Martin Metz: „Es braucht im Straßenverkehr weniger Mief aus der Kaiserzeit“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zur Verkehrspolitik von Schwarz-Grün

Portrait Martin Metz

Martin Metz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Miteinander auf unseren Straßen ist oft herausfordernd. Man kennt es: Autofahrende regen sich über Radfahrer auf, Fußgänger über Radfahrer, Fußgänger über Autofahrer usw. Die meisten sind ja auch in verschiedenen Rollen unterwegs.

Die Aufgabe des Staates ist es nun einmal, dann, wenn verschiedene Rollen aufeinandertreffen, Regeln aufzustellen. Das sollten einfache und verständliche Regeln sein, die alle Interessen bestmöglich berücksichtigen.

Das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrs-Ordnung werden dem modernen Verkehrsgeschehen des 21. Jahrhunderts einfach nicht gerecht. Das gültige Straßenverkehrsgesetz fußt in seinem Ansatz und in seiner Struktur auf dem Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen von Kaiser Wilhelm II. aus dem Jahre 1909. Allein historisch bedingt hat es den Kraftfahrzeugverkehr dabei im Fokus. Das muss sich ändern, wenn man Mobilitätspolitik im 21. Jahrhundert machen will.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um es klar zu sagen: Das, was Bundesregierung und Bundestag hier vorgelegt haben, war nicht die Revolution. Damit hätte vielleicht sogar noch der reaktionäre Wilhelm II. leben können. Denn es geht um eine Erweiterung von Anordnungsmöglichkeiten, etwas mehr Flexibilität in der Abwägung und etwas mehr Freiheit für die Kommunen. Wie? Indem man sagt, man könne Verkehrsregelungen auch mit Blick auf Umwelt, Klimaschutz, Gesundheit und Städtebau erlassen.

Dabei war und ist im Gesetzentwurf unmissverständlich in dem Vorschlag zu § 6 Abs. 4a formuliert, dass „neben der Verbesserung des Schutzes der Umwelt, des Schutzes der Gesundheit oder der Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ berücksichtigt werden müssen.

Wir haben großes Vertrauen und sehen nicht die Problematik, dass die kommunalen Straßenverkehrsbehörden irgendwelche Anordnungen treffen würden, die die Verkehrssicherheit gefährden könnten. Die von Teilen des Bundesrates vertretene Argumentation zur Ablehnung der Gesetzesnovelle aus diesem Grund teilen wir Grüne nicht.

Nun, wir brauchen ein Update für unser Straßenverkehrsgesetz. Es wäre gut, wenn dieser Gesetzentwurf auch im Bundesrat eine Mehrheit gefunden hätte.

Der ADFC mit über 58.000 Mitgliedern in NRW hat sein Unverständnis über das Bundesratsergebnis deutlich artikuliert. Die über 150 Mitglieder der Initiative „Lebenswerte Städte“, die für 60 % der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen stehen, haben ebenso ihr Unverständnis geäußert.

Der Städte- und Gemeindebund hat eindeutig gesagt: Aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ist es enttäuschend, dass selbst die vorgelegten kleinteiligen Änderungen zu Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrs-Ordnung zugunsten erweiterter Handlungsspielräume der Städte und Gemeinden damit vorerst nicht umgesetzt werden. – Der Städtetag hat sich ähnlich geäußert.

Das kann und wird diese Koalition natürlich nicht ignorieren. Wir stehen gemeinsam an der Seite der Städte und Gemeinden, um dem Straßenverkehrsrecht ein Update zu geben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das ist Politik. So läuft Politik. Ich kenne Politik seit 19 Jahren – auch aus dem Stadtrat in meiner Heimatstadt, sieben Jahren im Kreistag und zuletzt drei Jahren als Ortsvorsteher in meinem Dorf. Die Menschen, die Veränderungen wollen, sind ja nicht irgendwelche Fundis oder Einzelgänger. Das ist die Mitte der Gesellschaft.

Das sind die Anwohner, die fragen: Hier ist ein Abschnitt mit Tempo 30, und da hinten ist ein weiterer Abschnitt mit Tempo 30. Dazwischen liegen ein paar Hundert Meter. Warum kann man das nicht durchgängig machen, um Gasgeben und Abbremsen zu vermeiden?

Das sind diejenigen, die morgens zur Arbeit fahren und fragen: Warum kann denn da nicht die Radspur eingerichtet werden?

Das sind die Eltern, die fragen: Warum darf man an diesem hoch frequentierten Schulweg Tempo 50 fahren?

Das sind die Debatten in den Stadt- und Gemeinderäten, die wir alle kennen, wo quer durch die Lager der demokratischen Fraktionen Anträge gestellt werden: hier und dort Tempo 30; Zebrastreifen; Radweg.

Sie alle bekommen viel zu oft zu hören: Geht nicht; darf man nicht; so ist das Gesetz. – Bundesgesetze schränken Maßnahmen, die Bürgerinnen und Bürgern inklusive der Politik vor Ort gerne umsetzen würden, ein. Das bedeutet auch massiven Frust. Das gilt es zu ändern.

Deshalb rufe ich alle auf – wirklich alle; denn es geht jetzt darum, dass man kurz vorm Ziel ist –, auf verschiedensten Ebenen sachlich zu diskutieren, die Argumente, die vorgebracht werden, selbst wenn man sie nicht teilt, dennoch zu würdigen und darauf zu reagieren und dann zu einer Lösung zu kommen, um diesen Frust vor Ort endlich einzudämmen und ein Stück weit zumindest die Perspektive zu schaffen, dass man vor Ort eine sinnvolle Regelung im Straßenverkehrsrecht bekommt.

Wir als grüne Fraktion haben die klare Erwartungshaltung, dass diese Novelle kommt. Wir haben das gemeinsame Ziel im Koalitionsvertrag. Denn eines ist klar: Es braucht im Straßenverkehr weniger Mief aus der Kaiserzeit und stattdessen einen modernen Rechtsrahmen für besseres Miteinander auf unseren Straßen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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