Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Stunde zur Offenlegung des RVR-Regionalplans beantragt, weil noch immer die Chance besteht, durch eine Kursänderung der Landesregierung den vorhandenen Konflikt vor Ort in der Planungspolitik aufzulösen.
Worum geht es im Kern? Im Kern führt uns die Debatte, die wir hier um den Regionalplan führen, vor Augen, was passiert, wenn eine Landesregierung die immer größer werdende Begrenztheit der Ressourcen Fläche und Rohstoffe nicht ernst nimmt. Genau deshalb haben wir jetzt einen massiven Konflikt am Niederrhein. In vielen Kommunen werden die neuen Planungen für noch mehr Kiesabgrabungen bzw. für noch mehr Fläche äußerst kritisch gesehen.
Diese Ablehnung wird vor Ort nicht nur von den Grünen getragen, sondern sie wird von vielen Mitgliedern der CDU und der SPD mitgetragen, weil die Menschen spüren, dass sie einen schleichenden Verlust von Heimat erleben. Wer sich die Situation vor Ort einmal angeguckt hat, der weiß, dass die Menschen recht haben, dass sie richtig spüren, was dort passiert. Die Verwandlung der Landschaften am Niederrhein in eine Art Schweizer Käse mit Kieslöchern muss endlich ein Ende finden.
Ihr Ziel, sehr geehrter Herr Minister Pinkwart, war aber seit 2017 ein anderes. Aus unserer Sicht haben Sie überhaupt keine Rücksicht auf Umwelt und Natur genommen, sondern Sie wollten entfesseln. Das haben Sie immer wieder betont. Teil der Entfesselung war es eben, für die Rohstoffindustrie noch mehr Abbaufläche zur Verfügung zu stellen. Das haben Sie ganz konkret in vielen Schritten getan. Als Letztes hat die schwarz-gelbe Landesregierung den Abbau von Rohstoffen selbst in Wasserschutzgebieten über das Landeswassergesetz ermöglicht.
Davor haben Sie – und das war der entscheidende Schritt – die Versorgungszeiträume im Landesentwicklungsplan von 20 auf 25 Jahre hochgesetzt mit der Folge, dass in den Regionalplänen noch mehr Fläche für den Kiesabbau vorzusehen war.
Dieser neue LEP hat im Kreis Wesel dazu geführt – und nur da kann der RVR Kiesabbauflächen planerisch darstellen –, dass noch mal 300 ha zusätzliche Flächen ausgewiesen werden müssen, und das auf dem Gebiet von Gemeinden wie Kamp-Lintfort, wo schon jetzt 8 % der Gemeindefläche solche Abbauflächen und ehemalige Kiesflächen sind. Das überfordert die Kommunen vor Ort garantiert.
(Beifall von den GRÜNEN und René Schneider [SPD])
Dass in einem ganz bestimmten, eng definierten Rahmen Kies, Sand und weitere Rohstoffe in Nordrhein-Westfalen abgebaut werden, akzeptieren die Menschen durchaus. Was aber niemand in Nordrhein-Westfalen versteht, ist, dass wir mit diesen endlichen Ressourcen wie Kies nicht sparsam umgehen. Die Menschen am Niederrhein haben den Eindruck gewonnen: Hier bestellt die Kieslobby, und die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf liefert die entsprechenden Flächen für neue Kieslöcher.
Dabei gäbe es gute Gründe, andere Wege einzuschlagen, einen neuen Kurs einzuschlagen. Zuletzt haben die Ereignisse in Erftstadt doch gezeigt, was das bedeuten und was mit solchen Kieslöchern passieren kann.
Wir haben den Klimawandel. Wir wissen alle miteinander, wie wichtig es ist, schonend mit landwirtschaftlicher Fläche umzugehen, wir tun es nur nicht. Im Gegenteil! Bei der Ermittlung des zukünftigen Bedarfs wird einfach auf die bisherigen Abbaumengen zurückgegriffen.
Selbst die gigantischen Exportmengen aus der Vergangenheit – die Hälfte des Kieses ist in den letzten zehn Jahren exportiert worden, das sind 165 Millionen Tonnen – werden im zukünftigen Bedarf nicht korrigiert. Aber es kann landesplanerisch doch nicht der Sinn sein, Kies für den Export zur Verfügung zu stellen,
(Beifall von den GRÜNEN, René Schneider [SPD] und Josef Neumann [SPD])
sondern es muss darum gehen, erst mal den regionalen Bedarf darzustellen.
Wir haben noch andere Hebel. Auch die nutzen wir nicht. Damit sind wir bei dem jetzt neu benannten Landeskreislaufwirtschaftsgesetz, früher Landesabfallgesetz. Im Wesentlichen wurde leider nur der Name geändert. Wenn wir das Wort „Landeskreislaufwirtschaftsgesetz“ ernst nehmen, dann müssen wir gerade im Bereich der Baurohstoffe dazu kommen, dass wir viel mehr Recyclingmaterial einsetzen. Das heißt umgekehrt, dass der Kiesabbau in den nächsten Jahrzehnten deutlich sinken müsste, was nach Ihren Planungen aber nicht passiert.
Genauso, Herr Minister Pinkwart, haben Sie 2019 mit großem Tamtam ein Pilotprojekt angekündigt und gefordert, der Geologische Dienst möge prüfen, ob man die vorhandenen Abgrabungen nicht besser ausschöpfen könne. Was ist denn aus diesem Projekt geworden? Wenn man danach sucht, findet man nichts. Da kann man doch nur den Verdacht haben, dass nicht wirklich etwas geschehen ist. Dieses Projekt gibt es anscheinend gar nicht, oder das Ganze war nur eine Nebelkerze – gezielt geworfen, um die Menschen am Niederrhein zu beruhigen.
Denselben Charakter haben die von Ihnen beauftragten Abgrabungskonferenzen. Da wurde Problembewusstsein suggeriert, aber am Ende hat sich nichts geändert.
Sie haben im Prinzip alle Gelegenheiten genutzt, um einen sparsamen Umgang mit der Ressource Kies auszuhebeln. Sie haben keine Sparsamkeit im Auge gehabt, sondern maximale Verfügbarkeit. Das ist falsch, und das ist für die Menschen vor Ort unerträglich.
(Beifall von den GRÜNEN, René Schneider [SPD] und Nina Andrieshen [SPD])
Deshalb haben der Kreis Wesel und die vier betroffenen Kommunen gemeinsam ein Gutachten in Auftrag gegeben und jetzt eine Klage eingereicht, über die nun zu entscheiden ist.
Weil Sie so maßlos vorgegangen sind, wird über Ihren LEP am Ende vor Gericht entschieden. Für die gesamte Region bedeutet das, was dort geschehen ist, eine jahrelange Verzögerung. Allein das ist ärgerlich.
Sie könnten dem immer noch entgegenwirken. Sie könnten die Versorgungszeiträume immer noch auf 20 Jahre heruntersetzen. Das würde für Entspannung in den entsprechenden Räumen sorgen. Das wollen auch Ihre eigenen Abgeordneten vor Ort. Es wäre sinnvoll, mal auf diejenigen zu hören, die vor Ort die Politik machen.
Wichtig wäre es – ich habe es gesagt –, den Bedarf für den Export herunterzufahren und den zunehmenden Recyclinganteil zu berücksichtigen, also auch hier den Bedarf zu korrigieren.
Genauso richtig wäre es – auch das tun Sie nicht –, der landwirtschaftlichen Fläche endlich einen eigenen, einen echten Wert zuzuordnen. Dann müsste tatsächlich in der Planung abgewogen werden, was wir auf der einen Seite mit einer neuen Kiesabbaufläche gewinnen, auf der anderen Seite aber an landwirtschaftlicher Nutzfläche verlieren, die einen eigenen hohen Wert hat.
Fazit aus meiner Sicht: Sie haben aus ideologischen Gründen und im Interesse weniger Unternehmen den weiteren Rohstoffabbau einseitig gewichtet und so im LEP verankert. Sie tragen damit die Verantwortung, Herr Minister Pinkwart, für die massiven Konflikte um den Regionalplan Ruhr.
Ändern Sie Ihre falschen Vorgaben! Befrieden Sie so, oder tragen Sie dazu bei, den Konflikt im Ruhrgebiet, im Kreis Wesel zu befrieden.
Starten Sie in eine moderne, nachhaltige Flächen- und Ressourcenpolitik hier in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)