Ein Baustein zur Lösung der angespannten Haushaltslage sind Einsparungen in allen Ressorts – aber nicht nur das. Ein Teil ist ebenso die Nutzung der Konjunkturkomponente. Das ist auch eine Selbstverständlichkeit. 13 andere der 16 Bundesländer nutzen diese Konjunkturkomponente. Auch der Bund nutzt sie seit Jahren, in diesem Jahr übrigens mit 40 Milliarden Euro.

Das heißt, dass wir das Land trotz Einsparnotwendigkeiten handlungsfähig halten müssen und handlungsfähig halten. Dabei setzen wir klare Prioritäten, nämlich vor allen Dingen auf Kinder und Jugendliche.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Diese Priorität behalten wir im kommenden Haushalt bei.

Von der Opposition hören wir Falschbehauptungen wie von der AfD oder vermeintliche Vorschläge, die keinem Realitätscheck standhalten. Erst gestern hatten wir zum Beispiel den Antrag der FDP auf Senkung der Grunderwerbsteuer, obwohl eine Anhörung im Haushalts- und Finanzausschuss sehr eindeutig ergeben hat, dass diese Senkung der Grunderwerbsteuer – freundlich ausgedrückt – haushaltspolitisch eher kontraproduktiv wäre.

Die allgemeine Haushaltspolitik der AfD besteht eher darin, Steuern für Reiche zu senken oder ganz abzuschaffen. Das Ergebnis wären dann massive Einnahmeausfälle für unser Gemeinwesen. Profitieren würden davon nur einige wenige.

Diese Politik ist nicht nur unsozial, sondern verschärft auch die Haushaltsprobleme. Ein sozialer Kahlschlag und massive neue Schulden wären die Folge; denn am Ende können sich nur Reiche einen armen Staat leisten.

(Beifall von den GRÜNEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist es!)

Wir sind sehr gespannt auf die Haushaltsdebatte im Herbst. Wir sind auch gespannt, ob wir seriösere und ernsthaftere Vorschläge der Opposition zu erwarten haben. Allgemein mehr Sparanstrengungen zu fordern, aber im Konkreten jede Sparmaßnahme zu kritisieren und überall mehr Geld zu fordern, ist reichlich billig.

Die Menschen in diesem Land haben zu Recht eine andere Erwartungshaltung. Genau diese Erwartungshaltung werden wir als Koalition erfüllen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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