Mehrdad Mostofizadeh: „Der Pflegeberuf ist großartig, lassen Sie uns ihn stark machen“

Zur Aktuellen Stunde unter anderem auf Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zur Pflegeausbildung

Mehrdad Mostofizadeh

Der Antrag „Aktuelle Zahlen belegen: Positive Entwicklung bei der Pflegeausbildung in Nordrhein-Westfalen“

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Themen der Aktuellen Stunde machen die Sichtweisen sehr deutlich, mit denen man auf die Pflege blicken kann. Wir beantragten die Aktuelle Stunde, weil unverkennbar ist, dass es in der Pflege in Nordrhein-Westfalen aufwärts geht. Mehr Menschen sind bereit, eine Ausbildung in der Pflege zu beginnen und mit anzupacken. Das ist ein hervorragendes Signal für diesen Berufsstand.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Natürlich kann und muss man auch den Aspekt der sozialen Armut in den Mittelpunkt stellen, das ist überhaupt keine Frage. Ich frage mich allerdings, ob die Pressemitteilung etwas wegweisend Neues gezeigt hat. Meine Kollegin Jule Wenzel wird dazu im zweiten Teil sicherlich noch einiges ausführen.

Ich möchte noch einmal betonen: Die Pflege bedarf der Wertschätzung von uns allen. Die Pflege bedarf der Anerkennung in der Gesellschaft und im Beruf, damit sie ihren Stellenwert behält.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Warum sage ich das? Ich habe 16 Jahre lang in der ambulanten und stationären Altenpflege gearbeitet. Dieser Beruf ist furchtbar anstrengend, und er ist in den letzten zehn oder zwölf Jahren, in denen ich selbst nicht mehr aktiv war, noch viel anstrengender geworden.

Die Herausforderungen sind groß. Wir haben viel mehr Menschen, die von Demenz betroffen sind. Die Menschen werden älter und die Probleme tiefgreifender. Die Fachkräfte folgen aber nicht in dem Maße nach, wie wir sie benötigen, um das Niveau rein zahlenmäßig halten zu können.

Wollen wir dieses Niveau aber überhaupt halten? Nein, wir wollen eine andere Struktur. Wir müssen darauf setzen, dass es vor Ort starke soziale Strukturen, eine verbindliche Pflegeplanung und viele andere Instrumente gibt.

Neben dem, was die Kollegin Oellers ausgeführt hat, möchte ich noch zwei, drei andere Akzente setzen.

Warum ergreifen Menschen überhaupt einen Pflegeberuf? Die Diakonie hat im Jahr 2021 eine Umfrage unter ihren Beschäftigten durchgeführt. Der Grund Nummer eins war tatsächlich, dass sie Alltagsheldinnen sein und etwas Besonderes tun wollen. Sie wollen für die Menschen in besonderer Weise da sein, Erfolgserlebnisse haben und – das ist ganz wichtig – wertgeschätzt werden. Kann man all das in der Pflege bekommen? Ja, das kann man.

Im Alltag gibt es die kleinen und großen Erfolge. Wenn man sich zum Beispiel fachkundig macht und dann jemanden, der taubstumm ist, mit wenigen Handgriffen morgens wertschätzend begrüßen kann, hat man auf beiden Seiten des Bettes ein Erfolgserlebnis oder ist sogar schon fast beseelt.

Gleichzeitig müssen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und wir als Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Pflege funktionieren kann. Zum einen muss ausreichend fachkundiges Personal da sein. Zum anderen müssen gute Strukturen vorhanden sein, damit auch die vielen Menschen zu Hause fachkundig und in ausreichendem Maß gepflegt werden. Dafür müssen wir uns einsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte noch zwei, drei Zahlen wiederholen; Frau Kollegin Oellers hat es angedeutet. Die angehenden Pflegekräfte erhalten im dritten Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.353 Euro brutto. Meistens entspricht das auch nahezu dem Netto. Das sind ungefähr 200 Euro oder 20 % über dem Durchschnittslohn. Es gibt nur ganz wenige Berufe, die daran heranreichen.

Ich weiß nicht, wie viele Menschen überhaupt wissen, dass das so ist.

Um das Ganze noch mal einzuordnen, weil es gestern in der Debatte auch eine Rolle gespielt hat: Nordrhein-Westfalen ist Nummer eins unter den Flächenländern, was die Pflegeausbildung anbetrifft. Wir haben 1,5 Auszubildende je 100 Pflegebedürftige und liegen damit vor Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen und vielen anderen Bundesländern.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir sind die Nummer eins in der Fläche. Der Durchschnitt liegt bei 1,3. Vor uns liegen nur die kleinen Länder Saarland, Hamburg und Bremen. Deswegen kann ich sagen: Es ist gut, was da passiert.

(Thorsten Klute [SPD]: Sind alle SPD-geführt!)

– Ich komme zur SPD, Herr Kollege, und auch zur Handreichung.

Ein weiterer Aspekt in der Einordnung ist mir noch wichtig. In der Akademisierung der Pflege sind wir zum Glück einen Schritt weitergekommen. Nordrhein-Westfalen hat die Hochschule für Gesundheit, die jetzt hoffentlich weiter aufgebaut wird.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales)

Wir haben vor allem eine Struktur. Es ist der Erfolg der Ampel in Berlin, dass die Akademisierung jetzt Rahmenbedingungen hat, die zum Beispiel zur Community Health Nurse ein Bild zeichnen, die aber auch sehr klar die Bezahlung in der Hochschulausbildung klarstellen.

Mit Blick auf die gestrige Sitzung will ich sagen: Ich möchte nicht die Standards in der Pflegeausbildung senken. Ich möchte nicht, dass jemand die Lehre macht, der dazu nicht qualifiziert ist. Deshalb sage ich direkt dazu: Das heißt nicht, dass alle einen Masterabschluss haben müssen. Die Qualifikation kann man auch auf anderen Wegen erreichen.

Wir brauchen einen hohen Standard. Dass Pflegekräfte – das hat der Bund jetzt festgelegt – mit einem Bachelorabschluss Wundversorgung übernehmen können und in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden, macht die Pflege attraktiv. Das brauchen wir. Wir brauchen den Mix aus akademischer Pflege, examinierter Pflege und Hilfskräften, die ihren Beruf wertschätzen und die von der Gesellschaft wertgeschätzt werden. Es ist eine gute Nachricht, dass wir das heute in Nordrhein-Westfalen auf den Tisch gebracht haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ein letzter Aspekt noch, weil mir das wirklich ein Herzensanliegen ist, auch wenn es mit dem Pflegeberuf nur bedingt zu tun hat: Das Thema „Klimagerechtigkeit und Klimagesundheit“ spielte diese Woche eine wichtige Rolle. Es steht im Koalitionsvertrag, und wir müssen es jetzt anpacken. Die Refinanzierung der Pflege durch die Kostenträger sollte so gestaltet werden, dass die eingesparten Kosten für Investitionsmaßnahmen in die Digitalisierung und vor allem für den Klimaschutz und die Klimaanpassung eingesetzt werden können. Das würde zumindest im stationären Bereich helfen, den Klimaschutz nach vorne zu bringen.

Eines kann ich Ihnen sagen: Ich freue mich immer wieder, in ein Pflegeheim zu gehen, auch wenn die Schwierigkeiten da groß sind, weil ich die Brücke zwischen alten, mittelalten und jungen Menschen großartig finde. Man lernt sehr viele verschiedene Menschen kennen. Der Pflegeberuf ist großartig, lassen Sie uns ihn stark machen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier zwei Anträge zu einer Aktuelle Stunde vorliegen, und auf keinen von diesen Anträgen hat sich die Kollegin Teschlade bezogen. Sie hat all das gesagt, was sie immer schon mal sagen wollte.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Kirsten Stich [SPD]: Ja, und das war gut! – Zuruf von Frank Müller [SPD] – Weitere Zurufe)

Zwei oder drei Bemerkungen zu dem, was sie eben gesagt … – Es war nicht gut, Frau Kollegin, und es war auch sachlich nicht in Ordnung, beispielsweise zum Tarifvertrag Entlastung.

(Thorsten Klute [SPD]: Immerhin hast du mal zugehört! – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Schlechtes Gewissen, oder was steckt dahinter? – Zuruf von Jochen Ott [SPD] – Jule Wenzel [GRÜNE]: Hört doch mal zu! – Glocke)

Ich nenne die beiden Punkte der Aktuellen Stunde, um das vielleicht auch noch mal anzuregen: Einmal ging es um die Ausbildungszahlen – dazu kein Wort von Frau Teschlade –,

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

und dann ging es in dem Antrag der SPD um die Frage, warum immer mehr Pflegeanträge gestellt werden – auch dazu kam von ihr kein Wort.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Aber Bezug genommen auf die Rede Ihres Gesundheitsministers! – Zuruf von Lena Teschlade [SPD])

Sie haben Vorwürfe zu dem Tarifvertrag Entlastung erhoben, das Thema „Streikrecht“ hier eingeführt und dabei auch noch falsch zitiert. Es ist nicht richtig, dass nur Ihre Fraktion da nicht rangehen will. Im Bundestag gibt es sehr klare Aussagen unserer Fraktion dazu.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Herr Dreßler hat Ihnen sogar vorgeworfen, dass die SPD da nicht weit genug gehen würde.

(Lena Teschlade [SPD]: Ich glaube, Sie hören gar nicht mehr zu!)

Das kann man alles machen; es hat nur mit dem Thema „Pflege“ überhaupt nichts zu tun gehabt.

Die Praxisanleitung wird hier zu 100 % refinanziert. Wir haben uns sehr fachlich mit Praxisanleiterinnen auseinandergesetzt.

(Beifall von Jule Wenzel [GRÜNE] und der CDU – Zuruf von Christina Weng [SPD])

Die beklagen, dass die Strukturen vor Ort nicht synchronisiert werden. Sie setzen sich mit dem Thema nicht auseinander. Sie werfen Leuten Dinge vor, die sie überhaupt nicht zu verantworten haben und bieten hier ein Zerrbild der Pflegepolitik in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von Christina Weng [SPD])

Das finde ich schlicht nicht in Ordnung. Es ist nicht sachgerecht und auch überhaupt nicht zukunftsgewandt, was Sie hier tun. Das können Sie machen, aber es hat mit der Pflegepolitik in Nordrhein-Westfalen schlicht nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört, sonst hätten Sie den Zusammenhang verstanden!)

– Sie können noch lauter schreien, das beunruhigt mich überhaupt nicht. Ich bin voll drauf vorbereitet, Frau Kollegin. Das können Sie immer wieder machen, es regt mich aber nicht auf.

(Lachen und Zurufe von der SPD: Oh! – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das merkt man an Ihrer Rede!)

Mich regt auf, dass Sie den Beruf in der Pflege schlechtmachen und dass Sie die Daten nicht zur Kenntnis nehmen.

Noch einmal zur Ausbildungsstruktur von 2020 bis 2023. Obwohl insgesamt die Zahl der Ausbildungsplätze zurückgegangen ist, ist sie in der Pflege angestiegen, und zwar überproportional im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Das ist zur Einordnung zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der Beruf der Altenpflege ist verdammt hart. Er muss entschlackt werden; da müssen Dinge geändert werden, und die Bürokratie muss abgebaut werden. Aber man muss das nicht nur sagen – da würde ich Sie beim Wort nehmen, Frau Kollegin –, man muss machen, und zwar vor allem in Berlin.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Thorsten Klute [SPD]: Jetzt noch „Zukunftskoalition“ sagen, dann ist alles abgedeckt! – Zuruf von Kirsten Stich [SPD])

Dabei sollte man sich von den Kolleginnen und Kollegen der FDP nicht bremsen lassen; Rot und Grün sind da nah beieinander.

Außerdem müssen wir das tun, was Minister Laumann gestern angekündigt hat: Arbeitsgruppen müssen das entschlacken, was wir in Nordrhein-Westfalen tun können. Wenn wir das zusammen tun, können wir einen Schritt weiterkommen,

(Lena Teschlade [SPD]: Nicht nur ankündigen! Auch machen!)

anstatt aufeinander einzuschlagen, was Sie immer tun. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Das ist wahr!)

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