Norwich Rüße: „Die Distanz zwischen dem Teller der Konsumenten und dem Acker ist immer größer geworden“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zu gesunderer Ernährung

Portrait Norwich Rüße

Der Antrag

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir uns ernähren, entscheidet darüber, wie gesund – da schließe ich an den Kollegen an – und wie leistungsfähig wir sind, und das entscheidet auch darüber, wie leistungsfähig und wie aufnahmefähig Schülerinnen und Schüler in der Schule sind.

Aus meiner Zeit als Lehramtsstudent kann ich mich gut daran erinnern, dass der Direktor sagte: Ein Drittel aller Kinder in Neukölln, Berlin, kommt ohne Frühstück in die Schule. – Daher ist es unsere soziale, sozialpolitische Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass im Sinne von Chancengerechtigkeit alle Kinder, alle Jugendlichen gut ernährt werden und Zugang zu guten Lebensmitteln haben. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt von dem, was wir mit unserer Ernährungsstrategie mittelfristig erreichen wollen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir alle wissen aus der KiGGS-Studie, dass es gerade bei Kindern und Jugendlichen erhebliche Tendenzen zur Fehlernährung gibt und dass diese Fehlernährung dazu führt, ein Leben lang zum Beispiel unter starkem Übergewicht zu leiden. Auch das hat soziale Folgen. Man ist im späteren Leben anfälliger für Diabetes und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Am Ende wird es im Parlament eine Kostenfrage sein: Wie viel Geld stellen wir für so ein Kantinenprogramm zur Verfügung? Am Ende lautet die Frage auch, wie viel Geld wir im Bereich „Krankheiten“ einsparen können, wenn wir vorne bei der Ernährung endlich etwas besser machen.

Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir diesen Schritt zusammen gehen, dass wir eine Ernährungsstrategie entwickeln, die alles miteinander verbindet, bei der vom Acker bis auf den Teller genau überlegt wird, wie es aussehen kann.

Drei Punkte wollen wir miteinander bearbeiten.

Zum einen die Gesundheit der Menschen. Gesundes, leckeres Essen – nicht in der jeder Kantine gibt es leckeres Essen; auch da gibt es noch etwas zu tun.

Ein weiterer Punkt ist, Bäuerinnen und Bauern Perspektiven zu geben, dass sie tatsächlich mit ihren Produkten … Die Distanz zwischen dem Teller der Konsumenten und dem Acker ist immer größer geworden. Diese Distanz wieder ein Stück weit zu verringern und landwirtschaftlichen Betrieben Zugänge in die Kantinen zu verschaffen, diese Lücke kleiner werden zu lassen, ist ein Ziel von Regionalität. – Das ist die zweite Aufgabe.

Die dritte Aufgabe ist, dass wir tatsächlich hoffen, die Konzentration – im Münsterland gibt es fast nur noch Schweinefleischproduktion – wieder etwas aufzubrechen. Dadurch wollen wir mehr Vielfalt in die Kulturlandschaft bringen und etwas für Artenvielfalt tun. Wir wollen die Kulturlandschaft etwas anders modellieren, anders aufstellen. Das ist dann ein Nebengewinn, der sozusagen auch noch abfällt. Dann haben wir alles in allem eine Win-win-Situation geschaffen, die sich sehr positiv auswirken kann.

Um noch mal klarzumachen, um welchen Markt es dabei geht. Heute wird in Deutschland jede dritte Mahlzeit, also richtige Mahlzeit – das ist nicht das Brötchen, das man sich morgens am Bahnhof kauft –, außer Haus eingenommen. Nach Schätzungen geht man davon aus, dass sich das in den nächsten Jahren bis auf die Hälfte verschieben wird.

Wenn wir es also schaffen wollen, dass sich der Markt ein Stück weit in Richtung regionaler, saisonaler – der Kollege hat es erwähnt –, ökologischer – das ist mir auch noch wichtig – Lebensmittel verändert, kommen wir gar nicht umhin, die Außer-Haus-Verpflegung anzugehen. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir zusammen diesen Antrag entwickelt haben und dadurch gemeinsam eine Perspektive aufzeigen.

Das gilt insbesondere für die Schülerinnen und Schüler, für die Kitas, denn unsere Kinder sind ja davon abhängig, was wir ihnen anbieten. Da haben wir eine Fürsorgepflicht – die sollten wir ernst nehmen –, dass wir denen gutes, gesundes Essen anbieten. Dadurch machen wir ihnen ein Angebot mit gutem, gesundem Essen.

Darin, den Umgang mit Lebensmitteln zu lernen und zu lernen, woher das Essen kommt, steckt eine Riesenchance. Das ist eine Riesenaufgabe, die wir Ihnen, Frau Ministerin, am Ende überreichen. Wir müssen die Perspektive bieten, dass sie tatsächlich in Küchen am Mittagessen mitarbeiten, in den Kitas, in Schulen, damit man sieht, was eine Mohrrübe ist. Das ist ja verlorengegangenes Wissen.

Wir haben es in den letzten Jahren nicht geschafft, das auszugleichen. Es gibt viele Aktivitäten – zum Beispiel die Landfrauen, die in die Schulen gehen und das versuchen. Das, was oben bei den Älteren an Wissen um Ernährung wegbricht, wächst aber unten nicht nach. Da müssen wir ran. Das müssen wir verbessern. Ich glaube, dass das eine Riesenchance ist, wenn wir damit jetzt anfangen.

Was mir wichtig wäre, ist, dass wir gemeinsam unter den demokratischen Fraktionen dieses wichtige Thema angehen und vorantreiben.

Ich freue mich auf die weitere Beratung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)